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Unions-Antrag zu elektronischen Identitäten: blind für eigene Versäumnisse und Fehler

Archiv Linksfraktion - Rede von Anke Domscheit-Berg,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über einen Antrag der Union zu digitalen Identitäten. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema und eine sehr sinnvolle Debatte. Leider ist der Antrag schlecht. Die digitale Zivilgesellschaft macht sich schon lustig darüber. Ich zitiere mal einen Tweet von gestern: „Was da beschrieben ist, das klingt wie Kraut und Rüben. Ist das wirklich ein offizielles Dokument?“ Ja, ist es.

Da wird vor allem eine sehr eindrückliche Realitätsferne an den Tag gelegt. Einige Forderungen sind ja tatsächlich sinnvoll; aber in der Regierung haben Sie sie nie umgesetzt. Zum Beispiel gibt es – es wurde schon erwähnt – den elektronischen Personalausweis ja seit 2010, und trotzdem kann man ihn weiterhin kaum einsetzen. Kaum jemand weiß, dass er oder sie eine sichere, vertrauenswürdige elektronische ID in der Hosentasche trägt. Die Union stellte den zuständigen Innenminister!

Unter Seehofer entstand auch die AusweisApp, die, wie Sie selber sagen, nutzerfeindlich ist.

(Dr. Markus Reichel [CDU/CSU]: Immerhin!)

In der Tat: Jede zweite Nutzung endet mit einem Abbruch. Und dieses Versagen haben Sie sogar geschafft, ohne die Federführung wie die Ampel auf vier verschiedene Ministerien zu verteilen. Die Forderungen, die Sie in Ihrem Antrag aufstellen, klingen genauso schräg, wie wenn Ex-Minister Scheuer von der aktuellen Regierungskoalition einen schnelleren Breitbandausbau verlangt. Manchmal ist Schweigen die am wenigsten peinliche Option.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Krönung der Absurdität ist jedoch die Darstellung der Union des Megafails ID‑Wallet als irgendetwas Positives, was eine Wiederbelebung verdient. Offenbar hat sie völlig verdrängt, dass die ID‑Wallet ihr Going-live – kurz vor der letzten Bundestagswahl – nur um wenige Tage überlebt hat, nämlich wegen struktureller Sicherheitslücken, weshalb sie verschrottet werden musste. Die Warnungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik wurden komplett ignoriert – von der unschlagbaren Versagercombo Seehofer und Andi Scheuer. Was kann da nur schiefgehen?

(Beifall der Abg. Misbah Khan [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Union hat auch verbrochen, dass 50 Millionen Euro in Blockchain-Projekte für die Schaufenster-ID-Vorhaben fließen, und fürchtet nun, dass die Ampel diese laufenden Förderungen einstellt. Ich hoffe, dass genau das eintritt. Denn jeder Euro für diese Projekte ist verbranntes Geld.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Union will auch die Smart-eID – übrigens Lieblingsidee vom aktuellen Digitalminister Volker Wissing von der FDP – zu einer zentralen, zu einer Haupt-eID machen. Die Smart-eID ist schon praktisch: Man braucht nicht mal mehr einen Ausweis ans Handy halten, das Handy reicht alleine für die Identifizierung, und man kann es sogar sicher umsetzen; das stimmt – aber über Jahre hinaus nur mit sehr, sehr wenigen und sehr, sehr teuren Handys. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, vielleicht kommen Sie noch drauf, warum eine Smart-eID sich genau deshalb nicht als Haupt-eID eignet.

Es ist sehr schade, dass dieser CDU/CSU-Antrag so ein Fremdschämpapier ist; denn eine sichere digitale Identität ist wichtig für Teilhabe an der digitalen Gesellschaft. Ich hoffe, dass die Ampel die Verantwortung für die eID neu ordnet – unter Federführung in nur noch einem Ministerium –, dass sie die Versäumnisse der GroKo aufholt und dass sie deren Fehler nicht wiederholt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)