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"Sponsoring ist eine Einstiegsdroge..."

Archiv Linksfraktion - Rede von Gesine Lötzsch,

Rede, zu Protokoll gegeben am 12.10.2007

Anrede,

in dieser Woche wurde viel über Gerechtigkeit im Bundestag gesprochen, das ist ein gutes Zeichen.
Wir sollten alle Politikfelder unter dem Gerechtigkeitsaspekt unter die Lupe nehmen.
Nehmen wir die demokratische Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger bei politischen Entscheidungen.
Haben alle den gleichen Zugang zu den Entscheidungsträgern oder gibt es hier Abstufungen und Privilegien, die zu einem demokratischen System im Widerspruch stehen?
Ich weiß nicht, ob schon mal eine Arbeitslosenvereinigung Empfänge, Bälle oder Essen in einem Bundesministerium ausgerichtet hat, um in einer gemütlichen, völlig ungezwungenen Atmosphäre bei einem Glas Wein und einer Frühlingsrolle über das Leben mit Hartz IV mit einem Minister ins Gespräch zu kommen.
Ich weiß, dass der Rüstungskonzern EADS seit 2003 insgesamt 20 Empfänge, Bälle und Essen für das Bundesministerium der Verteidigung, die Bundeswehr und ihre Gäste ausgerichtet hat.
Ich weiß auch, dass der Rüstungskonzern EADS in der Zeit von 1999 bis 2007 Rüstungsaufträge im Wert von 10,5 Mrd. € von der Bundesregierung erhalten hat.
Natürlich werden Verträge nicht auf Empfängen oder Bällen geschlossen, doch wer behauptet, dass es keinen Zusammenhang zwischen dem Sponsoring durch EADS und den üppigen Rüstungsaufträgen gibt, der irrt.

Anrede,
die Bundesregierung tut ja so, als ob Korruption ein merkwürdiges Phänomen wäre, das es nur in Afrika gibt.
In unserem Land gibt es eine lange Geschichte von Bestechung und Korruption.
Denken wir nur an Herrn Schäuble, der eine illegale Spende von 100.000 DM vom Waffenhändler Schreiber angenommen hatte und als CDU-Parteivorsitzender zurücktreten musste.

Anrede,
Der Journalist Hans Leyendecker hat in seinem neuen Buch „Die große Gier“ die Korruption u.a. bei Siemens aufgearbeitet. Bemerkenswert ist, dass es immer um Korruption im Ausland geht.
In Norwegen hat Siemens dem Militär zu hohe Rechnungen gestellt. Die Sache flog auf, weil ein ehrlicher norwegischer Siemensmitarbeiter den Betrug meldete.
Allerdings wurde er daraufhin von Siemens entlassen.
Wenn Siemens dem norwegischen Militär überhöhte Rechnungen ausstellt, wäre nicht einmal zu überprüfen, ob der Konzern mit der Bundeswehr ähnlich verfährt?
Ich habe die Bundesregierung gefragt, welche Konsequenzen sie aus den massiven Korruptionsvorwürfen gegenüber Siemens bezüglich der Verträge, die die Bundesregierung mit dem Konzern geschlossen hat, zieht und ob sie beabsichtigt die entsprechenden Verträge auf Korruption hin zu überprüfen?
Die Bundesregierung antwortete: „Anlass zu einer Überprüfung von Verträgen mit Siemens besteht erst dann, wenn der Verdacht vorliegt, dass Mitarbeiter von Siemens Bedienstete der Bundesregierung bestochen haben.“
Jeder Bürger, der hört, dass sein Nachbar von einem üblen Versicherungsvertreter über den Tisch gezogen wurde, würde seinen Vertrag, den er mit dem gleichen üblen Versicherungsvertreter abgeschlossen hat, überprüfen.
Doch die Bundesregierung ist da völlig sorgenfrei.
Es ist ja auch nicht ihr Geld, sondern das Geld der Steuerzahler.

Anrede,
Das Sponsoring der Bundesregierung ist eine Einstiegsdroge für Bestechung und Korruption, deshalb fordert die LINKE die Finanzierung von Empfängen und Bälle in den Bundesministerien durch Unternehmen und Lobbyisten endlich zu beenden.
Es geht darum, die Integrität und die Neutralität des Staates zu wahren, aber auch um mehr Gerechtigkeit beim Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu politischen Entscheidungen zu erlangen.

Rede zu Protokoll gegeben am 12.10.2007