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Zu Protokoll gegebene Rede

Archiv Linksfraktion - Rede von Jörg Cezanne,

Die maritime Wirtschaft ist in schwierigem Fahrwasser, und das gilt vor allem für die Beschäftigten. Es ist der Bundesregierung ja zugutezuhalten, dass sie diesen Umstand anerkennt und auch die Gründe ohne Umschweife benennt. Aber warum packt sie das Problem nicht bei der Wurzel und doktert mal wieder halbherzig an einem der Symptome herum?

Bereits in der 16. Wahlperiode wurden die Kriterien für die Aufnahme einer Ausbildung zur Seelotsin oder zum Seelotsen gesenkt. Und was hat es gebracht? – Rein gar nichts! Eines ist doch klar: Ein unwirksames Medikament wird nicht dadurch zum Heilsbringer, dass man dessen Dosis erhöht.

Dass in Zukunft bereits ein Bachelorabschluss zur Aufnahme der Lotsenausbildung genügen soll, könnte zudem erhebliche Nebenwirkungen haben. Ich wage, es zu bezweifeln, dass sechs Semester an einer Hochschule oder Fachhochschule jahrelange Erfahrung auf See ersetzen können. Um in schwierigen Situationen den sicheren Einlauf eines Schiffes gewährleisten zu können, braucht man in der Praxis erworbene Routine, und diese wird mit der geplanten Neuregelung eher zur Ausnahme werden. Allein schon aus diesem Grund wird die Linke diesen Gesetzentwurf ablehnen.

Herr Verkehrsminister, an allen Ecken und Enden fehlt es in der Branche an qualifiziertem Nachwuchs. Das Seelotswesen ist nur die Spitze des Eisbergs. Um dieses Problem zu beheben, müssen junge Menschen endlich wieder die Möglichkeit bekommen, ihre Offizierspatente auszufahren oder nach dem Studium oder einer Ausbildung einen sicheren Arbeitsplatz im Maschinenraum zu haben. Das wird nur gelingen, wenn die Reeder sich an ihre Zusage halten, im Gegenzug zu ihren millionenschweren Subventionen auch mindestens 500 Schiffe unter deutscher Flagge fahren zu lassen. Ohne diese Gegenleistung müssen die Subventionen ohne Wenn und Aber gestrichen werden. Dass derzeit kein einziges Containerschiff von deutschen Eignern auch unter deutscher Flagge fährt, ist ein unhaltbarer Zustand.

Zu den Gegenleistungen muss auch gehören, dass wieder mehr Seeleute aus Deutschland und der EU auf den Schiffen eingesetzt werden. Wir unterstützen den Vorschlag der Gewerkschaft Verdi, die Schiffsbesetzungsverordnung so zu verändern, dass künftig mindestens vier statt derzeit nur zwei Seeleute aus der Europäischen Union auf den Schiffen Dienst tun. Die unsäglichen Kettenbefristungen bei Ausflaggungen müssen ein Ende haben.

Die im Seeverkehr Beschäftigten funken seit Jahren SOS, und die Bundesregierung lässt sie schlicht untergehen. Dieser Gesetzentwurf ist nicht mal ein kleiner Rettungsring, der zudem in die falsche Richtung geworfen wird. Die Schifffahrtspolitik der Bundesregierung ist sicherlich ein Segen für Anleger und Reeder, für die Beschäftigten ist und bleibt sie jedoch ein Totalausfall.