Zum Hauptinhalt springen

Verbraucher durch Gruppenklagen zu ihrem Recht verhelfen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Caren Lay,

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Steineke, ich muss mich schon wundern. Sie kritisieren die Opposition dafür, dass sie Dinge, die im Wahlkampf eine Rolle gespielt haben, jetzt hier in einem seriösen Verfahren debattieren will. Genau so muss es doch sein, ich bitte Sie.

Jedenfalls ist das allemal besser als das Modell der GroKo, wonach die Dinge, die im Wahlkampf versprochen wurden, hinterher einfach unter den Tisch fallen. Genauso sollte es nämlich nicht sein.

Kommen wir zum vorliegenden Gesetzentwurf. Sie haben es vielleicht vernommen: Im Mai dieses Jahres gab es ein erfreuliches Urteil. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Bearbeitungsgebühren der Banken für Kreditverträge unzulässig waren. Da haben sich sicherlich Tausende von Bankkundinnen und Bankkunden gefreut und wollten ihre Ansprüche bei der Bank geltend machen. Leider haben viele Banken abgewiegelt und versucht, die geprellten Kunden mit Scheinargumenten zu vertrösten und das unrechtmäßig eingezogene Geld selber zu behalten.

Nach der gegenwärtigen Rechtslage kann es nur so sein, dass jeder einzelne betroffene Bankkunde die jeweilige Bank verklagt. Das ist eine hohe Hürde. Für den manchmal geringen Streitwert werden viele Bankkunden nicht einen Anwalt bestellen und ein Verfahren einleiten. Die Banken aber haben ein riesiges Geschäft damit gemacht. Schätzungsweise 13 Milliarden Euro haben sie daran verdient.
Das Beispiel zeigt: Individuelle Klagemöglichkeiten alleine stoßen schnell an ihre Grenzen. Gelackmeiert sind am Ende die Verbraucher, Gewinner sind Banken, Unternehmen und Konzerne.

Deswegen sagen wir als Linke auch ganz klar: Wir brauchen endlich ein Verfahren, das dafür sorgt, dass Verbraucherinnen und Verbraucher zu ihrem Recht kommen und im Übrigen auch zu ihrem Geld.

Recht haben, ist das eine; Recht durchsetzen, ist das andere. Hier haben wir in Deutschland einen erheblichen Nachholbedarf. Die jetzigen individuellen Klagemöglichkeiten sind in Anbetracht von komplexen Märkten einfach nicht mehr zeitgemäß. Es wird auch die Tatsache außer Acht gelassen, dass die Unternehmen gut ausgestattete Rechtsabteilungen haben, die dem einzelnen Bürger, der vielleicht kein Jurastudium absolviert hat, natürlich haushoch überlegen sind. Deswegen unterstützen wir als Linke diesen Gesetzentwurf und die Idee einer Gruppenklage.

Das hätte vor allen Dingen den Effekt, dass die Verbraucherrechte deutlich gestärkt würden. Noch besser wäre es, die Hemmschwelle der Unternehmen, auf Kosten ihrer Kundinnen und Kunden ein krummes Geschäft zu machen, deutlich hochzusetzen. Gruppenverfahren dienen also der Prävention.
Jetzt werden einige sagen, es gebe schon Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung, es gebe schon eine Art von Gruppenverfahren, zum Beispiel die subjektive Klagehäufung. Nehmen wir zum Beispiel die Verbraucherzentrale Sachsen. Diese hat im Interesse von Gaskundinnen und Gaskunden geklagt. Es ging um überhöhte Preise und unfaire Vertragsklauseln. Nach sechs Jahren und einem langwierigen Prozess haben sie tatsächlich gewonnen; das stimmt. Aber es war kräftezehrend, es war ein wahnsinniger bürokratischer Aufwand, und von den vormals 400 klagenden Verbraucherinnen und Verbrauchern haben gerade einmal 22 durchgehalten; die anderen haben nach der ersten Instanz aufgegeben. Die Verbraucherzentralen - so gut sind sie finanziell und personell nicht ausgestattet - sagen selber: Bei der jetzigen Rechtslage können wir nicht mehr als 100 Verfahren bündeln und händeln.
Deswegen, meine Damen und Herren, brauchen wir eine richtige Gruppenklage, sodass eine Person klagt oder wenige Personen bzw. die Verbraucherzentralen selbst klagen und alle anderen Betroffenen sich entscheiden können, mit einem kalkulierbaren Kostenrisiko und mit geringem Aufwand der Klage beizutreten.

