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Studienberechtigte brauchen Studienplätze - nicht nur eine bessere Software!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!


Das Centrum für Hochschulentwicklung sagte dieser Tage
voraus, dass es bis zum Jahr 2025 mindestens 1,1 Millionen
zusätzliche Studienanfängerinnen und Studienanfänger
geben wird. Die Kultusministerkonferenz hat gerade
zugegeben, sich bei ihren Prognosen deutlich verschätzt
zu haben, und korrigierte ihre Zahl nach oben: bis 2020
jährlich 60 000 bis 80 000 mehr Studienanfängerinnen
und Studienanfänger.
Jetzt werden diese Zahlen endlich einmal offiziell genannt.
Überrascht haben sie allerdings nur die Bundesregierung
– den Eindruck hat man zumindest –;

(Monika Grütters [CDU/CSU]: Haben Sie
schon was vom Hochschulpakt gehört?)

denn die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die
Studierendenvertretungen, die Studentenwerke, auch die
Fraktion Die Linke – sie alle haben schon seit einigen
Jahren nicht mehr an die prognostizierten niedrigen Zahlen
der Bundesregierung geglaubt. Und: Wir finden es
gut, dass immer mehr junge Menschen ein Studium aufnehmen
wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Swen
Schulz [Spandau] [SPD] und Kai Gehring
[BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Monika
Grütters [CDU/CSU]: Wir auch!)

– Wenn Sie das auch so toll finden, dann handeln Sie
entsprechend!

Dass die Bundesregierung die Hochschulen nicht
nach dem Bedarf der Studierenden, sondern nach Kassenlage
und Wunschprognosen ausstattet, zieht sich wie
ein roter Faden durch die Bildungspolitik von Schwarz-
Gelb. Im Herbst letzten Jahres fehlten genau deswegen
schon 100 000 Studienplätze.

Was diese Politik außerdem bedeutet, kann man erfahren,
wenn man eine Hochschule besucht, die keine
Exzellenzuni ist oder die nicht irgendwelche gesponserten
Stiftungslehrstühle hat: Tausende von jungen Menschen
ohne Studienplatz, zu wenig Lehrkräfte, unterbezahlte
Professorinnen und Professoren – das haben wir
gerade durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt bekommen
–, zu wenig Wohnheimplätze, BAföG-Anträge,
die sechs Monate und länger nicht bearbeitet werden –
das ist die Situation an den Hochschulen, und dieser Zustand
muss endlich beendet werden.

(Beifall bei der LINKEN – Tankred Schipanski
[CDU/CSU]: Wer ist für die Hochschulen zuständig?)

Die Meldungen zu den steigenden Studierendenzahlen
und zu den prekären Verhältnissen an Hochschulen
überschlagen sich. Und was macht die Bundesregierung?
Anstatt selbst mehr Geld in die Hand zu nehmen,
übt sie sich darin, Verantwortung abzugeben, und findet,
die Länder müssten handeln.

Seit einiger Zeit hoch im Kurs als Sündenbock ist
– mein Kollege Schulz hat es schon angesprochen – die
HIS-IT, die IT-Sparte des Hochschul-Informations-Systems.
Sie soll ein Internetportal zur koordinierten Vergabe
von Studienplätzen entwickeln, damit nicht auch
noch inmitten der ganzen Misere um mangelnde Studienplätze
viele Plätze unbesetzt bleiben. Der Start dieses
Portals wurde aus technischen Gründen mehrfach verschoben,
zuletzt auf das Wintersemester 2013/2014.
Was schlägt die Bundesregierung jetzt vor? Sie zieht
eine Privatisierung der HIS-IT in Betracht, ganz so, als
hätte es die ganzen negativen Erfahrungen der letzten
Jahre mit Privatisierungen und Deregulierungen nicht gegeben. Ich freue mich sehr, dass von der Privatisierung
der HIS-IT im vorliegenden SPD-Antrag nicht die
Rede ist. Thüringens Bildungsminister Matschie von der
SPD war ja leider Mitbeförderer dieser Idee.
Für die Linke ist klar: Die Hochschulzulassung gehört
in die öffentliche Hand.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann nicht sein, dass irgendwann private Anbieter
zum Beispiel über die Höhe der Kosten für die Vermittlung
eines Studienplatzes entscheiden, die dann vielleicht
auch noch von den Bewerberinnen und Bewerbern
oder von den Hochschulen getragen werden müssen.
Natürlich brauchen wir eine Plattform, die es den Studienbewerberinnen
und Studienbewerbern ermöglicht,
einen Überblick über Studienangebote zu bekommen,
und mit der die Studienplatzvergabe koordiniert wird.
Diese Plattform kann aber – ganz egal, wie gut sie technisch
ausgerüstet ist – nicht die Zehntausenden jährlich
fehlenden Studienplätze ersetzen. Das ist doch das eigentliche
Problem.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen endlich eine Aufstockung des Hochschulpaktes
auf mindestens 500 000 Studienplätze und
ein Bundeszulassungsgesetz, das jedem Studienberechtigten
das Recht auf ein Studium garantiert. Das Bundesverfassungsgericht
hat in seinem NC-Urteil von 1972 in
aller Deutlichkeit gesagt:

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir haben 2012!)

Die Beschränkung des Hochschulzugangs ist eine
Grundrechtseinschränkung, die nur zur Regulierung eines
temporären Mangels an Studienplätzen überhaupt
zulässig ist. – Dieser temporäre Mangel hat nun gerade
seinen 40. Geburtstag.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Tausenden Schülerinnen und Schüler, die in den
vergangenen Jahren empört auf die Straße gegangen
sind, brauchen nicht nur eine bessere Software, sie brauchen
vor allem einen Studienplatz.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)