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Wichtige Beziehungen zu Israel aufrechterhalten, aber Staat Palästina unbedingt anerkennen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi begründet den Antrag der Fraktion DIE LINKE »Den Staat Palästina anerkennen«

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die UNO beschloss 1948 die Gründung des Staates Israel für die Jüdinnen und Juden nach dem durch Deutsche auf Weisung von Hitler und seiner Regierung begangenen einzigartigen Verbrechen   dem Versuch, die Jüdinnen und Juden in Europa auszurotten.

6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden ermordet. Nur durch die in unserem Land begangenen Verbrechen kam es überhaupt zu einem solchen UN-Beschluss. Deshalb müssen wir Deutsche dafür eintreten, dass die Jüdinnen und Juden das Recht auf einen Staat haben, in dem sie die Mehrheit stellen, aber ebenso selbstverständlich Nichtjüdinnen und Nichtjuden gleichberechtigt zu behandeln haben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die UNO hat 1948 aber auch beschlossen, den Staat Palästina zu gründen. Die arabischen Länder lehnten dies damals ab und begannen stattdessen einen Krieg gegen Israel. Die Waffenlieferungen an Israel kamen übrigens nicht aus den USA, nicht aus Großbritannien oder Frankreich, sondern mithilfe der Sowjetunion aus der Tschechoslowakei. Letztlich gewann Israel und erweiterte sein Territorium.

Wie immer man zu dem Territoriumsgewinn steht: Es entstanden die Grenzen, die bis 1967 einigermaßen hielten. Es ist bekannt, welche Kriege anschließend stattfanden. Die Palästinenserinnen und Palästinenser wollten und wollen inzwischen endlich einen eigenen Staat.
In Übereinstimmung mit sämtlichen UNO-Beschlüssen soll der Staat Palästina in den Grenzen von 1967 proklamiert und anerkannt werden. Ein Austausch von Territorien kann nur zwischen Israel und Palästina vereinbart werden. Die Palästinenserinnen und Palästinenser, die im Unterschied zu den Deutschen die Verbrechen an den Jüdinnen und Juden nicht begangen haben, haben einen Anspruch auf einen eigenen lebensfähigen Staat, in dem sie souveräne Rechte ausüben.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Friedlichkeit zwischen beiden Staaten muss international garantiert und gewährleistet werden.
Die israelische Regierung sperrt sich zurzeit dagegen. Viele Staaten unterstützen aber die Palästinenserinnen und Palästinenser. Der französische Präsident Sarkozy ist bereit, diesen Staat zu unterstützen und anzuerkennen. Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister warnen vor einseitigen Schritten. Ich frage Sie: Was soll daran einseitig sein? Einseitig wäre es, wenn beide Staaten noch nicht gegründet wären und plötzlich eine Seite damit begönne. Aber den Staat Israel gibt es seit 1948. Es ist mehr als höchste Zeit, dass auch der Staat Palästina entsteht. Wenn Sie erklären, dass Sie warten wollen, bis die israelische Regierung dies genehmigt, können Sie auch sagen, dass es den Staat Palästina niemals geben wird, wenn die israelische Regierung es eben nie genehmigen sollte.

Die Lage im Nahen Osten und in Nordafrika ist völlig verändert. Wir wissen noch nicht, welche Strukturen in Ägypten, Tunesien, Libyen, Syrien, Jemen und Bahrain entstehen. Gerade in einer solchen Situation wäre das friedliche Nebeneinander der Staaten Israel und Palästina für den Friedens- und Demokratieprozess im Nahen Osten und in Nordafrika ungeheuer wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Unsere Regierung trägt seit heute als Vorsitzende des Sicherheitsrates der UNO eine hohe Verantwortung. Wir müssen das Zwei-Staaten-Modell aktiv unterstützen, im Interesse der Palästinenserinnen und Palästinenser, im Interesse der Israelis, im Interesse aller Menschen im Nahen Osten und der Weltgemeinschaft.

Es ist zu befürchten, dass ein Antrag auf Ausrufung und Anerkennung des Staates Palästina und seine Mitgliedschaft in der UNO im Sicherheitsrat am Veto der USA scheitern wird. Ich hoffe, die Bundesregierung stimmt für die Gründung des Staates. Der Beschluss des Sicherheitsrates kann aber durch eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der UNO aufgehoben werden: Mindestens 128 der 192 Mitgliedstaaten müssten dafür stimmen; das ist durchaus möglich. Auch hier sollte Deutschland für die Gründung des Staates stimmen. Es änderte sich noch nichts in der Region, aber der Druck nähme zu, diesen Willen der Weltgemeinschaft zu realisieren. Die Bundesregierung darf dabei nicht zurückhaltend sein; sie muss aktiv werden. Halten Sie Ihre wichtigen Beziehungen zu Israel aufrecht, aber erkennen Sie den Staat Palästina unbedingt an!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir sollten auch Palästina helfen, soweit wir können. Auch das entspräche unserer besonderen historischen Verantwortung.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)