Rede zum Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetz - WFStG (Drs. 17/1544)
Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE):
Vielen Dank. ‑ Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir erinnern uns: Als am Mittwoch die Kanzlerin hier am Pult stand, da war die gefühlte Temperatur im Plenarsaal weit unter null Grad. (Ulla Burchardt (SPD): Wo ist die eigentlich?) Frau Merkel sprach von Schonungslosigkeit im Umgang mit Staaten, die über ihre Verhältnisse leben.(Ulla Burchardt (SPD): Wo ist die Kanzlerin?)Jeder Wähler und jede Wählerin in Nordrhein-Westfalen sollte sich diese Rede noch einmal anschauen, um ein schauriges Gefühl dafür zu bekommen, wie es nach der Wahl in unserem Land weitergehen soll. Wir sagen: Mit uns nicht so. -(Beifall bei der LINKEN)In Griechenland werden die Löhne und Pensionen drastisch gekürzt. Der IWF und die Europäische Union fordern von den Griechen die Umsetzung des ganzen neoliberalen Unfugs, der nicht nur in unserem Land schon so viel Schaden angerichtet hat.(Zurufe von der FDP: Oh!)
Sie wollen Griechenland noch weiter in die Krise treiben, damit die griechischen und deutschen Ackermänner ihre Rendite einstreichen können.(Beifall bei der LINKEN - Bundesminister Dr. Guido Westerwelle verlässt den Plenarsaal - Ulla Burchardt (SPD): Jetzt geht auch noch der Außenminister!) Das ist der Beginn eines weiteren Angriffs auf die Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslosen und Familien in ganz Europa, nicht nur in Griechenland, sondern auch hier bei uns in der Bundesrepublik.(Beifall bei der LINKEN)
Ich bin davon überzeugt: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich Frau Merkel und Herr Westerwelle hier hinstellen(Ulla Burchardt (SPD): Wo sind die eigentlich?)
und an die Menschen in Deutschland appellieren werden, dem griechischen Beispiel zu folgen und Opfer zu bringen. Die Menschen sollen wieder die Krise bezahlen. Wir als Linke stellen uns dem entgegen.(Beifall bei der LINKEN)
Wer sich an die Reden der Finanzminister der SPD und der CDU der letzten 20 Jahre erinnert, der hat vielleicht noch im Ohr, was die Grundaussage war. Es war immer die gleiche: Wir leben über unsere Verhältnisse. ‑ Aber kein Finanzminister meinte den Chef der Deutschen Bank, Herrn Ackermann, oder den ehemaligen Chef der Deutschen Post und Steuerhinterzieher Herrn Zumwinkel. Es ging immer nur um die Arbeitnehmer, Rentner, Familien und die Arbeitslosen, die angeblich über ihre Verhältnisse leben und denen mit Hungerlöhnen, Kürzung des Arbeitslosengeldes und Rentenkürzungen das Leben schwergemacht wird. Das muss endlich ein Ende hier in Deutschland haben.(Beifall bei der LINKEN) In Griechenland ist es nicht anders als hier. Es gibt Menschen, die dort über ihre Verhältnisse leben, wie hier Herr Ackermann und Herr Zumwinkel, und es gibt Menschen, denen es genauso ergeht wie vielen deutschen Arbeitnehmern, Rentnern und Arbeitslosen. Wir als Linke vertreten die Interessen der Arbeitnehmer, der Rentner und der Arbeitslosen. Sie vertreten die Interessen der Renditemacher und der Spekulanten, und dem stellen wir uns entgegen. (Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der LINKEN: Bravo!)
