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Zwischen Neujahrs-Ansprache und Demokratie-Blockade

Archiv Linksfraktion - Rede von Petra Pau,

Freiheit für die Informationsfreiheit

Petra Pau (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Überraschen wir uns damit, was möglich ist.“ Das war der Leitsatz von Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Neujahrsansprache. Ich würde mich heute von der Union und der SPD gerne überraschen lassen. Aber nach den Ausführungen meiner Vorredner ist klar, dass sie diese Überraschung nicht wollen, das heißt, dass sie nicht für noch mehr Demokratie und Bürgerrechte stimmen wollen. Aber genau darum geht es in der heutigen Debatte. Das Informationsfreiheitsgesetz soll entfesselt und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger sollen gestärkt werden. Darauf zielen die vorliegenden Anträge der FDP und des Bündnisses 90/Die Grünen, und
genau das will auch die Fraktion Die Linke. Wir wollen, dass das Gesetz das bewirkt, was es vorgibt, nämlich Informationsfreiheit - und zwar für alle - statt Geheimniskrämerei.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Informationsfreiheitsgesetz sollte jeder Bürgerin und jedem Bürger zu umfangreichen Einsichten verhelfen. Sie sollen Auskünfte erhalten, Akten einsehen und Planungen nachvollziehen können, und zwar möglichst ausnahmslos, umgehend und bürokratiefrei. Das war der Sinn, als der Bundestag vor zwei Jahren endlich dieses Gesetz schuf.
Aber - auch das gehört zur Geschichte - die Schöpfer hatten das Informationsfreiheitsgesetz zugleich mit Mühlsteinen behängt. Einer bewirkt: Wer Auskunft begehrt, soll dafür zahlen, und zwar bis zu einer Obergrenze - davon war schon die Rede - von 500 Euro. Das ist mehr, als manch einer überhaupt zur Verfügung hat. So gilt auch hier: Wer arm dran ist, wird auch noch seiner Bürgerrechte beraubt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kollegin Piltz hat bereits darauf hingewiesen. Jemand, der mit jedem Cent rechnen muss, wird sich überlegen, ob er eine Auskunft verlangt oder ob er das Geld lieber für seinen Lebensunterhalt verwendet.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Aber das bezieht sich doch immer auf den Verwaltungsaufwand! Es sind nicht immer abstrakt 500 Euro!)

- Inzwischen gibt es praktische Erfahrungen mit dem Gesetz, Kollege Bürsch. Anders, als es Kollegin Philipp dargestellt hat, überwiegen die schlechten die guten Erfahrungen. Es ist schließlich nicht zu rechtfertigen, wenn zum Beispiel das Auswärtige Amt für eine Auskunft in Form von vier Fotokopien 100 Euro begehrt.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das war nur ganz zum Anfang! Das wurde breitgetreten und schon hundertmal zitiert!)

Das ist keine Information für freie Bürger, sondern Wucher. Genau das ließe sich ausschließen, wenn Sie es heute alle wollten und den vorliegenden Anträgen zustimmen würden.
Die Oppositionsparteien - FDP, die Linke und Bündnis 90/Die Grünen - sind sich einig wie selten: Wir wollen Informationsfreiheit. Aber schon in den Ausschussberatungen hat sich gezeigt, dass sich die CDU/CSU und die SPD standhaft gegen die Beseitigung der Mühlsteine wehren. Im Protokoll ist unter dem Stichwort „Lösungen“ festgehalten: Ablehnung der Anträge.
Heute wollte ich mich überraschen lassen, ob wenigstens die Abgeordnete Dr. Merkel die Neujahrsansprache der Kanzlerin Dr. Merkel verstanden hat.
(
Dr. Michael Bürsch [SPD]: Hochgegriffen!)

Sie hätte heute die Chance gehabt, sich von den rückwärtigen Diensten der Großen Koalition zu emanzipieren und mit der Opposition für Informationsfreiheit zu stimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie ist leider in Brüssel. Sie haben aber die Möglichkeit, liebe Kollegen aus der Koalition, das stellvertretend für Frau Merkel zu tun.
Ich halte es mit Faust: „Der Worte sind genug gewechselt.

(Dr. Michael Bürsch [SPD]: Das stimmt!)

Lasst mich endlich Taten sehen!“ Ich befürchte nur, dass Ihr Faust wieder recht behalten wird: „Die Botschaft hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube.“ So geht es inzwischen vielen, wenn sie Silvester wohlfeile Reden hören. Das schafft nur eines, nämlich Demokratieverdruss, den wir überhaupt nicht gebrauchen können. Deshalb fordere ich Sie auf: Kehren Sie um, und stimmen Sie den Anträgen der Kollegen zu!

(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Peter Hettlich [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])