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Zu Protokoll gegebene Rede zur Beratung des Antrags der Abgeordneten Daniela Wagner, Christian Kühn (Tübingen), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN  Sofortprogramm Bauflächenoffensive – Hunderttausend Dächer und Häuser Programm  (Tagesordnungspunkt 20)

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Wir diskutieren heute einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen, der – in recht blumiger und euphorischer Form – den Ausbau von Dächern und die Aufstockung von Häusern vorschlägt, um mehr Wohnraum zu schaffen. Und ganz klar: Das Bauen in die Höhe ist natürlich auch eine Möglichkeit zur Schaffung von neuen Wohnungen. Aber mir geht es so: Die große Euphorie, die aus dem Antrag spricht, teile ich nicht. Denn was Sie mit diesem Antrag nicht erreichen – das ist aber doch die eigentlich spannende Frage und die eigentliche gesellschaftliche Herausforderung –, ist die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in den Ballungszentren. Und damit geht der Antrag aus unserer Sicht am eigentlichen Problem vorbei.

Bundesweit fehlen – vor allem in den Ballungsgebieten – viele Hunderttausende bezahlbare Wohnungen. Es fehlt an bezahlbarem Wohnraum für Rentnerinnen und Rentner, für Studierende, für Alleinerziehende, für Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen, und Wohnungen fehlen immer stärker auch für Menschen mit durchschnittlichen und sogar ganz guten Einkommen. Schuld an dieser Entwicklung trägt die Wohnungspolitik der Bundesregierung mit ihrer eigentumszentrierten und auf die Speckgürtel der großen Städte fokussierten Bauförderung. Die Mittel für den sozialen Wohnungsbau bleiben weit hinter dem Bedarf zurück, die Maßnahmen gehen an den Menschen, die es wirklich brauchen, doch völlig vorbei. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Ich fürchte einfach: Auch der Ausbau von Dachgeschossen wird keine Entspannung in puncto bezahlbare Wohnungen bringen. Dazu hätte man mindestens zuallererst fordern müssen, dass Sozialbindungen einzuhalten sind – vor allem, wenn Fördermittel in Anspruch genommen werden. Im Antrag der Grünen wird das aber nur für die Fälle gefordert, in denen zusätzlich zu den Förderzuschüssen zum Dachgeschossausbau auch noch weitere Fördermittel beantragt werden. Das ist aus meiner Sicht viel zu wenig.

In seiner Studie von 2016 kommt das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung zu dem Ergebnis, dass durch die Ausbauten von Dachgeschossen, vor allem in den Gebieten mit sehr hohen Mieten, neue Wohnungen ausnahmslos im Hochpreissegment entstehen. Von solchen Wohnungen entstehen derzeit aber ja wirklich mehr als genug. Anstatt solche hochpreisigen Wohnungen zu bezuschussen, muss die öffentliche Hand endlich für bezahlbaren Wohnraum sorgen.

Im besten Fall würden vielleicht sogenannte Sicker­effekte entstehen, wenn durch den Ausbau von Dachgeschossen an anderer Stelle Wohnungen frei werden. Erfahrungsgemäß sind diese Effekte allerdings dermaßen minimal, dass sie am Wohnungsmarkt so gut wie keine Rolle spielen – und dass das so ist, geht ebenfalls auf die Kappe der Regierung und ihrer zur Wirkungslosigkeit verstümmelten Mietpreisbremse. Denn mit der schaffen Sie auch noch die Möglichkeit für Vermieter, bis zu 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete neu zu vermieten.

Was wir also anstatt solcher sehr geringer Sickereffekte eigentlich benötigen, ist ein großer Wurf und eine echte Kehrtwende in der Wohnungs- und Mietenpolitik. Die Linke hat dazu im vergangenen Jahr ein Konzept für ein öffentliches Wohnungsbauprogramm nach Wiener Vorbild vorgeschlagen, um jährlich 250 000 Sozialwohnungen mit dauerhaften Mietpreis- und Belegungsbindungen sowie weitere 130 000 Wohnungen in kommunalem, genossenschaftlichem oder gemeinwohlorientiertem Eigentum zu schaffen. Damit und mit einer umfassenden Mietrechtsreform könnte die Wohnungsnot im Land wirklich dauerhaft verringert werden.

So gut der vorliegende Antrag vielleicht auch gemeint ist – er wird den von Wohnungsnot betroffenen Menschen kaum weiterhelfen.