Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Michalk, mich wundert es ein wenig, dass Ihnen am Tag der Öffnung der Mauer nur die SED einfällt. Ich finde, Ihnen sollten auch die CDU und die Bauernpartei der DDR einfallen, mit denen Sie sich so erfolgreich vereinigt haben, ohne das je aufgearbeitet zu haben.
(Beifall bei der LINKEN Max Straubinger (CDU/CSU): Oh, oh, Gysi!)
Herr Meckelburg, Sie haben darauf hingewiesen, dass wir jede Woche zum gleichen Thema mit Winkelementen durchs Haus gehen.
(Dr. Ralf Brauksiepe (CDU/CSU): Das ist Ihr Verständnis von Parteienvielfalt!)
Ich darf Ihnen etwas erklären: Es handelt sich um eine Aktuelle Stunde, für die Herr Rüttgers thematisch gesorgt hat, nicht wir. Das sollten Sie bei dieser Gelegenheit nicht vergessen.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Meckelburg, Sie haben dann gesagt, dass aufgrund der entsprechenden Instrumente bereits die DDR gescheitert ist. Ich will Ihnen selbst das einmal erklären.
(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Das ist sehr freundlich!)
Die private Wirtschaftsmacht wurde in der DDR gebrochen und es entstand eine Mangelwirtschaft mit geringer Produktivität. Die staatliche Macht wurde nicht gebrochen, sondern geradezu zur Absolution hochgetrieben.
(Max Straubinger (CDU/CSU): Ja!)
Die Folge waren Produktivitätsmängel und vor allen Dingen große Einschränkungen bei Demokratie und Freiheit. Daran und nicht an der Arbeitslosigkeit ist die DDR gescheitert. Selbst das bringen Sie durcheinander. Es tut mir furchtbar Leid, Herr Meckelburg.
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Zentralismus! Ihr habt die Arbeitslosigkeit in der DDR versteckt! So einfach ist das nicht, Herr Gysi!)
Ich komme zu Rüttgers zurück. Er hat einen vernünftigen Vorschlag unterbreitet zumindest laut den Medien , dass nämlich ältere Arbeitslose länger Arbeitslosengeld I erhalten sollen. Das klingt gut. Dass Herr Beck als Vorsitzender der SPD dem gleich widerspricht, will mir wirklich nicht in die Birne.
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Grotthaus (SPD): Weil Sie das nicht verstehen! Beschäftigen Sie sich damit!)
Es tut mir wirklich Leid. Als Vorsitzender der SPD müsste man doch sagen, dass die Idee erst einmal richtig ist. Wenn man das aber selber gekürzt hat, will man natürlich nicht dazu stehen.
Herr Rüttgers hat allerdings Vorschläge dazu gemacht, wie andere Arbeitslose das finanzieren sollen. Es ist wirklich sozial unerträglich, zu sagen: Die einen sollen etwas mehr erhalten, dafür erhalten die anderen Arbeitslosen deutlich weniger. So kann eine soziale Lösung dieser Probleme nicht aussehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das würde natürlich zum Nachteil der Bezieher von ALG II und von Eltern in ihrem Verhältnis zu bereits erwachsenen Kindern geschehen.
Ich sage Ihnen eines: Das alles kann man machen. Man kann sagen, dass die einen für die anderen haften. Damit helfen Sie aber nur einer Berufsgruppe, nämlich meiner, den Rechtsanwälten, weil es viele Prozesse geben wird. Die Familien zerstören Sie damit aber. Das kann unmöglich der Weg sein, den wir hier einschlagen.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Meckelburg, auch Ihr nächstes Argument fand ich interessant. Sie sprachen davon: Es gibt kein Geld. Gleichzeitig machten Sie aber keinen Vorschlag, wie man das bezahlen soll. Das sagen Sie im November 2006 im Ernst. Die erwarteten Steuermehreinnahmen des Bundes liegen in diesem Jahr bei 9 Milliarden Euro.
(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Wir verwenden das anders als die DDR, die nur den Haushalt saniert hat! Das ist der Unterschied!)
