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Wir brauchen eine grundlegende Reform des Bologna Prozesses!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Herr / Frau PräsidentIn, Kolleginnen und Kollegen,

 

von Anfang an waren mit der Umsetzung der Bologna-Reform große Schwierigkeiten verbunden:

eine massive Zunahme an zeitlicher Belastung, an Workload und Prüfungen, eine Verschlechterung hinsichtlich eines selbstbestimmten, kritischen und interdisziplinären Studierens, die Entstehung neuer sozialer Hürden durch den Master oder die Verknappung von Studieninhalten durch die Verkürzung der Regestudienzeit.

 

An der Bundesregierung ging das alles vorbei, ganz nach gewohntem Muster ignorierte sie das Thema und versuchte entstandene Probleme auszusitzen. Wenn die Regierung reagierte, dann nur, weil sich der Widerstand gegen die Reform, weil sich der Druck der Studierenden und Lehrenden wie bei den Bildungsprotesten 2009/10 einfach nicht mehr ignorieren ließen.

Eine Maßnahme war die Einberufung einer Nationalen Bologna-Konferenz, bei der sich die Politik  mit den Nöten und Sorgen der Studierenden beschäftigen sollte. Konsequenzen folgten daraus allerdings nicht, die Folgekonferenz im vergangenen Jahr wurde sogar ohne Begründung einfach komplett abgesagt. Die Regierung stellte wieder auf Ignoranz und das Prinzip Hoffnung: das Thema möge doch bitte sehr im Sande verlaufen.

 

Dass das Thema weiterhin ein wirklich Drängendes ist, belegt eine kürzlich erschienene Studie: zwei Drittel der UniversitätsprofessorInnen sind unzufrieden mit der Einführung der BA/MA-Struktur. Und es belegen nicht zuletzt Äußerungen der Hochschulrektorenkonferenz und sogar der Wirtschaft, die im Zweifel sind, ob die verkürzten Studienzeiten, ob die Mega-Ausdifferenzierung in 16.000 Studiengänge, ob die Einseitigkeiten, die dadurch hervorgerufen wurden, überhaupt noch in ihrem Interesse sind. Im Interesse der Studierenden und Lehrenden war es nie – wie auch, wenn zum Beispiel Uni-AbsolventInnen mit Bachelorabschluss 20,3 Prozent weniger gegenüber traditionellen Abschlüssen verdienen.

 

DIE LINKE fordert weiterhin die grundlegende Reform des Bologna-Prozesses. Unser Ziel ist, die Durchlässigkeit im Studium zu erhöhen, anstatt neue Hürden einzuziehen. Diesbezüglich haben wir bereits viele Vorschläge gemacht:

- der Zugang zum Masterstudium darf von keinen weiteren Zugangskriterien abhängig gemacht werden als dem Bachelorabschluss, 

- neben dem Ziel der beruflichen Qualifizierung müssen gleichwertig weitere Studienziele wie wissenschaftliches Arbeiten, Persönlichkeitsentwicklung und Verständnis gesellschaftlicher Zusammenhänge und Prozesse verankert werden,

- das Studium muss selbstbestimmt gestaltet werden können, mit einem großen Anteil frei wählbarer Lehrveranstaltungen bzw. Module, die eine eigene Schwerpunktsetzung wirklich ermöglichen.

 

Die Chance von Kindern aus akademischen Elternhäusern ein Studium aufzunehmen ist sechsmal höher, als bei Kindern aus sogenannten bildungsfernen Schichten. Politisches Anliegen muss es doch sein, die soziale Dimension zu stärken. Gemeinsam mit den anderen Bologna-Staaten muss das verbindliche Ziel der Öffnung der Hochschule und der Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden verankert werden, um allen, die studieren möchten, dies auch zu ermöglichen. So macht eine koordinierte Hochschulpolitik Sinn, und nicht das, was wir hier seit 14 Jahren präsentiert bekommen.

Dafür müsste sich die europäische Hochschulpolitik allerdings erst einmal von der Wirtschaftspolitik der EU emanzipieren und eigenständige Ziele für die Entwicklung der Hochschulen und deren Beitrag zu den europäischen Gesellschaften formulieren.

Das wäre die Aufgabe einer Bundesregierung, die bildungspolitische Realitäten ernst nimmt anstatt sie zu ignorieren!

 

Vielen Dank.

 

Diese Rede ging zu Protokoll.