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Verbindliche Quoten sind ein Muss!

Archiv Linksfraktion - Rede von Cornelia Möhring,

Rede zum Antrag der Fraktion die Linke Frauen in Führungspositionen

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Norwegen hat sie, Frankreich und Spanien haben sie eingeführt, und wir brauchen und vor allem wollen sie ebenfalls: die verpflichtende Quote für Frauen in Vorstandsetagen und Aufsichtsräten.
(Beifall bei der LINKEN)

Nun hören wir in letzter Zeit allerlei Schönrederei im Hinblick auf die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Wirtschaft. Dazu gesellt sich auch manch bizarrer Vorschlag aus dem Bundeskabinett.Unsere Frauenministerin - das haben wir eben schon gehört - will die bisherige Tatenlosigkeit mit einem Gesetz absichern.
(Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Frauenministerin?)
Ja, mir fällt auch manchmal eher „Männerministerin“ ein;
(Michaela Noll (CDU/CSU): So ein Quatsch! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Was soll denn das? - Wie lächerlich!)
aber wir wissen ja, über wen wir sprechen.

Wie gesagt, Frau Schröder möchte die bisherige Tatenlosigkeit mit einem Gesetz absichern und nennt das auch noch irreführend Flexiquote. Der Gipfel der Tatenlosigkeit wird vielleicht tatsächlich der Frauenquoten-Gipfel.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser Wirtschaftsminister setzt noch einen drauf und das ist sogar relativ lustig : Er schlägt einen Pakt für Frauen vor, und diesen Pakt für Frauen vergleicht er mit dem Pakt für Auszubildende.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Elke Ferner (SPD): Herr Brüderle ist ja selber Lehrling!)

Herr Brüderle ist jetzt leider nicht da. Allerdings habe ich mir die Ergebnisse des Paktes für Auszubildende einmal angesehen - vielleicht wäre eine Wirtschaftsministerin, die rechnen kann, auf diesem Platz angemessener :
(Elke Ferner (SPD): Ja!)
Im Sommer 2004 waren bei den Arbeitsagenturen noch 463 000 betriebliche Ausbildungsplätze gemeldet. Im August 2010, also sechs Jahre später, waren es gerade noch 418 000. Das sind 45 000 weniger. Folgen wir dem Vorschlag von Herrn Brüderle, dann können wir uns ziemlich sicher sein, dass im Jahr 2016 garantiert keine Frau mehr in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft sitzen wird.
(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vielleicht will Herr Brüderle das auch so!)
Das ist eher ein Pakt mit dem Teufel als ein Pakt für die Frauen.
(Marco Buschmann (FDP): Haben Sie ein Sachargument?)
Ach, Herr Buschmann, schade, dass Sie heute nach mir sprechen.
(Dr. Claudia Winterstein (FDP): Nein, wie gut!)
Ich habe noch viele sachliche Argumente.
(Marco Buschmann (FDP): Wir warten!)

An dieser Stelle will ich noch einmal deutlich sagen: Im Kern geht es nicht um eine 30-, 40- oder 50-Prozent-Quote. Wir reden über die Realität in dieser Gesellschaft: über eine 97-Prozent-Männerquote in den Vorstandsetagen und eine 90-Prozent-Männerquote in den Aufsichtsräten und damit über einen ziemlich hohen Männeranteil in den entscheidenden Positionen der Wirtschaft und einen ziemlich mickrigen Anteil für die Mehrheit der Bevölkerung.
(Elke Ferner (SPD): Ja! 90-Prozent-Quote bei der FDP!)

Das toppt nur der Vatikan, aber das hat andere Ursachen.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Glücklicherweise ist die Meinung von Frau Merkel und der Mehrheit ihrer Regierung nicht die Meinung der Mehrheit in diesem Land. Daran wird auch das kategorische Nein von Frau Merkel zur Quote nichts ändern. Der Druck wächst. Immer mehr Frauen, aber auch immer mehr Männer erwarten endlich verbindliche Festlegungen statt folgenloser Selbstverpflichtungen.

Meine Fraktion fordert mit dem vorliegenden Antrag die stufenweise Einführung einer Mindestquotierung in Höhe von 50 Prozent für Frauen in Aufsichtsräten und in Vorständen. Es ist für uns eine demokratische Selbstverständlichkeit, dass die Mehrheit der Bevölkerung auch angemessen an den wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen beteiligt sein muss.
(Marco Buschmann (FDP): Im Totalitarismus wurde noch nie zwischen Staat und Gesellschaft unterschieden!)
Die Frauen müssen aufgrund ihrer Mehrheit auch die Folgen überproportional auslöffeln.

Die Quote und die Angst der Mehrheit der Regierung vor dieser Quote sind doch, wenn wir ehrlich sind, nur Ausdruck der gesellschaftlichen Situation. Ich vermute trotzdem, dass Ihnen die Debatte über die Quote eigentlich zupasskommt. Dadurch lenken Sie nämlich vom Kern und von den Ursachen Ihrer unsozialen Politik ab.

Sie machen Politik für Banken,
(Marco Buschmann (FDP): Ach Gott!)
Politik für Energiekonzerne, Politik für Versicherungskonzerne. Sie machen Politik für diejenigen, die sich immer mehr zulasten der Mehrheit bereichern. Ihre Politik ist frauenfeindlich, unsozial und ungerecht. Es ist keine Politik für die Menschen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das wurde übrigens spätestens durch die Debatte heute Morgen noch einmal deutlich gemacht.

Sie brauchen Frauen an den Stellen, wo sich jemand unentgeltlich oder zu Hungerlöhnen um den Erhalt des Lebens kümmern muss. Auch hier haben die Frauen keine Wahlfreiheit. Für Wahlfreiheit müssen nämlich die entsprechenden Bedingungen und Voraussetzungen existieren, wie meine Kollegin Humme schon richtig gesagt hat.
(Beifall bei der LINKEN)

Die Linke ist für eine umfassende, gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an dieser Gesellschaft und ihren Ressourcen. Ich glaube tatsächlich: Wenn heute 50 Prozent oder mehr Frauen an den Entscheidungen in der Wirtschaft und in der Politik beteiligt wären, dann würden die Welt und der Umgang miteinander bereits jetzt anders aussehen.
Die Linke will die gleiche Teilhabe in allen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft. Frauen wie Männer sollen gute Arbeit haben, die so bezahlt wird, dass sie auch gut davon leben können. Frauen wie Männer sollen sich zu gleichen Zeitanteilen um Kinder, Freunde, Familie, ihre eigene Persönlichkeitsentwicklung und das menschliche Miteinander kümmern können. Frauen wie Männer sollen in der Politik mitmischen und ihre Erfahrungen einbringen können. Dazu gehört, dass Frauen wie Männer selbstverständlich auch Unternehmen leiten.

Freuen Sie sich also schon jetzt auf weitere Anträge der Linken, in denen es mit wirklich guten Argumenten um eine rundum solidarische Gesellschaft und um soziale Gerechtigkeit geht. Wenn auch Sie anfangen wollen, Politik für die Menschen zu machen, dann können Sie ja unseren Anträgen zustimmen. Ich befürchte aber, das werden Sie nicht tun.
(Marco Buschmann (FDP): Das ist ja einmal originell!)

Erlauben Sie mir, mit einem Zitat der Frauenrechtlerin Simone de Beauvoir zu schließen; denn darin wird ihre Erfahrung aus den langen Frauenkämpfen zusammengefasst, und es sollte Aufforderung an alle Frauen hier im Parlament und überall sein. Sie sagte:
Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen nichts.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)