Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Union hat einen alten Antrag der FDP aus der letzten Wahlperiode herausgekramt.
(Philipp Amthor [CDU/CSU]: Mit Absicht!)
Nachdem sie ihn größtenteils wortwörtlich kopiert hat, reicht sie ihn heute als ihren eigenen Antrag ein. Das ist nicht besonders originell.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Philipp Amthor [CDU/CSU]: Mit Absicht! – Nina Warken [CDU/CSU]: Sie müssen zuhören! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
Die Union fordert, weitere Länder wie Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. In diesen Ländern finden aber Menschenrechtsverletzungen wie die Verfolgung von politischen Aktivistinnen und Aktivisten, von Journalistinnen und Journalisten oder Homosexuellen statt.
Mit diesem Antrag möchte die Union die Zahl von Asylsuchenden reduzieren und Asylverfahren beschleunigen. Ich möchte Sie aber an die Expertenanhörung im Innenausschuss vom 9. Dezember 2019 erinnern. Schon damals ist der FDP-Vorschlag, auf dem dieser Antrag von Ihnen heute ja beruht, auf massive Kritik der Sachverständigen gestoßen.
An unserer Meinung hat sich nichts geändert: Wir lehnen das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten nach wie vor grundsätzlich ab.
(Beifall bei der LINKEN – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist klar!)
Dafür sprechen mehrere Gründe.
Erstens bewirkt die Einstufung eine Art Beweislastumkehr. Eine unvoreingenommene Prüfung der Asylanträge aus diesen Ländern ist dann nicht mehr gewährleistet; denn es gilt eine Art staatliche Pauschalvermutung fehlender Verfolgung. Damit wird der Charakter des individuellen Asylgrundrechts untergraben.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Schutzsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten unterliegen besonderen Restriktionen. Für sie gelten besonders strenge Regeln in Deutschland: Sie müssen in großen Sammelunterkünften wohnen, und es gilt die Residenzpflicht. Sie dürfen nicht arbeiten oder eine Ausbildung beginnen. Ihre Rechte im Verfahren sind sehr beschränkt. Und bei einer Ablehnung ihres Antrages dürfen sie nie mehr in die EU einreisen.
(Tino Chrupalla [AfD]: Das ist auch richtig so!)
Drittens. Wir müssen mal mit einem Mythos aufräumen. Es stimmt nicht, dass die Einstufung der Westbalkanländer als sichere Länder zu einem Rückgang der Asylsuchenden geführt hat, wie es in diesem Antrag immer wieder behauptet wird.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Schauen Sie sich doch mal die Zahlen an!)
Der Rückgang setzte schon vorher ein, zum Beispiel, weil die Herkunftsländer unter Druck gesetzt wurden und dann vor allem Roma an der Ausreise gehindert wurden.
(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Um 90 Prozent reduziert!)
Meine Damen und Herren, im Antrag wird maßgeblich auf eine Anerkennungsquote von unter 5 Prozent verwiesen. Dann aber dürfte zum Beispiel der Senegal eigentlich nicht mehr als sicherer Herkunftsstaat gelten; denn die bereinigte Schutzquote beim Senegal lag im letzten Jahr bei 16 Prozent.
(Beatrix von Storch [AfD]: Ist die Schweiz ein sicheres Herkunftsland?)
Auf Marokko und Tunesien trifft diese Logik in Ihrem Antrag ebenfalls nicht zu.
Letzte Bemerkung. Die Union behauptet, dass Asylverfahren durch die Einführung sicherer Herkunftsstaaten beschleunigt würden. Aber auch das ist ein Trugschluss. Laut BAMF liegt die Zeitersparnis bei gerade einmal zehn Minuten pro Verfahren. Und selbst ohne Einstufung können Asylanträge auch schnell bearbeitet werden, wenn man es denn möchte. Bei Moldau zum Beispiel liegt die Verfahrensdauer derzeit bei unter zwei Monaten.
Es handelt sich bei Ihrem Antrag also um schlechte Symbolpolitik. Die Einstufung weiterer Länder als sichere Herkunftsstaaten löst kein reales Problem, aber die Rechte der Betroffenen werden deutlich verschlechtert. Das machen wir nicht mit. Nicht die Geflüchteten, sondern die Fluchtursachen müssen bekämpft werden. Ihre Anträge dazu möchte ich auch mal sehen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)