Gregor Gysi in der Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE "Steuerflucht wirksam bekämpfen"
Der Tisch ist ein bisschen hoch; ich warte einmal, bis er auf meine Länge reduziert ist.Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Dafür gibt es an Ihrem Pult einen Knopf. Sie können selbstbestimmt handeln. Jedem nach seinen Bedürfnissen!
(Dr. Uwe Küster (SPD): Selbstbedienung! - Simone Violka (SPD): Männer und Technik! Das hat noch nie funktioniert!)
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Das ist ja wunderbar; dann mache ich es selber.
(Zuruf von der CDU/CSU: Typisch, der Staat soll alles machen! Weitere Zurufe von der CDU/CSU, der SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Fangen Sie nicht an, wie heute früh zu pöbeln. Ich habe doch noch gar nichts gesagt.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt hier sind, interessieren sich sicherlich alle für die Steuerflucht. Daher sollten Sie ein bisschen zur Ruhe kommen, auch wenn es vor namentlichen Abstimmungen etwas schwierig ist. Sie sollten es wenigstens versuchen.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst nehme ich überrascht zur Kenntnis, dass Frau Violka von der SPD mich nicht nur im Plenum, sondern auch noch in den Ausschüssen zu sehen wünscht. Ich werde darüber nachdenken.
Sie, Herr Kolbe, handeln nach einem berühmten DDR-Grundsatz: „Überholen ohne einzuholen“. Das geht nun mit Sicherheit schief, wollte ich Ihnen nur sagen.
(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Herr Kollege, Frau Violka möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Wollen Sie sie zulassen?
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Aber selbstverständlich, Frau Violka.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt:
Bitte schön.
Simone Violka (SPD):
Mir ist es ein Bedürfnis, Sie zu fragen, ob Sie sich noch daran erinnern können, dass Sie mir bei der ersten Lesung angeboten haben, wir könnten dieses Thema im Ausschuss erörtern. Deshalb habe ich mich darauf bezogen.
Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE):
Ich hatte Ihre Bemerkung verstanden. Aber Sie wissen ja, welche Ausschussmitglieder wir haben, und die wollten auch mit Ihnen darüber diskutieren. Aber wir können auch gerne noch woandershin gehen und darüber diskutieren; das macht mir gar nichts aus.
(Beifall bei der LINKEN)
Da alle zu einem anderen Thema gesprochen haben, möchte ich zum eigentlichen Thema zurückkehren. Es geht um die Frage, ob deutsche Staatsangehörige, die sich in einem anderen Land aufhalten und ihre Staatsangehörigkeit behalten wollen, auch in Deutschland steuerpflichtig sind, selbstverständlich unter Anrechnung der Einkommenssteuer, die sie in dem anderen Land bezahlen. Es geht uns nur um die Differenz.
(Beifall bei der LINKEN)
Deshalb wäre es auch kein Fall von Doppelbesteuerung. Die Kleinigkeiten, die Sie bei hundert Abkommen ändern müssten, die jetzt ohnehin alle auf dem Prüfstand stehen, können dies doch nicht ernsthaft verhindern.
Auch das Argument, dass es dann so viele Steuerflüchtlinge gebe, ist nicht zulässig. Ich bitte Sie, dann müssten Sie ja den Diebstahl erlauben, weil so viel geklaut wird.
(Beifall bei der LINKEN)
Wenn man das Recht ändert, kann man immer davon ausgehen, dass sich eine Mehrheit daran hält. Ihr Argument, dass dies so bürokratisch sei, kann ich nun überhaupt nicht nachvollziehen. Jede Steuer ist irgendwie bürokratisch. Aber hier ginge es nur darum, den Kreis derjenigen, die steuerpflichtig sind, zu erweitern. Das ist nun das Unbürokratischste, was man sich im Steuerrecht vorstellen kann.
(Beifall bei der LINKEN)
Ihr Argument, dass wir auch kleine Leute träfen, ist albern. Für die kleinen Leute haben wir Freibeträge und alles Mögliche vorgesehen. Nichts spricht dagegen. Ich nenne Ihnen jetzt einmal den Fall, der für die Bürgerinnen und Bürger so ärgerlich ist, wobei es egal ist, ob ich Schumi oder Beckenbauer nehme. Beckenbauer ist ein großer Patriot, und er hat zum Beispiel bei der Fußballweltmeisterschaft viel geleistet. Er bekommt das Bundesverdienstkreuz, ist als Patriot aber nicht bereit, von seinem Einkommen auch nur einen Euro Steuern in Deutschland zu bezahlen.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei bestimmten Veranstaltungen sagt er noch, er müsse schnell wieder nach Österreich. Er will keinen Tag länger in Deutschland sein, weil sonst womöglich eine Steuerpflicht entstünde. Das haben wir bei Boris Becker ja schon einmal erlebt.
(Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Gysi, seien Sie ruhig! Sie kriegen ja schon ein ganz rotes Gesicht! Wir müssen gleich den Notarzt rufen!)
Außerdem können wir differenzieren, Herr Kolbe. Wir üben schwere Kritik an den USA. Aber diese Regelung im Steuerrecht finden wir vernünftig, und das sagen wir auch. Was ist daran so verwerflich? Ich kann es nicht nachvollziehen.
(Beifall bei der LINKEN)
Nein, das ganze Problem ist, dass weder die FDP noch die Union möchte, dass solche reichen Leute hier einen Euro Steuern bezahlen, wenn sie woanders wohnen. Aber wir wollen, dass sie Steuern bezahlen. Bei der FDP und der Union finde ich das noch verständlich. Aber dass SPD und Grüne es auch nicht wollen, finde ich ziemlich unverständlich, wenn ich das einmal sagen darf.
(Beifall bei der LINKEN Zuruf von der CDU/CSU: Wo versteuert denn die PDS ihr Auslandsvermögen?)
Wir haben ja auch Pflichten gegenüber deutschen Staatsangehörigen; das haben Sie hier völlig vernachlässigt. Es geht nicht nur um die Frage, Frau Violka, dass sie in ihrer Jugend Schulen und sonst etwas in Anspruch genommen haben. Wenn einem solchen Menschen etwas passiert, dann greift unsere Bundesregierung ein. Wenn er entführt wird, zahlen wir Lösegeld. Das ist alles richtig; denn wir sind auch für den Schutz des Lebens deutscher Staatsangehöriger verantwortlich, die im Ausland wohnen. Aber wenn wir dafür verantwortlich sind und wenn wir unsere Pflichten erfüllen, dann ist es auch nicht so schlimm, wenn diese Menschen die Einkommenssteuerdifferenz hier bezahlen, gerade dann, wenn sie nur umgezogen sind, um diese Differenz nicht bezahlen zu müssen.
(Beifall bei der LINKEN)
Um dieses Stück mehr Gerechtigkeit geht es. Ich verstehe nicht, warum Sie nicht bereit sind, dieses Stück mehr Gerechtigkeit herzustellen.
(Beifall bei der LINKEN)