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UN-Mitgliedschaft stärkt Palästina, ohne Israel zu schwächen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Am 29. November 1947 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen in der Resolution 181, die Teilung des historischen Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorzuschlagen. Großbritannien enthielt sich der Stimme; alle anderen Vetomächte, also die USA, China, Frankreich und die Sowjetunion, unterstützten diesen Teilungsplan. Im Mai 1948 rief Ben-Gurion, fortan israelischer Premierminister, den Staat Israel aus. Es war, wenn man so will, ein einseitiger Schritt Israels, aber eben unter Berufung auf den Teilungsvorschlag der Vereinten Nationen.

6 Millionen Jüdinnen und Juden wurden durch die deutschen Nazis ermordet. Nur durch die in unserem Land begangenen Verbrechen kam es überhaupt zu einem solchen UN-Beschluss. Deshalb müssen wir Deutsche dafür eintreten, dass die Jüdinnen und Juden das Recht auf einen Staat haben, in dem sie die Mehrheit stellen, aber  dies ist ebenso selbstverständlich  Nichtjüdinnen und Nichtjuden gleichberechtigt zu behandeln haben.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Bettina Kudla (CDU/CSU): Das stimmt einfach nicht, was Sie hier sagen!)

Wir müssen aber auch dafür eintreten, dass die Palästinenserinnen und Palästinenser in einem eigenen souveränen Staat leben können. Sie dürfen nicht für die von den deutschen Nazis begangenen Verbrechen büßen müssen.

Die UNO hatte 1947 einen Teilungsplan mit zwei politisch souveränen, unabhängigen Staaten, die aber wirtschaftlich eng verbunden sein sollten, vorgeschlagen, also auch einen palästinensischen Staat. In Übereinstimmung mit sämtlichen UNO-Beschlüssen muss endlich der Staat Palästina in den Grenzen von 1967 anerkannt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

Ein Austausch von Territorien kann nur zwischen Israel und Palästina vereinbart werden.

Herr Polenz, Sie haben, was die Hamas betrifft, wahrscheinlich recht. Aber gerade wenn die UNO Palästina als Vollmitglied aufnimmt und dabei die Grenzen von 1967 festlegt, wird die Hamas gezwungen, dies zu akzeptieren. Wir können doch nicht auf das Einverständnis der Hamas warten. Ich bitte Sie!

(Beifall bei der LINKEN)

Viele Länder haben Botschafter mit Palästina ausgetauscht. Aber die Bundesregierung traut sich das nicht. Ich finde es falsch; das muss endlich geschehen.

Nach dem Sechs-Tage-Krieg hatte es etliche Versuche gegeben, den Konflikt auf friedlichem Wege zu lösen. Erinnert sei an den Friedensprozess unter Vermittlung Norwegens und an die zahlreichen Versuche auch amerikanischer Präsidenten, eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Palästinenserinnen und Palästinensern und Israelis zustande zu bringen. Aber alle diese Friedensprozesse scheiterten. Sie haben recht: Auch der letzte Versuch von US-Präsident Barack Obama, eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 zu erreichen, blieb erfolglos.

Nunmehr haben die Palästinenserinnen und Palästinenser und ihr Präsident Abbas die Initiative ergriffen und wollen bei den Vereinten Nationen beantragen, dass Palästina endlich als Vollmitglied der internationalen Staatengemeinschaft in die UNO aufgenommen wird. Israel ist strikt dagegen. Warum eigentlich? Gerade wenn sich die Lage zuspitzt, müsste Israel diesbezüglich sogar initiativ werden und nicht ausschließlich versuchen, es zu verhindern. Aber die USA sind auch dagegen. Deutschland, Tschechien und die Niederlande sind ebenfalls dagegen. Länder wie Frankreich, Großbritannien, Spanien, Belgien, Polen, Schweden, Finnland, Luxemburg und viele andere Staaten sind aber dafür. Haben die alle unrecht?

