
Staatliche Kontrolle ist nicht gleichbedeutend mit Schutz für Frauen!
Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin Spiegel! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union gefällt sich ganz offensichtlich darin, die Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine unter dem Label „Sicherheit und Ordnung“ zu thematisieren.
(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)
Wenn Sie jetzt noch einen Masterplan fordern, dann lässt das aus meiner Sicht nichts Gutes erahnen; denn unter dieser anmaßenden Überschrift hatte Ex-Innenminister Seehofer zahlreiche Verschärfungen im Umgang mit Schutzsuchenden propagiert.
Als Juristin sage ich Ihnen, Frau Bär: Rechtlich gibt es momentan keine Möglichkeit, eine systematische Registrierung der Geflüchteten aus der Ukraine zu erzwingen, solange sie keine staatlichen Leistungen und keinen Aufenthaltstitel beantragen.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Das ist falsch!)
Bis zum 23. Mai können sie sich legal in Deutschland aufhalten, und dass die Übergangsverordnung jetzt verlängert werden soll, ist gut so.
(Beifall bei der LINKEN)
Sehr viele Geflüchtete können derzeit privat bei Bekannten und Verwandten unterkommen. Das ist doch positiv und sollte im Übrigen auch anderen Geflüchtetengruppen ermöglicht werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Nein, danke.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Aber hier ist eine Juristin!)
Wenn es Ihnen wirklich ein Anliegen wäre, geflüchtete Frauen und Kinder vor patriarchaler Gewalt zu schützen, dann müssten wir hier vor allem über die Situation in den Lagern und Massenunterkünften sprechen; denn dort sind Frauen sexuellen Übergriffen meist schutzlos ausgeliefert. Das sagte übrigens auch ein Vertreter des BKA im Innenausschuss. Und die Täter sind nicht nur Ehemänner, männliche Verwandte oder Mitbewohner, sondern Sicherheitsdienstmitarbeiter, Sozialarbeiter, Hausmeister, also Personen, die dort im staatlichen Auftrag tätig sind. Was lernen wir daraus? Staatliche Kontrolle ist nicht gleichbedeutend mit Schutz für Frauen. Der beste Schutz für Frauen und Kinder wäre es, sie nicht in Massenunterkünfte und AnkER-Zentren zu stecken, wie es die Union seit Jahren zur Abschreckung propagiert, sondern auf dezentrale Unterbringung zu setzen.
Als Sie in der letzten Legislaturperiode eine Verschärfung nach der nächsten im Flüchtlingsrecht durch den Bundestag gejagt haben – ich erinnere mich –, hat Sie die Sicherheit von Frauen herzlich wenig interessiert.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Sandra Bubendorfer-Licht [FDP])
Vor diesem Hintergrund wirkt Ihr Antrag heuchlerisch und aus meiner Sicht auch peinlich.
Die Union fordert einen Hilfsgipfel. Wir denken auch, dass es einen Flüchtlingsgipfel braucht, um von Anfang an eine gute Abstimmung von Bund, Ländern und Kommunen mit zivilgesellschaftlichen Akteuren und Fachverbänden zu gewährleisten; denn Fachverbände wissen am besten über praktische Probleme Bescheid, und ihre Kompetenz muss bei der Entwicklung kurz-, aber auch mittel- und langfristiger Maßnahmen genutzt werden.
Ich war diese Woche mit meiner Kollegin Petra Pau im Ankunftszentrum in Tegel. Das Ankunftszentrum ist das erste Zentrum deutschlandweit, in dem Hilfsorganisationen zusammen unter einem Dach arbeiten. Das ist schon mal gut, weil Dinge so besser koordiniert werden können; denn es kommen mittlerweile sehr viele Menschen besonders vulnerabler Gruppen an, darunter auch Menschen mit Kriegsverletzungen. Eine Mutter ist dort mit ihrem kriegsverletzten Sohn, der sehr schnell in ein Krankenhaus gebracht werden musste, angekommen. Dank der guten Zusammenarbeit konnte die Versorgung des Kindes professionell und schnell koordiniert werden. Das ist gut und sollte Vorbildfunktion haben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Gülistan Yüksel [SPD])
Dennoch gibt es sehr viele Baustellen. Immer noch müssen Schutzlücken geschlossen werden. Es muss sichergestellt werden, dass alle, die aus der Ukraine geflohen sind, geschützt werden. Das heißt, auch Drittstaatler/-innen und insbesondere Studierende brauchen diese Rechtssicherheit.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulrike Bahr [SPD])
Wir müssen aber auch diejenigen schützen, die sich dem Kriegsdienst in Russland verweigern, und diejenigen, die in Russland gegen den Krieg protestieren. Ich bekomme immer mehr Anfragen von Menschen aus Russland, die fliehen wollen. Wir dürfen diese mutigen Menschen nicht alleine lassen.
(Beifall bei der LINKEN)
Und schließlich: Lassen Sie uns das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz endlich aufheben!
(Beifall bei der LINKEN)
Wir wollen alle Schutzsuchenden gleich behandeln, und zwar menschenwürdig.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)