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Untersuchungsausschuss beschlossen

Archiv Linksfraktion - Rede von Petra Pau,

Petra Pau (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Innenausschuss des Bundestages hat sich mehrfach mit der Nazimordserie der sogenannten Zwickauer Zelle befasst. Stets waren Vertreter des Innenministeriums, des Bundeskriminalamtes, des Verfassungsschutzes, der Bundesanwaltschaft und weiterer Behörden dabei. Es ging um Aufklärung. Das hofften wir.
Den mageren Ertrag fasste der Kollege Wolfgang Bosbach, CDU, so zusammen: Die was wissen, die kommen nicht. Die, die kommen, wissen nichts. Und die, die was wissen und dennoch kommen, die sagen nichts. Prägnanter kann man kaum bündeln, warum wir nun diesen Untersuchungsausschuss brauchen.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es sei an zwei Zitate erinnert, beide vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Heinz Fromm meinte, die Nazimordserie sei eine „Niederlage für die Sicherheitsbehörden“, und er räumte ein:
„Wir haben die jetzt bekannt gewordenen Täter nicht wirklich verstanden. ... Dabei hätte man es besser wissen können.“
Folglich muss der Untersuchungsausschuss auch der Frage nachgehen, warum der Rechtsextremismus so beharrlich unterschätzt wird. Zehn Menschen mussten dies mit ihrem Leben bezahlen. Ich korrigiere mich: seit 1990 mehr als 150 Menschen. Ich denke: Der Bundestag schuldet ihnen und all ihren Angehörigen eine vorbehaltlose Aufklärung.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Rechtsextremismus ist eine Gefahr für Leib und Leben. Fragen Sie Initiativen, die sich täglich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus engagieren. Sie haben längst das Wissen und die Kompetenz, die die Familienministerin, Kristina Schröder, nun plötzlich mit einer staatlichen Extrabehörde schaffen möchte. Viel besser wäre es, diese Initiativen nicht ständig infrage zu stellen, nicht politisch und auch nicht finanziell.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Bundesinnenminister, Hans-Peter Friedrich, hat recht, wenn er ermahnt: Der Kampf gegen Rechts ist eine „Daueraufgabe der gesamten Gesellschaft“. Ich frage mich allerdings, warum die Regierung dagegen seit Jahren Knüppel streut.
Es ist gut, dass sich nun alle Fraktionen weitgehend einvernehmlich auf einen Untersuchungsausschuss geeinigt haben. Allerdings das spielte eben schon eine Rolle ist die Gefahr noch nicht gebannt, dass sich maßgebliche Behörden auf ein angebliches Aussageverweigerungsrecht zurückziehen. Wir kennen das auch aus anderen Untersuchungen. Ich hoffe also, dass die Appelle der Kollegen Altmaier, Wolff und anderer auf fruchtbaren Boden fallen. Sollte dies aber nicht der Fall sein: Die Linke hat alle einschlägigen Urteile des Bundesverfassungsgerichts parat. Deutlicher gesagt: Wir sind vorbereitet, das Kontrollrecht des Parlamentes gegenüber den Bundesbehörden notfalls auch in Karlsruhe durchzusetzen.
(Beifall bei der LINKEN Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das Gesetz ist auf unserer Seite!)
Nun gibt es noch einen weiteren Streit, nämlich den über die zahlmäßige Stärke des Untersuchungsausschusses. Im Angebot sind 8, 11 oder 15 Mitglieder. CDU/CSU, FDP und SPD neigen zu 11 Abgeordneten. Das klingt wie der goldene Mittelweg, ist es aber nicht. Deshalb sage ich allen interessierten Zuhörern: Bei 8 oder 15 Mitgliedern hätten Grüne und Linke zusammen ein eigenes Beweisantragsrecht. Bei 11 Ausschussmitgliedern wären beide Fraktionen drittrangig. Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Elferrat ist kein Beleg für Souveränität.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Abschließend noch zwei persönliche Bemerkungen: Sie, Herr Bundesinnenminister Friedrich, sind aktuell mehrfach zur Überwachung der Linken durch den Verfassungsschutz befragt worden, ganz allgemein, aber auch konkret nach der Vizepräsidentin des Bundestages Petra Pau, also mich. Sie haben darauf mit einem Verweis auf die NPD reagiert. Ich finde es unverschämt, mich mit diesem braunen Gesindel auch nur ansatzweise zusammen zu denken.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Es mag sein, dass Sie schlecht beraten waren. Es mag sein, dass Sie in Erklärungsnot waren. Aber eine solche infame Unterstellung weise ich persönlich enttäuscht und strikt zurück.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deshalb will ich auch daran erinnern: Die Nazis kamen 1933 nicht an die Macht, weil die NSDAP so stark war, sie wurden mächtig, weil Demokratinnen und Demokraten zu schwach und zerstritten waren. Diese Lehre aus der Geschichte sollte endlich auch bei Behörden und Ministern ankommen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Ingo Wellenreuther (CDU/CSU): Demokratieunterricht von den Linken ist das Letzte, was wir brauchen!)