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Zu Protokoll gegebene Rede

Archiv Linksfraktion - Rede von Gökay Akbulut,

Im Gesetzentwurf der Koalition heißt es, dass mehr Stalkingfälle vor Gericht gebracht und Täter konsequenter zur Verantwortung gezogen werden sollen. Das Ziel der Koalition begrüßen wir als Linksfraktion ausdrücklich, allerdings sind wir skeptisch, dass dieses Ziel durch mehr Strafrechtsverschärfungen realisiert werden kann. Wir fordern mehr präventive Maßnahmen und qualifizierende Angebote für Ermittlungsbehörden.

Wir stehen einer geplanten Strafverschärfung kritisch gegenüber; denn mehr bzw. höhere Strafen führen nicht automatisch zu weniger Straftaten. Aber genau darum geht es uns: diese Taten verhindern und Gewalt an Frauen wirksam bekämpfen.

In der kriminologischen Forschung ist anerkannt, dass die Höhe des Strafmaßes weder besondere spezial- noch generalpräventive Effekte hat. Es wirkt allenfalls abschreckend, weil das Entdeckungsrisiko höher wird. Das reicht aber nicht, wenn es in der Ermittlung dann am ausgebildeten Personal fehlt, das die Opfer angemessen beraten kann, oder qualifizierte Juristinnen fehlen, die den Tathergang auch zur Verurteilung bringen können. Es braucht an vielen Stellen umfangreiche technische Kompetenzen, darum muss auch die Einführung von Sonderdezernaten geprüft werden.

Belästigungen, Bedrohungen bis hin zur Einschüchterung von Frauen – denn in knapp 80 Prozent der Fälle sind die Betroffenen Frauen – stellen ein riesiges gesellschaftliches Problem dar, das heute zusätzlich unter Einbeziehung technischer Hilfsmittel, digitaler Medien und vor allem im digitalen Raum stattfindet. Dafür braucht es auch neue Umgangs- und Ahndungsformen. Das Problem bleibt im Kern das Gleiche: In den meisten Fällen wird psychische Gewalt, ob analog oder digital, von Männern genutzt, um Macht zu sichern und Kontrolle auszuüben. Wenn es zum Prozess kommt, bleibt die entscheidende Frage nach der Beweisbarkeit einzelner Handlungen ein großes Problem. Hier sehen wir im Gesetzentwurf keine konstruktiven Vorschläge.

Erforderlich wären der Ausbau des Gewaltschutzgesetzes, die Einführung präventiver Maßnahmen und der Ausbau von Beratungsstrukturen für Betroffene sowie Weiterbildungen und Qualifizierungsmöglichkeiten von Justizbehörden. Es muss dafür gesorgt werden, dass psychosoziale Prozessbegleitung angeordnet werden kann.

Von den Expertinnen aus der Beratung für Betroffene von Cyberstalking haben wir in den Stellungnahmen zu unserem Antrag „Digitale Gewalt gegen Frauen“ vor allem eins gehört: Stalking, Belästigung und Nachstellen von Betroffenen, welches heutzutage eben auch mit digitalen Hilfsmitteln möglich ist – über Handys, versteckte Kameras, die Überwachung jeglicher Social-Media-Aktivität oder das Sammeln privater und intimer Informationen –, zeigen im Kern das Problem der Gewalt- und Machtstrukturen in unserer Gesellschaft auf – wobei der Begriff „Cyber“ in die Irre führt und verschleiert, worum es inhaltlich geht. Wenn wir von Cybercrime sprechen, dann umfasst dies Straftaten, die sich gegen das Internet, Datennetze, informationstechnische Systeme oder deren Daten richten. Hier steht aber immer eine einzelne betroffene Person im Mittelpunkt.

Wir fordern, dass explizit die Tatbestände der Verwendung von Stalkerware oder anderer Formen der Manipulation an Geräten anderer Personen nach § 202a StGB, dem Hackerparagrafen, eingefügt werden. Die heimliche Nutzung dieser Software ist ja bereits verboten. Wie in unserem Antrag „Digitale Gewalt gegen Frauen“ erwähnt, fordern wir insbesondere die Hersteller dazu auf, die Software auf dem Gerät erkennbar zu machen, auf dem sie installiert ist; denn viele Personen wissen nicht einmal, dass Sie über eine App oder bestimmte Funktionen ausgehorcht oder verfolgt werden könnten. Das wäre ein konkreter Schritt in die richtige Richtung.

Im Ausschuss werden wir diesen Gesetzentwurf und das Thema ausführlicher besprechen.