Die Bundeskanzlerin und der Bundesaußenminister warnen vor einseitigen Schritten. Herr Westerwelle, was soll daran einseitig sein? Israel ist schon Mitglied der UNO. Warum soll nicht auch Palästina endlich Mitglied werden? Das ist doch nicht einseitig.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir auf das Einverständnis der israelischen Regierung warten, dann sind wir nicht besonders souverän in dieser Frage. Vielleicht müssen wir dann noch sehr viele Jahre warten. Auch das ist nicht akzeptabel.

Sie haben völlig recht: Die Lage im Nahen Osten und in Nordafrika hat sich verändert. Wir wissen noch nicht, welche Strukturen in Ägypten, Tunesien, Libyen, Syrien, Jemen und Bahrain entstehen. Gerade in einer solchen Situation wäre das friedliche Nebeneinander der Staaten Israel und Palästina für den Friedens- und Demokratieprozess im Nahen Osten und in Nordafrika ungeheuer wichtig. Durch eine Mitgliedschaft Palästinas in der UNO stünde Palästina Israel etwas gleichberechtigter gegenüber. Das ist doch nicht nichts, das hat doch Gewicht, gerade auch für Friedensverhandlungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist das Besondere: Es stärkte Palästina, ohne Israel zu schwächen. Deutschland muss das Zwei-Staaten-Modell aktiv unterstützen, im Interesse der Palästinenserinnen und Palästinenser, im Interesse der Israelis und im Interesse aller Menschen im Nahen Osten und der Weltgemeinschaft.

Herr Stinner, wir wissen, dass sich die Situation hinsichtlich des Antrags Palästinas noch ändern kann; das stimmt. Vielleicht wird noch ein anderer Weg gefunden und gegangen. Was wir aber entscheiden müssen, ist, wie Deutschland sich verhält, wenn der Antrag Palästinas auf Mitgliedschaft in der UNO zur Abstimmung gestellt wird. Wir können uns doch nicht ewig davor drücken, Herr Bundesaußenminister.

(Beifall bei der LINKEN)

Egal ob die Abstimmung im Sicherheitsrat  hier üben wir den Vorsitz aus  oder in der UN-Vollversammlung stattfindet: Deutschland müsste schon aus historischer Verantwortung heraus dafür stimmen; alles andere können wir uns meines Erachtens überhaupt nicht leisten.

(Beifall bei der LINKEN  Dr. Rainer Stinner (FDP): Für was?)

- Für die Aufnahme Palästinas als Vollmitglied der UNO. Erklären Sie einmal den Palästinenserinnen und Palästinensern, weshalb sie wegen unserer Geschichte benachteiligt werden. Ich kann es ihnen nicht erklären, ich muss das ganz klar sagen. Das ist nämlich die Schwierigkeit dabei.

(Patrick Kurth (Kyffhäuser) (FDP): Alles hat mit unserer Geschichte zu tun!)

- Natürlich hat das mit unserer Geschichte zu tun. Das können Sie nun wirklich nicht leugnen.

Es ist zu befürchten, dass ein solcher Antrag im Sicherheitsrat am Veto der USA scheitern wird. Der Beschluss des Sicherheitsrates kann aber durch eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der UNO aufgehoben werden. Völkerrechtlich wird dies unterschiedlich gesehen, aber viele sehen es so. Mindestens 128 der 192 Mitgliedstaaten müssten dafür stimmen; das ist durchaus möglich.

Für mich ist es ein sehr positives Signal, dass sich auch die Grünen und die SPD in diesem Sinne äußern, sodass sich wenigstens die drei Oppositionsfraktionen diesbezüglich im Prinzip einig sind. Vielleicht werden wir uns sogar noch im gesamten Bundestag einig, was besonders wichtig wäre.

(Günter Gloser (SPD): Die Hoffnung stirbt zuletzt!)

Wir müssen unsere guten Beziehungen zu Israel aufrechterhalten. Ebenso müssen wir aber den Staat Palästina anerkennen und für die Mitgliedschaft Palästinas in der UNO stimmen.

(Beifall bei der LINKEN)