Bundestag, 13. 06. 2007, „Entschädigung SED-Opfer“, Petra Pau (DIE LINKE)
1. Im Zuge der staatlichen Vereinigung von BRD und DDR wurde ein „Einigungsvertrag“ beschlossen. In Artikel 17 heißt es u. a. unter dem Stichwort „Rehabilitierung“:Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Absicht, dass unverzüglich eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen wird, dass alle Personen rehabilitiert werden können, die Opfer einer politisch motivierten Strafverfolgungsmaßnahme oder sonst einer rechtsstaats- und verfassungswidrigen gerichtlichen Entscheidung geworden sind.
Die Rehabilitierung dieser Opfer des SED-Unrechts-Regimes ist mit einer angemessenen Entschädigungsregelung zu verbinden.“
Parallel dazu hatte die letzte Volkskammer der DDR ein eigenes Rehabilitierungsgesetz beschlossen, und zwar partei- und fraktions-übergreifend, also auch mit den Stimmen der PDS.
Nehmen wir den Volkskammer-Beschluss aus dem Jahre 1990 als Maßstab, dann bleibt festzustellen: Die Rechts-Wirklichkeit der Bundesrepublik Deutschland, und damit die Entschlossenheit des Bundestages, bleibt noch immer hinter dem politischen Rehabilitierungs-Willen der Volkskammer zurück.
Das wird sich auch mit dem heute zu beratenen Gesetz der Unions-Parteien und der SPD nicht ändern.
Noch mal zum Einigungs-Vertrag. Dort hieß es, wie eingangs zitiert: „unverzüglich“, „alle Personen“ und „angemessene Entschädigung“. Von „unverzüglich“ kann 17 Jahre nach der Vereinigung keine Rede sein. „Alle Personen“ werden mitnichten erreicht. Und „angemessen“ ist die nun
vorgeschlagene Entschädigung auch nicht. Jedenfalls nicht nach meiner Auffassung.
2. Das vorliegende Gesetz wurde vielfach kritisiert: von Betroffenen, von Verbänden, von Experten, auch von der Fraktion DIE LINKE. Die Hauptkritik besteht darin, dass erlittenes DDR-Unrecht nur partiell anerkannt wird und nur ausnahmsweise berücksichtigt wird.Nur partiell anerkannt, weil ganze Opfergruppen ausgeschlossen bleiben. Nur ausnahmsweise berücksichtigt, weil nur ärmste Betroffene bedacht werden. Oder salopp ausgedrückt: Nutznießer dieses Gesetzes werden nur jene Opfer von DDR-Unrecht, die in der BRD inzwischen zu den Ärmsten zählen.
Es geht also weniger um eine Opfer-Rente, wie der Name des Gesetzes suggeriert. Es geht vielmehr um einen Sozial-Ausgleich, der Armut lindern soll. Das ist politisch aber etwas völlig anderes. Das beginnt bei der Botschaft: Gewürdigt wird nämlich nicht mehr das Engagement der Betroffenen für Demokratie, Bürgerrechte und Freiheit zu DDR-Zeiten. Gewürdigt wird lediglich die aktuelle Bedürftigkeit der Anspruchsberechtigten im BRD-Alltag. Und genau das ist zu wenig.
3. Die Fraktion DIE LINKE hat daher einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Er sieht eine Opfer-Rente vor, unabhängig von den aktuellen Einkommen der Betroffenen. Und er umfasst weitere Menschen, die in der DDR politisch verfolgt wurden. Zum Beispiel
■ Schülerinnen und Schüler, denen aus politischen Gründen ein Bildungsweg versagt wurde.
■ Oder Bürgerinnen und Bürger, die Opfer von Zersetzungsmaßnahmen wurden.
■ Wir wollen, dass ehemals Inhaftierte nicht bürokratisch nachweisen müssen, dass sie gesundheitliche Schäden erlitten haben.
■ Und wir plädieren dafür, dass es keine Befristung für Anträge auf Opfer-Renten gibt. Der Anspruch sollte jederzeit gelten.
Kurzum, wer Anspruch auf eine Opferrente hat, sollte diese möglichst unbürokratisch erhalten können, in angemessener Höhe und ohne Verrechnung mit anderen Bezügen. Das will im Grundsatz der Gesetzentwurf der LINKEN. Und das kommt, nach allen Gesprächen, die ich mit Betroffenen oder Opferverbänden geführt habe, auch deren Vorstellungen recht nahe.
4. Nun haben wir nachher über verschiedene Gesetzentwürfe bzw. Änderungsanträge abzustimmen. Natürlich wird die Fraktion DIE LINKE für den eigenen Gesetzesentwurf stimmen. Das wird sie nicht überraschen. Uns wiederum wird es nicht überraschen, wenn unser Gesetzentwurf keine Mehrheit findet. Was also dann?
Meine Empfehlung an die Fraktion DIE LINKE war und ist: Lasst uns jedem Antrag zustimmen, der besser ist, als der Entwurf der Koalition bzw. diesen im Interesse der Betroffenen verbessert. Sollte das allerdings nicht von Erfolg gekrönt sein, dann finde ich, sollten die Unions-Parteien und die SPD ihr Gesetz auch alleine verantworten.
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