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Stimmen Sie der Abschaffung der Praxisgebühr zu!

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE. im Budnestag »Praxisgebühr abschaffen!«

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor acht Jahren haben SPD und Grüne die Praxisgebühr - übrigens mit Zustimmung von Union und FDP - eingeführt.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Die Linken waren die Einzigen, die dagegen waren und gesagt haben, dass das eine Belastung gerade der sozial Schwächsten ist, die wir uns überhaupt nicht leisten können.

(Beifall bei der LINKEN - Stefanie Vogelsang (CDU/CSU): Herr Dr. Gysi, gibt es überhaupt irgendetwas, wofür die Linken sind?)

2006 hatte die Linke einen Gesetzentwurf zur Abschaffung eingebracht. Die SPD war dagegen - und jetzt zitiere ich Ihnen die Begründung -, weil die unmittelbar nach der Einführung der Praxisgebühr zu beobachtenden sozialen Verzerrungen verschwunden seien. Eine Abschaffung der Praxisgebühr sei finanziell nicht darstellbar.

Die Grünen waren übrigens auch dagegen und begründeten es wie folgt: Sie sähen keinen Grund dafür, die Praxisgebühr wieder abzuschaffen, weil es an negativen Belegen mangele.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Aha!)

Zudem fehle die Gegenfinanzierung.

Die FDP stimmte dagegen, weil man die Praxisgebühr nicht abschaffen könne, ohne gleichzeitig ein anderes Instrument der Kostenbeteiligung

(Jens Spahn (CDU/CSU): Aha!)

zu schaffen. Ein FDPler hat sich im Ausschuss allerdings der Stimme enthalten, und zwar mit der Begründung, dass der bürokratische Aufwand und die damit verbundenen Belastungen in den ärztlichen Praxen zu groß seien. Er hat also nicht an die Patientinnen und Patienten gedacht. Aber immerhin!

(Beifall bei der LINKEN)

Im Januar 2010 hat dann endlich auch Herr Lauterbach die Abschaffung der Praxisgebühr gefordert. Aber die SPD traute sich doch noch nicht, einen so gewaltigen, revolutionären Schritt zu unternehmen. Im September 2011 haben wir erneut die Abschaffung beantragt, und auch dieses Mal lehnte die SPD ab, und zwar mit der Begründung, das Ganze sei nicht zielführend.   Das habe ich nie ganz verstanden.

Die Grünen wollten mit der Abschaffung der Praxisgebühr noch warten, bis endlich die Bürgerversicherung durchgesetzt sei. Deshalb haben sie sich der Stimme enthalten. Aber immerhin war das schon einmal ein Fortschritt.

Union und FDP lehnten ab. Die FDP tat dies übrigens wegen der befürchteten Mindereinnahmen für die Kassen.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Ja, so ist das!)

Jetzt will auch die FDP den gesetzlich Versicherten ein kleines Wahlkampfgeschenk machen

(Beifall bei der LINKEN)

und ihnen diese 10 Euro pro Quartal erlassen. Dies möchte sie nicht unbedingt aus sozialen Gründen, sondern wegen der schrecklichen Bürokratie für Ärztinnen und Ärzte sowie Kassen.
Herr Kubicki, der FDP-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, startete sogar eine Unterschriftensammlung. Ich dachte, ich spinne. Aber es ist okay.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Herr Lindner, der sich nun auch über die Bürokratie aufregt, startet in NRW ähnliche Initiativen.
Jetzt kommt aber die FDP und wirft uns, weil wir diesen Antrag stellen, vor, wir würden Wahlkampf machen. Also, mehr Wahlkampf als den, den Sie machen, kann man sich gar nicht vorstellen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Bärbel Bas (SPD))

Ich sage Ihnen: Wir können heute sofort abstimmen. Dann schaffen wir die Praxisgebühr ab. Die Kassen haben genug Geld. Das ist überhaupt kein Problem.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Mit Geld können Sie ja umgehen!)

Stimmen Sie der sofortigen Abschaffung zu. Dann beweisen Sie, dass Sie es ehrlich meinen und dass es nicht nur Wahlkampfgetöse ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen allerdings auch sagen, was ich nicht mag: Wenn man als Bestandteil der Regierungskoalition solche Forderungen stellt, dann gibt es ganz viele, die sich die Hoffnung machen, dass das auch wirklich passiert. Aber die Union stimmt nicht zu, und das wissen Sie auch. Also, verbreiten Sie keine falsche Hoffnung. Oder Sie stehen es durch und stimmen jetzt für die Abschaffung dieser Praxisgebühr.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Übrigen: Wenn das Geld beim Bundesfinanzminister bleibt, dann landet es eh bei den Banken.

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Insofern wäre es sehr viel besser, es den Versicherten zu geben.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Geht es noch schlimmer?)

- Hören Sie zu. - Dass es keinerlei Steuerungswirkung hat, hat sich inzwischen herumgesprochen. Weder hat die Zahl der Arztbesuche abgenommen, noch hat es irgendetwas eingebracht.
Allerdings - das muss ich schon sagen - gibt es einzelne Betroffene, die deshalb nicht zum Arzt gegangen sind oder den Arztbesuch verschoben haben. Ich habe es Ihnen schon einmal erzählt: In meiner Anwaltssprechstunde war ein Mann, der hohes Fieber hatte. Ich habe ihm gesagt, dass er zum Arzt gehen müsse; ich glaube, es war der 27. Juni. Daraufhin sagte er zu mir, dass er noch vier Tage warten wolle, um die Praxisgebühr nur einmal zahlen zu müssen.

(Jens Spahn (CDU/CSU): Sie können ihm ja die 10 Euro geben!)

Das ist doch der Gipfel der Unverschämtheit! In einem so reichen Land wie Deutschland muss doch jemand zum Arzt gehen können, wenn er erkrankt ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb hoffe ich, dass auch bei der Union endlich die Erleuchtung kommt und die Praxisgebühr abgeschafft wird, und zwar nicht nur vor, sondern auch nach einer Wahl. Mal sehen, wie die FDP dazu in Zukunft stehen wird.

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)