In Griechenland hat sich eine konservative Regierung, deren politische Ausrichtung der Regierung vergleichbar ist, die hier auf der Bank sitzt, in die Euro-Zone geschummelt. Die griechische Regierung und eine Oberschicht haben über ihre Verhältnisse gelebt, und jetzt müssen Arbeitnehmer und Rentner mit Einnahmeeinbrüchen von bis zu 30 Prozent die Suppe auslöffeln, die sie sich nicht eingebrockt haben. Das ist ungerecht. Das sage ich in aller Deutlichkeit. (Beifall bei der LINKEN)
Frau Merkel sprach in ihrer Rede von einem ehrgeizigen Programm. Ich sage Ihnen: Dieses Programm ist nicht ehrgeizig, es ist brutal, unsozial und erbarmungslos.(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Wer jetzt Solidarität mit Griechenland einklagt, der spielt ein falsches Spiel. Es ist nicht solidarisch, wenn in Griechenland Tausende Lehrer entlassen werden, wenn ausgebildete Finanzbeamte gar nicht erst eingestellt werden und wenn Rentnern, deren Renten weit unter dem deutschen Niveau liegen, die Renten gekürzt werden. Das ist nicht solidarisch. Wer diesem Gesetz zustimmt, ist ausschließlich solidarisch mit den Banken, die griechische Staatsanleihen gekauft haben; er ist nicht solidarisch mit dem griechischen Volk und auch nicht solidarisch mit den anderen Völkern Europas.(Beifall bei der LINKEN)
Wenn die Grünen heute diesem Gesetz zustimmen, um sich bei der Kanzlerin und der CDU in Nordrhein-Westfalen lieb Kind zu machen, dann ist das ein Verrat an den ursprünglichen Ideen der Grünen von Solidarität und Internationalismus.(Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hoch die internationale Solidarität! - Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer verweigert denn die internationale Solidarität?)
Ich kann mich noch gut erinnern, wie Sie von den Grünen hier in Berlin gegen den Weltwährungsfonds demonstriert haben. Aber das waren augenscheinlich Ihre Vorgänger, mit denen Sie nicht mehr viel zu tun haben. (Beifall bei der LINKEN - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Langeweile hat gesprochen!)
Der IWF ist dafür bekannt, dass er immer erst das Geld der Gläubiger rettet und dafür bereit ist, soziale Unruhen, Verletzte und sogar Tote in Kauf zu nehmen. Die Kanzlerin hat den Griechen diese Rosskur verordnet, damit die Märkte wieder Vertrauen gewinnen. Auch der Finanzminister sprach unentwegt davon, dass wir nicht das Vertrauen der Märkte verlieren dürfen. Die Bundesregierung ist bereit, für das Vertrauen der Märkte das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zu opfern. Für wen machen Sie eigentlich Politik, Frau Merkel, für die Märkte oder für die Menschen? Das frage ich Sie.(Beifall bei der LINKEN)
Sie lassen sich ständig von den Spekulanten hinters Licht führen und auf der Nase herumtanzen. Unterwürfig buhlen Sie um das Vertrauen der Märkte. Das ist doch völlig absurd. Wenn Sie am Mittwoch von dem Primat der Politik gegenüber den Finanzmärkten gesprochen haben, Frau Merkel, dann war das doch nichts als eine aufgeblasene Worthülse, wenn man sieht, wie diese Regierung den Banken und Spekulanten immer wieder das Leben erleichtert und ihnen das Geld hinterherwirft. Das ist eine verkehrte Welt. (Beifall bei der LINKEN)
Der globale Finanzmarkt ist doch in Wirklichkeit ein globaler Schwarzmarkt. Die Bundesregierung tut nichts, aber auch gar nichts, außer schönen Worten, um diesen globalen Schwarzmarkt zu bekämpfen. Die Spekulanten, meine Damen und Herren, sind Taliban im Nadelstreifen. (Zurufe von der FDP: Oh, oh!) und vor diesen Taliban müssen die Menschen in unserem Land geschützt werden.
(Beifall bei der LINKEN ‑ Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt wird es lächerlich! ‑ Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist doch eine Sauerei!) Die Kanzlerin hat erklärt, der Schlüssel des Problems zur Lösung der Krise (Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Herr Präsident! Das sind doch Terroristen!) liege in Griechenland. Ist das wirklich so? ‑ Die Griechen sollen 13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes in drei Jahren wegkürzen. Rechnen wir das einmal auf Deutschland um: Das würde bedeuten, dass wir in Deutschland innerhalb von drei Jahren 313 Milliarden Euro streichen müssten. Das entspricht fast dem gesamten Etat für ein ganzes Jahr. Das wäre auch für das wirtschaftlich viel stärkere Deutschland auf keinen Fall zu schaffen.
