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Zukunft des Wissenschaftsstandorts Deutschland

Archiv Linksfraktion - Rede von Ralph Lenkert,

Beratung des Bundeshaushalts 2015Rede zum Einzelplan 30 - Bildung und Forschung 

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Bildung und Forschung sind kein Privileg für Eliten, sondern eine Herausforderung für alle. Vor neun Jahren zwang die Thüringer CDU-Alleinregierung mit ihrem Angriff auf Kitas die Thüringer Eltern, für ihre Kinder einzutreten. Wir starteten das Volksbegehen für eine bessere Familienpolitik. Eltern, Erzieherinnen und Erzieher, Gewerkschaften, die Linke, die SPD und Bündnis 90/Die Grünen kämpften zusammen für eine bessere frühkindliche Bildung.

Fünf Jahre später und nach dem Verlust der absoluten Landtagsmehrheit konnte die CDU endlich einem besseren Kitagesetz zustimmen. Wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident von Thüringen wird, dann bekommen wir auch noch die Landesfinanzierung für Kitas sauber geregelt.

Begriffen hat die Bundes-CDU mit diesem Haushaltsentwurf nichts. Bundesweit fehlen Erzieherinnen und Erzieher in Krippen und Kindergärten, die Gruppen sind zu groß, die Öffnungszeiten sind zu knapp. Speziell für Ihre Bildung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, zitiere ich den Nobelpreisträger für Ökonomie, James J. Heckman, von der University of Chicago:

"Die Gesellschaft erhält eine langfristige Rendite von 50 Prozent für jeden Euro, der in frühkindliche Bildung investiert wird. Das sieht auch die Linke so."

In diesem Haushalt haben Sie erneut nicht begriffen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist. 1 Milliarde Euro verteilt auf vier Jahre - das ist alles. Laut Bertelsmann Stiftung müssten Sie das Zehnfache in Kitas und vor allem in die Ausbildung von Kitapersonal investieren.

Handeln Sie endlich!

In einer Stadt wie dem thüringischen Gera, einer Stadt ohne genehmigten Haushalt, verfallen die Schulen. In Hunderten Kommunen Deutschlands passiert das Gleiche. Wir alle kennen den Sanierungsstau. Ohne das herausragende Engagement von Lehrerinnen, Lehrern und Eltern wären die Bedingungen für unsere Kinder unzumutbar; Ihnen gilt mein Dank. Die Schulen leben von der Substanz. Wir fordern Schulsanierungen, und zwar schnell.

Im Wahlkampf hört man jetzt von Politikerinnen und Politikern der Union: Wir brauchen mehr Lehrerinnen und Lehrer für kleinere Klassen, für Inklusion. Ich frage Sie von der Union: Warum haben Sie in den letzten 24 Jahren in Thüringen und Sachsen oder in neun Jahren im Bund unter Ihrer Regierungsverantwortung nicht für eine ausreichende Anzahl und gut ausgebildete Lehrkräfte gesorgt?

Blicken Sie auf die Vertretungspläne der Schulen: häufiger Stundenausfall, Vertretungen, Unterricht durch Eltern, und zwar flächendeckend. Lehrerinnen und Lehrer, die befristet für das Schuljahr eingestellt werden, müssen sich aus Sparsamkeit der Länder in den Sommerferien arbeitslos melden. Das alles sind Folgen Ihrer Regierungspolitik. Diese Politik muss verändert werden.

In Thüringen fehlen über 2.000 Lehrerinnen und Lehrer. Dieser Personalbedarf entspricht 120 Millionen Euro pro Jahr. Der Anteil für Thüringen von 57 Millionen Euro per annum aus Ihrem Bildungspaket von 6 Milliarden Euro reicht nicht einmal für die Hälfte.

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Herr Lenkert, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von den Grünen zu?

Ralph Lenkert (DIE LINKE):
Bitte.

Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herzlichen Dank, Frau Präsidentin. Lieber Kollege, ich weiß nicht, ob Sie Bildungsminister in Thüringen werden wollen. Das ist aber nicht Anlass unserer heutigen Debatte. Könnten Sie jetzt bitte langsam zum Bundeshaushalt kommen? Bisher haben wir nur etwas über Thüringen gehört.
Meine Frage: Was möchten Sie im Bundeshaushalt an Investitionen für Bildung?