Die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit, die die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung erhält, liegen bei etwa 10 Milliarden Euro. Sie wollen jetzt eine Unternehmensteuerreform durchführen,
(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Wir wollen den Haushalt sanieren, Herr Gysi!)
durch die Sie den Konzernen schon wieder Steuern in Höhe von 8 Milliarden Euro schenken. Gleichzeitig sagen Sie, dass die Empfänger von 345 Euro die längere Zahlungsdauer des Arbeitslosengeldes I finanzieren sollen. Das ist doch einfach indiskutabel. Wir haben das Geld doch, wir müssen es nur anders verteilen.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Irmingard Schewe-Gerigk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Wir haben das Geld nicht! Wir machen nach wie vor Schulden!)
Sie haben in dieser Gesellschaft eine breite Armut organisiert. Aber Sie haben auch Reichtum organisiert. Das geht seit Jahren so. Das behaupte nicht nur ich. Es gibt wissenschaftliche Studien und andere Untersuchungen, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Jeden Tag kann man in den Zeitungen lesen übrigens setzen sich auch rechte bzw. konservative Autoren mit dieser Frage auseinander : Wenn die Armut weiter in diesem Maße zunimmt und der Reichtum gleichzeitig so stark wächst, ist das gesellschaftszerstörerisch.
Es gibt zwar ein paar verblendete Linke, die denken, dass das zu einer Stärkung der politischen Linken führt. Ich sehe aber die große Gefahr, dass diese Entwicklung, wenn wir so weitermachen, eine Stärkung der Rechten zur Folge haben wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN Wolfgang Grotthaus (SPD): Ja, wenn Sie so weitermachen!)
Wir brauchen eine Gesellschaft, die wesentlich mehr Solidarität beweist. Das muss man organisieren.
(Beifall bei der LINKEN)
Solange die Menschen uns wählen, sollten Sie noch zufrieden sein.
(Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD - Wolfgang Grotthaus (SPD): Das ist ein Kreis und Sie kommen irgendwo da zusammen!)
Das könnte auch ganz anders aussehen. Das sage ich insbesondere in Richtung SPD. Sie haben in den letzten sieben Jahren schließlich mit dazu beigetragen, dass der Reichtum gestärkt und die Armut organisiert wurde. Das werden Sie nicht los. Werden Sie endlich wieder sozialdemokratisch!
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Grotthaus (SPD): Das ist eine Frechheit!)
Ich frage Sie ich bleibe bei Ihrem Argument: Kein Geld : Sind Sie bereit, eine Vermögensteuer einzuführen? Sagen Sie doch einmal: Die Vermögenden in unserer Gesellschaft sollen entsprechend Art. 14 Abs. 2 unseres Grundgesetzes ihren Beitrag leisten. Dort steht immer noch:
Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Da steht aber nicht, dass eine Vermögensteuer eingeführt werden soll! Sie machen sich das alles ein bisschen zu einfach, Herr Gysi!)
Ich bitte Sie: Es gibt in Deutschland Milliardäre! Sind sie den ganzen Tag damit beschäftigt, sich eine Birne darüber zu machen, wie sie ihre Milliarde so einsetzen, dass sie dem Allgemeinwohl dient?
(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Das ist doch wirklich sinnlos und hohl, Herr Gysi!)
Wir schlagen vor, dass sie einen Teil ihres Geldes abgeben und wir dieses Geld gleich im Interesse des Allgemeinwohls einsetzen. Das wäre der Situation angemessen.
(Beifall bei der LINKEN Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Das ist wirklich unter Ihrem Niveau!)
Der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer ist um 11 Prozentpunkte gesenkt worden. Wollen Sie daran etwas ändern? Nein, Sie wollen daran nichts ändern. Ihre Politik trifft immer die gleiche Gruppe. Immer sind es die Arbeitslosen, die Kranken und die Rentnerinnen und Rentner, die die Kosten unserer Gesellschaft zahlen sollen.
(Wolfgang Grotthaus (SPD): Und wir hören von Ihnen immer die gleichen Reden! Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Das ist unverschämt, was Sie da erzählen!)
Deutschland ist die einzige Industriegesellschaft, in der ein Rückgang der Löhne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu verzeichnen ist. Die USA, Großbritannien, Frankreich und weitere EU-Länder gehen andere Wege. Bei uns ist die Entwicklung der Löhne negativ.
(Zuruf von der CDU/CSU: Wenigstens geht es bei uns wirtschaftlich aufwärts!)
Das ist nicht gut und das darf nicht so bleiben. Deshalb brauchen wir eine Generalrevision von Hartz IV. Dieses Gesetz hat sich nicht bewährt.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir brauchen eine Generalrevision von Hartz IV.
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Gregor Gysi,