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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Kathrin Vogler,

Im Jahr 2020 hat der Deutsche Bundestag mit sehr großer Mehrheit die „erweiterte Entscheidungslösung“ bei der Organspende beschlossen, das Gesetz trat zum 1. März 2022 in Kraft. Damit wurde geregelt, dass nach dem Hirntod eines Menschen Organe und Gewebe nur entnommen werden dürfen, wenn der/die Verstorbene zu Lebzeiten zugestimmt hat oder durch die Befragung von Nahestehenden festgestellt werden kann, dass die Person eine positive Einstellung zur Organspende hat.

Kernstück der Reform war die Einrichtung eines bundesweiten Onlineorganspenderegisters, in welchem die Entscheidung zur Organspende dokumentiert werden kann. Dieses Organspenderegister ist erst am 18. März 2024 online gegangen. Die Eintragung ist bisher nur möglich, wenn man einen Personalausweis mit elektronischer ID-Funktion hat. Dementsprechend ist die Zahl derjenigen, die ihre Entscheidung über das Organspenderegister dokumentiert haben, noch überschaubar.

Dass eine Reform, die viel zu langsam und nur halbherzig umgesetzt wird, die Zahl der Organspenden nicht sprunghaft erhöhen kann, liegt auf der Hand.

Die Einführung einer Widerspruchsregelung wird hier als Lösungsansatz dargestellt: Wer nicht zu Lebzeiten widerspricht, wird im Fall seines Hirntodes automatisch zum Organspender. Die Angehörigen müssen nicht mehr einschätzen, welche Haltung der/die Verstorbene gehabt haben könnte, sondern „nur noch“ wissen, wo eine Patientenverfügung, ein Organspendeausweis oder ein ähnliches Dokument hinterlegt sein könnte. Ein eigenes Mitspracherecht haben sie nicht. Damit soll sich sowohl die seelische Belastung der Angehörigen als auch die Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden in den Organspendediensten und Entnahmekrankenhäusern verringern.

Das ist eine gewagte These. Auch in Spanien, das immer als Muster für eine erfolgreiche Widerspruchsregelung angeführt wird, werden keine Organe entnommen, wenn es die Angehörigen ablehnen. Allein die Vorstellung, dass gegen den Willen der Trauernden ein gerade verstorbener Mensch zur Organentnahme in einen OP geschoben wird, ist ganz sicher nicht geeignet, um das Vertrauen in unser Gesundheitswesen und in den Prozess der Organspende zu stärken.

Die Befürworter/-innen argumentieren, dass in Ländern mit Widerspruchsregelung allein dadurch mehr Organe für Transplantationen zur Verfügung stünden. Ein Vergleich europäischer Länder zeigt jedoch, dass diese unabhängig von den rechtlichen Voraussetzungen sehr unterschiedliche Zahlen realisieren. Deutschland ist auch unter den Ländern mit Zustimmungs- oder Entscheidungsregelung das absolute Schlusslicht.

Was ins Auge fällt, ist die sehr unterschiedliche Realisierung von Organspenden in den einzelnen Bundesländern. Im Saarland scheitert nur knapp jede vierte Organspende an der fehlenden Zustimmung, in Mecklenburg-Vorpommern nicht einmal jede fünfte. Damit erreicht die Zustimmung zur Organspende unter den für eine Organentnahme infrage kommenden Patientinnen und Patienten oder ihren Angehörigen etwa den Anteil, den sie bei Befragungen der Bevölkerung erreicht. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen hingegen fehlt bei 44 Prozent der potenziellen Organspender/-innen die Zustimmung.

Diese Unterschiede zwischen den Ländern, in denen überall die erweiterte Entscheidungslösung gilt, zeigt, dass es auch ohne Widerspruchsregelung möglich ist, die Zahl der Organspenden deutlich zu erhöhen. Wenn NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in seinem Bundesland dafür sorgen würde, dass seine Kliniken im Prozess der Organspende ebenso erfolgreich sind wie die in Mecklenburg-Vorpommern, gäbe es das Problem nicht.

Eine Widerspruchsregelung, wie sie in diesem Gesetzentwurf gefordert wird, ist weder notwendig noch gerechtfertigt. Bitte lehnen Sie diesen Eingriff in Grundrechte ab!