Ralph Lenkert (DIE LINKE):
Sehr geehrter Herr Kollege, als Erstes fordern wir - das als Antwort auf Ihre Frage - die Aufhebung des Kooperationsverbotes; denn das Kooperationsverbot sorgt dafür, dass die Bundesländer mit nicht so viel Geld die Bundesländer, die reicher sind, noch unterstützen müssen. Nehmen wir Bayern, meine Herren von der CSU: Bayern bildet seit Jahren viel zu wenige Studentinnen und Studenten für die eigene Wirtschaft aus.

Andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein, wie Nordrhein-Westfalen, wie Thüringen, wie Sachsen finanzieren mit ihren Landesmitteln über ihre Hochschulen die Absolventen für Bayern. Bayern spart sich die Kohle und will jetzt auch noch seine Ausgaben für den Länderfinanzausgleich reduzieren. Das ist ungerecht. Da Bildung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, da Eltern flexibel sein müssen, muss das Kooperationsverbot aufgehoben werden. Wenn uns das gelingt, dann ist dieses Thema auch hier wichtig. Ich erörtere in meinen Reden diese Frage deswegen so intensiv, damit jedem klar wird, wie schwachsinnig das Kooperationsverbot für eine gute Bildung in ganz Deutschland ist.

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2016 soll das BAföG erstmals nach sechs Jahren steigen. Bis dahin müssen Studierende ohne betuchte Eltern noch mehr jobben, um die emporschießenden Mieten und Lebenshaltungskosten bezahlen zu können.

Der Bund übernimmt 1,17 Milliarden Euro für das BAföG. Das ist gut; denn dann bekommen die Länder diese Mittel frei. Aber ohne Aufhebung des Kooperationsverbotes werden diese Mittel in den Landeshaushalten versickern. Das Kooperationsverbot verbietet die gemeinsame Finanzierung von Bildungseinrichtungen. Das ist falsch. Bildung geht uns alle an.

An den Hochschulen haben 84 Prozent der 160.000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur Zeitverträge, über die Hälfte davon Zeitverträge von unter einem Jahr. Das heißt, Menschen, die nicht wissen, wovon und ob sie in drei Monaten die Miete zahlen können, sind das Rückgrat bei der Ausbildung der Studierenden. Diesen Zustand finden wir für Studierende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unerträglich.

Bei den Forschungsgesellschaften sind Befristungen ebenfalls Standard. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz provoziert dies. Manche Professoren und Institutsleiter nutzen das erbarmungslos aus. Reduzieren Sie endlich diesen Befristungswahnsinn! Koppeln Sie die Erhöhung der Grundfinanzierung für das Max-Planck-Institut, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft und die Leibniz-Gesellschaft an Auflagen für gute Arbeitsplätze.

Bei Forschung diskutieren wir über die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Deutschland. Aber Ihre neue Hightech-Strategie, Frau Ministerin, enthält nur die alten abgedroschenen Phrasen: Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit, Stärkung der Innovationsfähigkeit, Förderung von Wachstumsimpulsen.
Das klingt tough, ist aber absolut beliebig und ändert gar nichts. Über Grundlagenforschung reden Sie, Frau Ministerin, überhaupt nicht. Deswegen für Sie ein Zitat von Albert Einstein:

"Hätten wir nur in produktorientierte Forschung investiert, gäbe es heute die perfekte Petroleumlampe, aber kein elektrisches Licht."

Die Linke will Bildung verbessern und Forschung stärken. Dazu braucht es: erstens die Abschaffung des Kooperationsverbotes, zweitens ein neues Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Schluss mit dem Befristungswahnsinn, drittens eine kommunale Investitionspauschale von 1,5 Milliarden Euro, viertens 3 Milliarden Euro für den Kita-Ausbau und ein Ausbildungsprogramm für Erzieherinnen und Erzieher, fünftens 964 Millionen Euro mehr für den Hochschulpakt und bessere Studienbedingungen und, sechstens, mehr Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher.

Rot-Rot kann es. Das beweist Brandenburg mit einem Haushaltsüberschuss von 366 Millionen Euro seit 2010 und 2 540 neu eingestellten Lehrerinnen und Lehrern.

Wir Linken schwadronieren nicht über schwarze Nullen. Wir investieren in Bildung und sanieren Haushalte.

Vielen Dank.