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Sie handeln nach dem Motto: „Geld für Banken statt für Bildung!“

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Die Qualität von Lehre und Studium ist untrennbar mit guten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verknüpft. Sie reden doch immer von Exzellenz! Dann schaffen Sie einfach mal exzellente Bedingungen!

Herr Präsident / Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,


Überfüllte Hörsäle, Prüfungsstress, hohe Präsenzpflicht, Stellenabbau und abstruse Betreuungsrelationen – eine Professorin oder ein Professor ist durchschnittlich für 60 Studierende verantwortlich! So kann man schlagwortartig die Lehr- und Lern-Situation an den Hochschulen umschreiben. Das kommt nicht von ungefähr: Jahrzehntelang wurden die Hochschulen unterfinanziert; zudem wurde der Bologna-Prozess implementiert, nach dem Motto „Schaut doch wie ihr damit klar kommt!“ Und da ist es kein Wunder, dass die Versprechen auf neue Lehr- und Lernformen, wie etwa ein selbstbestimmtes Projektstudium, forschendes Lernen, die Anerkennung und Integration von unabhängigen Lerngruppen in den Lehrbetrieb oder E-Learning nicht umgesetzt wurden.


Die Bologna-Konferenz vom vergangenen Montag wäre eine gute Gelegenheit gewesen, mit allen Verantwortlichen gemeinsam Veränderungen zu beschließen. Sie, Frau Schavan, haben sie nur dazu genutzt, Ihre altbekannten Projekte erneut vorzustellen. Und es sollte Ihnen zu denken geben, meine Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, Frau Schavan, dass die Bildungsstreikenden die Sitzung vorzeitig verlassen haben. Denn die Bildungsministerin ist wirklich mit keinem Wort auf die Forderungen der Studierenden eingegangen, sie hat nicht mal die Gelegenheit genutzt, mit den anwesenden KultusministerInnen und HochschulrektorInnen konkrete Vereinbarungen zu treffen.


Grundvoraussetzung für jede Verbesserung an der Hochschule und in der Lehre ist Geld: Es ist nicht einzusehen, dass die Krise und die Konsolidierung der Haushalte auf dem Rücken der Bildung ausgetragen werden sollen, wie es nun Ihr Ministerpräsident Roland Koch in Hessen fordert. 2 Milliarden will die Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren für die Verbesserung der Lehre zur Verfügung stellen. Zum Vergleich: über 100 Milliarden Euro konnten schon wieder über Nacht für die Schuldner Griechenlands mobilisiert werden, also für die Banken. Sie handeln nach dem Motto: „Geld für Banken statt für Bildung!“ Das ist ein Skandal! Und der Anteil der öffentlichen Ausgaben pro Student am Bruttoinlandsprodukt ist seit den 70er Jahren um zwei Drittel zurückgegangen! So schaut Ihre Bildungsrepublik aus! Da müssen Sie sich nicht über weitere Proteste wundern!


Die Qualität von Lehre und Studium ist untrennbar mit guten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen verknüpft. Sie reden doch immer von Exzellenz! Dann schaffen Sie einfach mal exzellente Bedingungen! Ohne hervorragende Arbeitsbedingungen wird es keine hervorragende Lehre geben. Ihre Politik führte geradewegs in katastrophale Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen an den Hochschulen - besonders unterhalb der Professur. Lehrbeauftragte sichern den laufenden Lehrbetrieb – sie tun dies völlig unterbezahlt und ohne gesicherte Perspektiven. Drei Viertel aller wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Hochschulen sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes befristet beschäftigt, die Hälfte davon in Teilzeit. Und dieser Trend reicht bis zu den Professuren, die 2008 bereits zu 16% befristet waren, 1998 waren es noch 5%.
Wenn Sie an dieser Situation grundlegend etwas ändern wollen, sorgen Sie für mehr und vor allem für kontinuierliche Mittel! Stellen Sie mehr Personal mit gesicherten Arbeitsverhältnissen ein und schaffen Sie Qualifizierungsmöglichkeiten! Der Wissenschaftsrat veranschlagt allein für die Verbesserung der Qualität der Lehr- und Lernbedingungen ein jährliches Budget von 1,1 Mrd €. Sie bieten 200 Mio. € und wollen dafür noch gefeiert werden. Mit Verlaub, aber das ist absurd!


Und mit der Exzellenzinitiative verschärft die Bundesregierung dieses Problem noch. Nicht nur, dass dadurch die Mittel konzentriert und einer breiteren Finanzierung, von der alle Hochschulen etwas hätten, entzogen werden – dazu kommt, dass diejenigen, die in solchen Exzellenzprojekten forschen, sich doch kaum noch an der Lehre beteiligen. Stattdessen gibt es dann die reinen Lehrbeauftragten, die aber keine Zeit mehr haben, zu forschen. Sie betreiben eine Ausdifferenzierung in Forschungs- und Lehruniversitäten; Sie treiben mit ihrer Politik die Trennung von Forschung und Lehre voran! Und das nennen Sie dann Wissenschaftsstandort. Sie beschneiden und zerstören doch auf diese Weise die Wissenschaft an der Wurzel!


Ich kann Ihnen nur sagen – die richtige Antwort auf so eine Politik heißt Protest! Dass man sich für gute Bildung nicht auf Frau Schavan und die Landesregierungen verlassen kann, hat der Bologna-Gipfel am Montag bewiesen. Ich hoffe, dass die Studierenden am 9. Juni vor allem gemeinsam mit Lehrkräften und Beschäftigten der Hochschulen die nächste Runde des Bildungsstreiks einläuten. Es geht es um nicht weniger als den freien und gleichen Zugang zu guter Bildung! Dafür braucht es auch Bedingungen, unter denen man auch gut lehren und lernen kann.
Vielen Dank.