Wie sollen die Griechen bei sinkender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ihre Investitionen, ihre Löhne, ihre Pensionen kürzen und gleichzeitig die Mehrwertsteuer erhöhen und dann die Schulden zurückzahlen? Wie wollen Sie das machen? Erklären Sie das doch mal. Oder wollen Sie nichts anderes, als immer weiter die sozialen Standards in Europa senken? Das ist doch der eigentliche Plan hinter diesem sogenannten Rettungsfonds. (Beifall bei der LINKEN)
Wir, die Linke, lehnen das Gesetz aus zwei entscheidenden Gründen ab. Erstens ist das Gesetz und das damit verbundene Kürzungspaket nicht geeignet, die Probleme Griechenlands und die Probleme der Euro-Zone zu lösen. Die sozialen und ökonomischen Probleme Griechenlands werden nicht gelöst, sondern weiter verschärft.
Zweitens lehnen wir das Gesetz ab, weil die Bundesregierung nichts gelernt hat aus der Krise von 2008 und nicht bereit ist, die Banken an der Finanzierung der Krise zu beteiligen, und nichts unternimmt, um die Finanzmärkte zu kontrollieren. Wir fordern den Zweiklang von Retten und Regulieren. Die Bundesregierung rettet jedoch die Falschen und verweigert jegliche Regulierung der Finanzmärkte. Das können wir als Linke nicht hinnehmen. (Beifall bei der LINKEN)
Vorgestern hat Frau Merkel hier im Bundestag von einer Bankenabgabe gesprochen und davon gesprochen, dass sie sogar die Gewinne und Boni der Banker einbeziehen wolle. Da war es doch umso erstaunlicher, meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, dass die Regierungsfraktionen unseren Antrag zur Bankenabgabe nach dem Obama-Modell gestern von der Tagesordnung genommen haben, weil Sie eine namentliche Abstimmung vor der NRW-Wahl dazu verhindern wollten. (Dr. Axel Troost (DIE LINKE): Unglaublich!)
Wir bzw. unser Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi haben am Mittwoch offen und ehrlich angekündigt, dass wir die namentliche Abstimmung wollen, und Sie haben mit Tricksereien geantwortet, weil Sie nicht wollen, dass die Menschen erfahren, wer die Banken wirklich in Verantwortung nehmen will und wer nicht. Sie wollen das nämlich nicht. (Beifall bei der LINKEN)
Aber da haben Sie sich geirrt. Wir als Linke lassen uns nicht austricksen, und darum geben wir Ihnen heute die Gelegenheit zur namentlichen Abstimmung über unseren zweiten Entschließungsantrag zur Bankenabgabe. Da können Sie ja gern Farbe bekennen, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, mein Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi hat am Mittwoch unsere Forderung zur Regulierung der Finanzmärkte aufgestellt. Ich will sie noch einmal kurz zusammenfassen: Verbot von Spekulationsinstrumenten, Verbot von Hedgefonds, stärkere Kontrolle von Zweckgesellschaften, eine europäische Ratingagentur. Griechenland muss auf Waffenimporte verzichten, und Deutschland muss darauf verzichten, Griechenland zu zwingen, deutsche Waffen zu importieren. Das ist nämlich die Wahrheit. (Beifall bei der LINKEN)
Wir müssen in Griechenland und in ganz Europa Vermögen mehr besteuern, und wir brauchen endlich die Bankenabgabe. Setzen Sie unsere Forderungen um! Wenn Sie das nicht tun, dann werden Sie am Sonntag in NRW eine deutliche Quittung erhalten. Dazu kann ich allen Menschen dort nur raten. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. (Anhaltender Beifall bei der LINKEN)