Wir erleben seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, dass Grund- und Bürgerrechte immer kleiner geschrieben werden und dass derjenige, der sie dennoch verteidigt, oft als Sicherheitsrisiko abgestempelt wird. Das ist ein realer und gefährlicher Trend für die Verfasstheit der Bundesrepublik. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages wird sich mit der übergreifenden Frage befassen, ob das Grundgesetz fahrlässig oder bewusst außer Kraft gesetzt wurde. Petra Pau, Sprecherin für Bürgerrechte und Demokratie, in der Debatte zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses. In den Medien wird er gern als „BND-Ausschuss“ gehandelt. Das finde ich falsch; denn diese Bezeichnung trifft nicht den eigentlichen Kern. Vielmehr geht es um die Frage, ob im Namen des Kampfes gegen den Terrorismus Menschen- und Bürgerrechte verletzt wurden und, wenn ja, wer das getan hat, wer es geduldet hat und wer die politische Verantwortung dafür trägt. (Beifall bei der LINKEN) Deshalb geht die Fraktion Die Linke auch nicht in einen „BND-Ausschuss“, sondern in einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für Bürger- und Menschenrechte. (Beifall bei der LINKEN) Das ist jedenfalls meine Intention. Es gibt mehr als nur einen begründeten Anfangsverdacht, der die Einsetzung eines solchen Ausschusses rechtfertigt. Nicht ohne Grund befasst sich auch das EU-Parlament mit diesen Fragen. Von meiner Kollegin Sylvia-Yvonne Kaufmann weiß ich, dass in diesem Zusammenhang noch sehr viele Fragen offen sind so viel zur europäischen Praxis, die Sie angesprochen haben : (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)) nach den geheimen Aktivitäten der CIA auf europäischem Territorium, nach Entführungen europäischer Bürger, auch über deutsche Flughäfen, und nach Geständnissen, die nach Folter abgegeben wurden (Joachim Stünker (SPD): Das waren doch keine Geständnisse, junge Frau!) und von denen auch deutsche Dienste profitiert haben sollen. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss des Bundestages wird sich mit der übergreifenden Frage befassen, ob das Grundgesetz fahrlässig oder bewusst außer Kraft gesetzt wurde. Ich finde, diese Grundsatzfrage sollte allen Fraktionen aller Mühen wert sein. (Beifall bei der LINKEN) Ich sage das auch mit Blick auf die aktuellen Einbürgerungsdebatten. Sie tragen inzwischen absurde Züge. Ich verweise nur auf den vorgesehenen Einsatz von Fragebögen in Baden-Württemberg und Hessen. Demnach müssten übrigens in Baden-Württemberg der Papst und in Hessen noch mehr Deutsche ausgebürgert werden. (Beifall bei der LINKEN) Ich habe mich heute mit einem eigenen Fragebogen in die Debatte eingemischt. Vielleicht hilft diese Karikatur, mehr Sinn in diesen Unsinn zu bringen. Denn richtig ist doch: Wenn Migranten Deutsche werden wollen, dann müssen sie Deutsch sprechen können und müssen das Grundgesetz respektieren. Aber was sind solche berechtigten Forderungen an Migrantinnen und Migranten wert, wenn ebenso berechtigte Zweifel bestehen, dass die deutsche Politik dasselbe Grundgesetz großzügig außer Kraft setzt, wenn es ihr opportun erscheint? Mit genau diesen Zweifeln werden wir uns im Untersuchungsausschuss beschäftigen. Nun habe ich sehr wohl vernommen, dass die Bundeskanzlerin die USA ob des Gefangenenlagers Guantanamo kritisiert hat. Das hätte der rot-grünen Regierung vordem vielleicht besser zu Gesicht gestanden. (Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat sie kontinuierlich gemacht!) Aber es muss jeder selbst wissen, von wem er sich die Butter vom Brot nehmen lässt. (Beifall bei der LINKEN) Solange es allerdings als nützlich gilt das steht jedenfalls im Raum , die geschundenen Guantanamo-Häftlinge der USA für vermeintlich deutsche Interessen zu gebrauchen, solange hat auch die Kritik der Bundeskanzlerin einen faden Beigeschmack. Bundesinnenminister Schäuble hat sinngemäß erklärt: Ohne die Informationen, die unter Folter erwirkt wurden, müssten die deutschen Geheimdienste einpacken. Das heißt ja wohl auf schlecht Deutsch: Folter gehört sehr wohl zum internationalen Geschäft. Genau das ist aber verfassungswidrig. Wir erleben seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, dass Grund- und Bürgerrechte immer kleiner geschrieben werden und dass derjenige, der sie dennoch verteidigt, oft als Sicherheitsrisiko abgestempelt wird. Das ist ein realer und gefährlicher Trend für die Verfasstheit der Bundesrepublik. Ich habe hier mehrfach dazu und vor allem dagegen gesprochen. Auch bei den Rednerinnen und Rednern der FDP war das der Fall. Das habe ich, bei allen gravierenden Differenzen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, immer honoriert und respektiert. Ich tue es auch heute. Denn dank engagierter FDP-Politikerinnen und Politiker wie zum Beispiel der Kollegin Leutheusser-Schnarrenberger oder dem Kollegen Hirsch gibt es einschlägige Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. (Beifall bei der LINKEN und der FDP) Diese Urteile setzen Grenzen. Ich finde, es wird höchste Zeit, dass diese Grenzen respektiert werden, und zwar schon während des Gesetzgebungsverfahrens, damit die Gesetze nicht im Nachhinein korrigiert werden müssen. (Beifall bei der LINKEN) Nun zurück zum Untersuchungsausschuss. Ich habe keine Illusionen darüber, was er letztlich klären kann. CDU/CSU und SPD haben mehrfach erklärt, was sie alles nicht wollen. Mit ihrer übergroßen parlamentarischen Mehrheit werden sie das sicherlich zu verhindern suchen. Ich bin aber dennoch für einen Untersuchungsausschuss, eben weil es mir um Bürger- und Menschenrechte geht. Sie müssen endlich wieder ein Positivthema werden. Ich finde, dieser Ausschuss kann dazu einen wichtigen Beitrag leisten; denn er kann Zweifel ausräumen und die Grundrechte stärken. Das will ich. Dazu sollten wir uns alle eingeladen fühlen. (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Dr. Max Stadler (FDP))Untersuchungsausschuss für Bürger - und Menschenrechte
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von
Petra Pau,