Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zuletzt, vor zwei Tagen, haben wir im Familienausschuss gehört, dass die Bundesregierung den Gesetzentwurf, in dem die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs und der Aufarbeitungskommission verankert werden soll, gerade finalisiert. Je schneller dieser Gesetzentwurf vorliegt, desto besser.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieser Gesetzentwurf beinhaltet unter anderem genau den jährlichen Bericht, den die AfD hier in ihrem Antrag fordert. Darüber hinaus will die AfD die bereits bestehende Unabhängige Aufarbeitungskommission umstrukturieren. Nach dem Willen der AfD soll diese nämlich politisch besetzt werden; die Fraktionen im Bundestag sollen Vertreter/-innen benennen. Diesen so sensiblen Bereich zu politisieren, lehnen wir entschieden ab.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Denise Loop [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Tja, ich würde ja gerne mehr zu Ihrem Antrag sagen, aber das war dann auch schon so ziemlich alles, was Sie hier liefern. Wir sehen: Es gibt wie immer wenig Substanz im Antrag der AfD. Noch weniger Substanz hatte nur die zugehörige Rede gerade eben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Sie müssen mal ein bisschen langsamer reden und besser lesen! – Gegenruf der Abg. Leni Breymaier [SPD]: Können Sie nicht folgen?)
Ich möchte daher gerne die Gelegenheit nutzen, die zentrale Leerstelle, die der vorliegende Antrag aufweist, zu benennen: nämlich die Prävention. Wir müssen dringend darüber reden, wie wir Kinder stärken können. Wie können wir sie in die Lage versetzen, Grenzen aufzuzeigen und sich Hilfe zu holen? Dafür braucht es eine frühzeitige Sexualkundeerziehung; denn nur wenn Kinder wissen, dass ihnen Unrecht geschieht, können sie darüber sprechen. Diese Perspektive ignorieren Sie vollständig – im Gegenteil: Sie diffamieren sie sogar als Frühsexualisierung, gerade wieder passiert –, obwohl sie doch einen entscheidenden Vorteil hat: Sie setzt nicht erst da an, wo der Missbrauch bereits stattgefunden hat, sondern will ihn tatsächlich verhindern. Das muss doch unser Ziel sein.
(Beifall bei der LINKEN)
Das fängt in der Kita an. Dort müssen Kinder lernen, wie ihre Körperteile heißen. Sie müssen lernen, welches Verhalten akzeptabel ist und welches nicht. Und sie müssen lernen, dass Nein nun mal Nein heißt und dass sie das auch sagen dürfen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das geht in der Schule weiter. Da braucht es Ansprechpersonen und Anlaufstellen; die müssen bekannt gemacht werden. Da braucht es ganz klar mehr Medienkompetenz auf den Lehrplänen; denn viele Taten spielen sich entweder im Internet ab oder werden dort angebahnt.
Aber all diese Konzepte können nur umgesetzt werden, wenn es in Schulen und Kitas genug Personal gibt, genug Erzieher/-innen, Lehrer/-innen und Sozialarbeiter/-innen, die solche Angebote entwickeln und durchführen. Je mehr wir die Strukturen stärken, desto besser kann Prävention funktionieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Ana-Maria Trăsnea [SPD])
Außerdem brauchen die Fachkräfte die zeitlichen Kapazitäten, um Missbrauchsfällen nachzugehen, wenn sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt. Auf das familiäre Umfeld allein können wir uns nicht verlassen. Ein Viertel der Fälle findet im engsten Familienkreis statt. Umso wichtiger sind ein starkes soziales Netz und die Aufmerksamkeit der Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Es reicht also nicht, nur punktuell an diesem wichtigen Thema zu arbeiten. Wir müssen beim Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen den gesamten Kinder- und Jugendbereich in den Blick nehmen. Umso wichtiger finde ich es, dass Herr Staatssekretär Lehmann auf meine Nachfrage im Ausschuss gesagt hat, dass das Thema Prävention ein wichtiger Teil dieses Gesetzentwurfes sein wird. Ich verlasse mich da auf Sie, liebe Koalition.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zum Abschluss meiner Rede möchte ich ausnahmsweise – normalerweise machen wir das nicht; wir haben nicht so viel Zeit – den Moment nutzen, um mich bei Frau Kerstin Claus, der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Missbrauchs, zu bedanken; denn es ist schlicht beeindruckend, mit welcher Kraft sie für dieses Thema unterwegs ist und was für eine hervorragende Arbeit sie macht. Vielen Dank!
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)