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Tierhaltungskennzeichnung für alle Tierarten einführen

Archiv Linksfraktion - Rede von Ina Latendorf,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der Koalition sollte ein großer Sprung für das Tierwohl werden, und nun ist er ein winziger Hüpfer.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Das Flaggschiff, von dem Sie geredet haben, ist noch weit entfernt. Und weder der angekündigte Beitrag zum Tierwohl noch der zur Verbraucherinformation ist hiermit annähernd erreicht. Nur für Schweinefleisch ist die Kennzeichnung aufgenommen – Fleisch anderer Tierarten: Fehlanzeige. Und selbst für das Schwein werden nicht alle Lebensphasen abgebildet; wir haben es schon gehört. Die Forderung ist klar: Eine Kennzeichnung ist für alle Tierarten zu regeln, und nicht irgendwann, sondern jetzt.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Die Kennzeichnung muss den gesamten Lebenszyklus abbilden, alles andere ist Verbrauchertäuschung, und das können wir nicht dulden.

(Beifall bei der LINKEN)

Einen wirklichen Beitrag zum Tierwohl erreicht man nicht durch die Abbildung des Status quo. Wir brauchen ein Programm zum flächendeckenden Umbau der Tierhaltung mit einer Förderung, die nicht nur bei Premiumbauern ankommt. Nach langer Ankündigung, nach über einem halben Jahr Beratung und Konsultationen nach der ersten Lesung, nach einer sehr kritischen öffentlichen Anhörung ist dieser Gesetzentwurf nicht besser geworden – im Gegenteil: Das Hauptproblem bleibt bestehen. Der Entwurf umfasst nicht alle Tierarten. Es ist die Kennzeichnung nur für eine Tierart geregelt. Es werden nicht alle Lebensphasen abgebildet. Und da ist noch ein weiterer Kritikpunkt: Die Kennzeichnungspflicht gilt nicht für importiertes Fleisch.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das ist absurd!)

Trotz der vollmundigen Erklärung des Ministers und der Ampel, es sei nur der „gute“ Anfang und es gehe weiter, habe ich große Zweifel, dass es irgendwann nach diesem guten Anfang auch ein gutes Ende geben wird.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau!)

Dieser Gesetzesvorstoß ist ein Armutszeugnis; das muss ich hier feststellen.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Warum bleibt die Koalition auf halber Strecke stehen, wenn man überhaupt davon reden kann, dass die halbe Strecke schon geschafft ist? Zeit für die Entwicklung eines tragfähigen Konzeptes wäre genug gewesen. Expertise ist vorhanden; das hat nicht zuletzt die Sachverständigenanhörung im Januar ergeben. Die geladenen Sachverständigen machten viele ernstzunehmende und praktikable Vorschläge, wie der Verbraucherschutz und der Tierschutz verbessert werden können, von sinnvollen Tierbestandsreduktionen bis zur Flächenanpassung in der Nutztierhaltung. Nichts von alldem ist wirklich aufgegriffen worden. In der Haltungsstufe 2, Stall+Platz, hat es sogar eine Verschlechterung im Sinne des Tierwohls gegeben: Waren vorher 20 Prozent mehr Fläche für die Tiere im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard vorgesehen, sind es nun noch 12,5 Prozent.

(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ist ja unglaublich!)

So etwas muss Ihnen doch auffallen!

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU)

Aber weiter: Nach wie vor besteht eine eigene Bio-Haltungsstufe, und im Radio wurde diese heute früh – habe ich gehört – als beste Haltungsform bezeichnet. Und das ist falsch! „Bio“ bedeutet nicht zwangsläufig „besser“. Es ist einfach falsch. Auch mit deutlich geringerer Flächenausstattung als bei konventioneller Tierhaltung darf das Biosiegel verwendet werden. Die Kennzeichnung „Bio“ ist sogar bei einer Haltung der Tiere auf Betonflächen möglich. Aber da stimmt doch was nicht!

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei euch stimmt was nicht in der Realität, Frau Latendorf!)

Und nun haben wir die Ankündigung der Ampel, dass es nach der parlamentarischen Sommerpause mit einer Fortschreibung des Gesetzes sofort weitergehen soll. Es gibt keinen verbindlichen Zeitplan, und es ist auch kein vernünftiger Zeitplan absehbar. Wir sehen ja, wie lange das Haus Özdemir für diese Rumpfregelung gebraucht hat.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann macht mal was! Ihr seid ja in der Verantwortung in Thüringen! Macht doch mal was in Thüringen! Macht es in Thüringen besser!)

Warum nicht als Gesamtpaket? Das konnte mir bisher niemand beantworten, und auch den Landwirtinnen und Landwirten sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern von Mecklenburg-Vorpommern bis Baden-Württemberg kann man das nicht erklären.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Genau auf den Punkt gebracht! Sehr gute Rede!)