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Zu Protokoll gegebene Rede

Rede von Cornelia Möhring,

Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind dafür. Die Frauen- und Wohlfahrtsverbände fordern eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission hat sich dafür ausgesprochen und eine Regelung vorgeschlagen.

Die gesellschaftlichen Mehrheiten sind schon lange klar: Ein Strafrechtsparagraf aus dem Jahr 1871 und ein Kompromiss, der nur für diejenigen funktioniert, die noch nie mit der Sorge einer ungewollten Schwangerschaft konfrontiert waren, könnten endlich dorthin gehen, wo sie hingehören: nämlich abgeschafft.

Nun führen die Gegner/-innen der Legalisierung als Argument an, dass der § 218 und die jetzige Rechtsprechung Schwangerschaftsabbrüche doch ermöglichen würde. Ja, Abbrüche sind unter bestimmten Bedingungen möglich und werden durchgeführt. Es ist sogar der häufigste gynäkologische Eingriff. Im Kern geht es tatsächlich darum, wie viele Steine den betroffenen Frauen in den Weg gelegt werden.

Denn: Weil der Abbruch im Strafgesetzbuch gleich hinter Mord und Totschlag geregelt ist, gängelt er und kriminalisiert die ungewollt Schwangeren und auch die Ärztinnen und Ärzte, die sie medizinisch betreuen (wollen). Dieses Tabu, diese Stigmatisierung hat verheerende Auswirkungen: Die medizinische Leistung fehlt in der ärztlichen Ausbildung. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte sind in der Lage und bereit, die Leistung anzubieten. Die Versorgungslage wird immer katastrophaler. Die Frauen müssen die Kosten selbst tragen, der Abbruch wird zunehmend zu einer sozialen Frage.

Der hier vorgelegte Gruppenantrag ist aus Sicht der Linken ein minimalinvasiver Vorschlag. Eigentlich wollen wir mehr: nämlich die ersatzlose Streichung des § 218 und eine Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und der reproduktiven und gesundheitlichen Rechte in einem eigenen „Reproduktive-Rechte-Gesetz“.

Wir sehen aber die große Verantwortung, die wir in der jetzigen politischen Situation haben. Die Entkriminalisierung muss in dieser Legislatur kommen. Frauen- und Menschenrechte müssen so weit wie möglich abgesichert werden. Das ist das Gebot der Stunde für alle Demokratinnen und Demokraten. Denn es ist zu befürchten, dass mit den Neuwahlen die konservativen und reaktionären Kräfte eine Mehrheit in diesem Parlament bekommen, denen Frauenrechte und Selbstbestimmungsrechte am Allerwertesten vorbeigehen oder die sogar aktiv dagegen arbeiten. Lassen Sie uns diese historische Chance nutzen, um Schwangerschaftsabbrüche endlich zu entkriminalisieren und als medizinische Leistung anzuerkennen.

Keine Schwangere trifft eine leichtfertige Entscheidung. Es ist immer eine existenzielle Entscheidung. Die kann nur die Frau treffen und niemand anders. Die von der Bundesregierung eingesetzte Fachkommission hat unter anderem festgehalten, dass ein Zwang zur Fortsetzung der Schwangerschaft einen „nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Grundrechte der Frauen“ darstellt, aus verfassungs-, völker- und europarechtlicher Prüfung sei die Rechtswidrigkeit nicht haltbar. Im Fazit bedeutet das: Der Gesetzgeber müsste den Schwangerschaftsabbruch in der Frühphase zulassen.

Im gesellschaftlichen Diskurs ist die Frage dabei längst entschieden, wie alle Umfragen und Erhebungen zum Thema zeigen. Die polarisierende Debatte findet nicht in der Bevölkerung statt. Sie wird allein von Politikerinnen und Politikern und klerikalen Lobbygruppen geführt, die an der überkommenen Vergangenheit festhalten und eine fortschrittliche Neuregelung auf ewig verhindern wollen. Lassen Sie das nicht zu! Stimmen Sie für unseren Gruppenantrag! Es ist eine Entscheidung für die Frauen und für die Menschenrechte!