Das Beste ist: Anschließend würde das Urteil gegenüber jedem Betroffenen gleichermaßen gelten und nicht nur für diejenigen, die in dem Verfahren durchgehalten haben.

Abg. Dr. Volker Ullrich (CDU/CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:  Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen von der CDU?

Caren Lay: Aber selbstverständlich.

Dr. Volker Ullrich: Frau Präsidentin, ich bin der Kollege von der CDU/CSU. - Ich möchte Sie, Frau Kollegin Lay, etwas fragen. Sie sagen: Mit der Gruppenklage würde es für die Verbraucher wesentlich einfacher, zu klagen und am Rechtsstreit teilzunehmen.

Caren Lay: Ja.

Dr. Volker Ullrich: Bislang ist es so, dass bei Klagesummen von bis zu 5 000 Euro kein Anwaltszwang besteht und im Zweifelsfall jeder die Klage oder den Mahnbescheid selbst auf den Weg bringen kann. Nach dem Gesetzentwurf braucht man zwingend einen Rechtsanwalt. Wie erklären Sie sich den Anwaltszwang vor dem Hintergrund des Ziels der Erleichterung der Klagebefugnis?

Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie wollen, streiche ich den Satz, und Sie stimmen zu! Tun Sie doch nicht so!

Caren Lay: Da kann ich mich dem Zwischenruf der Kollegin Künast anschließen. Ich glaube nicht, dass das hier die entscheidende Frage ist. Wir müssen die Sachlage aus der Perspektive der betroffenen Verbraucherinnen und Verbraucher betrachten.

In der jetzigen Situation - ich nehme einmal dieses Beispiel - müssen sich Tausende von Kundinnen und Kunden allein durchsetzen und gegen einen großen Konzern, gegen ein Unternehmen klagen. Nach dem, was vorgeschlagen ist - ich bin Ihrer Auffassung, dass wir da im Detail gern noch nachbessern können -, würde es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, also denjenigen, die vielleicht nicht die ganze Zeit das BGB vor Augen haben und die kein Jurastudium haben, wesentlich erleichtert, ihre Ansprüche durchzusetzen. Deswegen, meine Damen und Herren, ist diese Initiative dringend notwendig. Wir als Linke unterstützen sie.

Das ist natürlich nicht das Einzige, was wir brauchen. Wir brauchen Nachbesserungen in anderen Punkten. Ich nenne das Verbandsklagerecht für Verbraucherzentralen. Wir brauchen deutlich bessere Möglichkeiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher, unrechtmäßige Gewinne abzuschöpfen. In der jetzigen Form ist das ein Papiertiger.

Es gibt noch einen Punkt, über den wir ebenfalls diskutieren müssen, und das ist die Frage: Was machen wir mit Bagatell- und Streuschäden? Nach meiner Einschätzung ist das in dem von den Grünen vorgeschlagenen Opt-in-Verfahren so nicht lösbar.

Beim Kaffeekartell beispielsweise ist es so: Die Unternehmen machen mit Preisabsprachen letztendlich Gewinne in Höhe von 860 Millionen Euro. Der einzelne Verbraucher kann seine Ansprüche nicht durchsetzen. Hierfür brauchen wir eine Lösung. Eine verbesserte Gewinnabschöpfung oder eine Sonderregelung bei Bagatell- und Streuschäden wäre unser Vorschlag.

In der jetzigen Form ist das ein Papiertiger; ich sagte es bereits. Es ist übrigens eine Studie des Ministeriums selber, die zu diesem Ergebnis gekommen ist.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Wie sagt man so schön? „Allein machen sie dich ein“; gemeinsam können wir uns besser zur Wehr setzen! - Deswegen sagen wir als Linke: Zehn europäische Länder haben es vorgemacht. Es wird höchste Zeit, dass auch in Deutschland das Gruppenklagerecht eingeführt wird und die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gestärkt werden.

Vielen Dank.