Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Fraktion Die Linke unterstützt ausdrücklich den hier vorliegenden Antrag, weil es gerade angesichts des Alters der Betroffenen einer schnellen und unbürokratischen Lösung bedarf. Der Antrag hat also unsere volle Zustimmung.
Auf das Problem wurde schon hingewiesen. Das Ghettorentengesetz wurde damals vom ganzen Hause verabschiedet. Das war richtig und gut gemeint; aber in der Praxis hat sich nun gezeigt, dass es sich nicht bewährt hat und im Übrigen für die Betroffenen unzumutbar ist.
Die Formulierungen im Gesetz und erst recht die daraus abgeleiteten Entscheidungen zahlreicher Sozialgerichte, die die Anträge der Betroffenen reihenweise ablehnten, zeigen eine Unsensibilität gegenüber der realen Situation der vom NS-Faschismus verfolgten Ghettobewohner. Das stellt vielleicht den eigentlichen Skandal dar. Der vorliegende Antrag ist richtig, um diesen Skandal zu beenden. Die Arbeitsaufnahme müsse ‑ so heißt es im Gesetz ‑ „aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen“ und „gegen Entgelt ausgeübt“ worden sein. Die Anforderungen der Freiwilligkeit und eines Entgelts mögen für normale Arbeitsverhältnisse unter heutigen Bedingungen zutreffende Beschreibungen sein. Für die Situation in einem Ghetto ‑ das ist hier zu Recht dargestellt worden ‑ treffen sie aber nicht zu.
Es geht auch darum, politisch anzuerkennen, dass es sich hier um gesetzliches Unrecht handelt. Dem zollt dieser Antrag den entsprechenden Respekt.
Ich will abschließend darstellen, wie dies aus Sicht der Betroffenen wahrgenommen wird. Wie die im Gesetz genannten Voraussetzungen auf die Betroffenen gewirkt haben, macht eine Petition deutlich, die eingereicht wurde. Der Petent beklagt, die im ZRBG genannten Kriterien verlangten aus der Sicht der Antragsteller, also der Opfer, das Eingeständnis eines gewissen Maßes an Eigenbeteiligung an ihrem Verfolgungsschicksal. Das Gesetz wird so verstanden, dass die Frage, ob eine Anspruchsberechtigung besteht oder nicht, allein davon abhängt, ob und in welchem Umfang die Opfer bereit sind, zuzugeben, ihr Verfolgungsschicksal aktiv mitgestaltet zu haben, indem sie ein Entgelt entgegengenommen oder sich freiwillig zu einer Beschäftigung gemeldet haben. Dieses Eingeständnis ‑ so wird in der Petition ausgeführt ‑ ist für die meisten ehemals Verfolgten mit einem Verrat an ihrem eigenen Opferdasein gleichzusetzen und ‑ wenn man sich das einmal konkret vorstellt ‑ überhaupt nicht zu verstehen. Auch deswegen ist der vorliegende Antrag richtig und im Sinne der Opfer.
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir in diesem Hause eine Einstimmigkeit darüber erzielen könnten, diesen Vorgang im Sinne der noch wenigen lebenden Betroffenen abzuschließen. Wir sollten das gesetzliche Unrecht, das damals herrschte, anerkennen, und den Opfern zu ihrem Recht verhelfen.
Ich fände es auch sinnvoll, wenn wir die Debatten über das Ghettorentengesetz dazu nutzen würden, vergangenheitspolitisch darüber zu diskutieren, wer von dem damaligen Unrecht profitiert hat. Wir sollten zum einen den Opfern zu ihrem Recht verhelfen und ihnen Anerkennung zollen, zum anderen aber deutlich machen, wer damals die Täter waren und wer davon profitiert hat. Dies könnte im Rahmen einer Debatte hier im Bundestag geschehen.
Schönen Dank.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
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Rede
von
Jan Korte,