Sehr geehrte Damen und Herren,
ein wenig mehr Gerechtigkeit - um nicht mehr und nicht weniger geht es in unserem Antrag für die Einführung eines umfassenden Radaropfer-Entschädigungsgesetzes. Der Umgang der Bundesregierung und vor allem des Verteidigungsministeriums mit den Strahlenopfern in Ost und West spricht Bände darüber, wie weit es wirklich her ist mit der deutschen Einheit und der Fürsorge gegenüber dem eigenen Personal. Das Aktivvermögen der NVA wurde gerne übernommen - die NVA-Waffen eigneten sich zur Pflege der Beziehungen mit anderen Staaten und wurden z.B. nach Indonesien exportiert. Anders bei dem NVA-Personal. Hier wurde von Anfang an darauf geachtet, dass sie nicht die gleichen Versorgungs- und Soldansprüche wie das Bundeswehrpersonal erhielten.
Man muss sich das mal vorstellen: Erst 18 Jahre nach dem Mauerfall und erst auf Druck der Oppositionsparteien wurde die Angleichung des Soldes im Osten an den Westen vereinbart. Da ging es um „Peanuts“ im Vergleich zu den gigantischen Beschaffungsvorhaben, die in schöner Regelmäßigkeit von den Regierungsparteien durchgewunken werden.
Die Radargeräte der NVA und der Bundeswehr waren insbesondere in den 60er und 70er Jahren hochgefährlich für das Bedienungspersonal. Sie wurden ohne ausreichenden Schutz einem enormen Risiko ausgesetzt, der bei vielen zu schweren Erkrankungen und Tod geführt hat. Sowohl die Betroffenen als auch die Angehörigen sind davon ausgegangen, dass der Staat hier seiner Fürsorgepflicht nachkommt.
Ein Trugschluss, wie sich zeigt: von den etwa 3.750 bekannt gewordenen und beantragten Entschädigungsregelungen wurden nur etwas mehr als 700 im Sinne der Antragsteller entschieden. Und selbst das hält das Verteidigungsministerium bis heute für eine äußerst kulante Auslegung der Bestimmungen. Ihrer Lesart nach wäre die Regierung gesetzlich zu weitaus weniger verpflichtet.
Dies gilt insbesondere für die Strahlenopfer der NVA. Die Bundesregierung hat selber erklärt, dass die unterschiedliche Behandlung von ehemaligen NVA- und Bundeswehrsoldaten vom Gesetzgeber so gewollt sei: Erhält ehemaliges NVA-Personal eine Unfallrente, wird dies im Unterschied zur Bundeswehr auf die Altersrente angerechnet. Bei den NVA Strahlenopfern wurden fast 20% der Anträge ehemaliger Angehöriger und Beschäftigter der NVA bzw. deren Hinterbliebene aufgrund fehlender Rechtsgrundlage abgelehnt. Sowohl der Petitionsausschuss als auch der Wehrbeauftragte haben sich in der Vergangenheit dafür ausgesprochen, diese Ungleichbehandlung endlich zu beenden.
De facto hat sich seit dem Abschlussbericht der Radarkommission 2003 seitens des Verteidigungsministeriums nichts bewegt. Die Interessensvertretungen der Radaropfer in Ost und West müssen mühsam von Instanz zu Instanz klagen. Aus den Gesprächen der Betroffenen geht klar hervor, dass das Verteidigungsministerium und dessen Sachverständige - um es diplomatisch auszudrücken - nicht immer hilfreich sind. Sie reizen alle verfügbaren Rechtsmittel aus, legen Gutachten vor, von denen sie wissen, dass diese wissenschaftlich anfechtbar sind oder erschweren die Einsichtnahme in die Akten. Es ist ein zynisches Spiel auf Zeit und es drängt sich der Verdacht auf, dass es vor allem darum geht, die früheren Versäumnisse der Verwaltung zum Schutz der Soldaten zu vertuschen und natürlich Geld zu sparen.
Deswegen halten wir es für absolut notwendig, die Bundesregierung endlich dazu zu zwingen, ein Radaropfer-Entschädigungsgesetz vorzulegen: Sowohl die Ungleichbehandlung muss eine Ende haben als auch der allgemeine Umgang des Verteidigungsministeriums mit den Radarstrahlengeschädigten beider Streitkräfte.
Strahlenopfer gleich behandeln
Archiv Linksfraktion -
Rede
von
Gesine Lötzsch,