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Schluss mit einseitiger Förderung und sozialer Diskriminierung!

Archiv Linksfraktion - Rede von Nicole Gohlke,

Schwarz-Gelb lässt das Bildungssystem verkümmern

Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

Meine Damen und Herren von der Regierung – es hilft auch nichts, wenn Sie sich einfach nur viel selbst loben – davon werden die Probleme in der Bildung auch nicht weniger!
An den Hochschulen jedenfalls ist von Ihrer viel beschworenen „Bildungsrepublik“ wenig zu spüren: Seminare sind überfüllt. Laborplätze fehlen. Sieben von acht Lehrenden arbeiten auf befristeten Stellen. Wenn man in Hochschulstädten eine Wohnung sucht, sollten die Eltern schon zu den Besserverdienenden gehören. Die Wohnheime, aber auch Mensen und Bibliotheken sind völlig überlastet. 500 Meter weit weg von hier serviert die Mensa der Humboldt-Universität das Essen nur noch auf Plastiktellern – Keramik und Spülmaschinen kann man sich nicht mehr leisten. Das sind doch die Ergebnisse ihrer Politik! Nehmen Sie das mal zur Kenntnis!

Sprechen Sie doch einfach mal mit den Angestellten der Mensa und lassen Sie sich aufklären, wie deren Arbeitsbelastung so aussieht. Oder reden Sie mal mit einem der vielen Bewerber, die wegen der verschärften Zulassungsbeschränkungen keinen Studienplatz bekommen haben, für die die Hochschule trotz Abitur verschlossen bleibt.
Genau deswegen, wegen dieser ganzen Probleme, die die Regierung so geflissentlich ignoriert, sind letzte Woche wieder tausende Schüler/innen und Studierende auf die Straße gegangen! Und sie haben recht, wenn sie lautstark ihre Zukunftschancen einfordern!

Alle wissen: es gibt die doppelten Abiturjahrgänge, die Wehrpflicht wurde ausgesetzt, und immer mehr junge Menschen wollen studieren. Nicht nur wir als LINKE haben Sie seit Jahren darauf hingewiesen, alle haben Sie darauf hingewiesen, aber Sie haben nicht gehandelt. Und das Schlimmste daran ist: Sie haben auch nicht vor, das mit diesem Haushalt zu korrigieren.

Bereits in diesem Jahr fehlen mindestens 66.000 Studienplätze. Bis 2015 sollen nun 336.000 Studienplätze geschaffen werden. Aber alle Experten sagen Ihnen – von der Hochschulrektorenkonferenz über die GEW bis hin zum Centrum für Hochschulentwicklung, dass mindestens 500.000 Studienplätze benötigt werden. Ihr Haushalt hat mit einer bedarfs- oder nachfragegerechten Ausfinanzierung nichts zu tun!

Und in dieser Situation behauptet Frau Schavan in ihrer gestrigen Pressemitteilung: „Die Bundesregierung hat vorgesorgt, um den neuen Studierenden einen guten Start ins Studium zu ermöglichen.“ Und: „Der Hochschulpakt wirkt.“

Fakt ist doch, dass der Hochschulpakt das Dauer-Defizit im Hochschulsystem nicht im Ansatz kompensieren kann! Sie kalkulieren zum Beispiel die Kosten pro Studienplatz mit 6500 Euro – das Statistische Bundesamt weist allerdings die Kosten mit 7130 Euro pro Jahr aus. Jeder Studienplatz ist also um mindestens 630 Euro unterfinanziert. So kann man die Qualität eines Studiums natürlich auch ruinieren!

Und Ihr groß angekündigter Qualitätspakt Lehre schafft die Misere auch nicht aus der Welt: 200 Millionen Euro für über 350 Hochschulen – man muss kein Finanzexperte sein, um zu sehen, dass das nicht reicht!

Aber statt umzudenken, wollen Sie auch im Jahre 2012 die Exzellenzinitiative fortsetzen. Das heißt: zusätzliche Gelder für gerade mal ein Dutzend Hochschulen! Was passiert mit dem Rest? Wissenschaftler wandern an vermeintlich exzellente Unis ab. Weil das Exzellenzsiegel fehlt wird zusätzlich zur Unterfinanzierung auch noch die Position gegenüber Drittmittelgebern und Kooperationspartnern geschwächt. Mit Ihrer Exzellenzinitiative schaffen Sie ein Zwei-Klassen-System in der Hochschullandschaft. Mit dem Grundsatz „Gute Bildung für Alle“ hat das wirklich gar nichts zu tun!

Und kommen Sie jetzt nicht mit dem Argument der leeren Kassen – Sie könnten ja im Rahmen des Haushaltsplanes einfach mal auf die Idee kommen, die Einnahmeseite zu verbessern! Führen Sie die Millionärssteuer ein, heben Sie den Spitzensteuersatz an, setzen Sie endlich die Finanztransaktionssteuer durch!

Die LINKE fordert eine ausreichende öffentliche Finanzierung für alle Hochschulen! Wir brauchen die sofortige Ausfinanzierung der bestehenden Studienplätze und bis zum Jahre 2015 mindestens 500.000 zusätzliche Studienplätze!

So lange Sie Ihre Ausgaben für Bildung nicht an die realen Bedarfe anpassen, sondern damit ihre abgehobenen Elite-Vorstellungen verwirklichen, kann von einer Bildungsrepublik nicht die Rede sein! Die Bildungsstreikenden hatten auf ihren Plakaten den Slogan „Reiche Eltern für alle!“. Es ist kein Wunder, dass sie auf solche Sprüche kommen – „Reiche Eltern für alle“ klingt wahrscheinlich realistischer, als die Vorstellung, mit schwarz-gelb die soziale Selektivität im Bildungssystem zu beseitigen!

Wenn Sie wirklich Interesse an einer Bildungsrepublik haben, dann machen Sie endlich Schluss mit einseitiger Förderung und sozialer Diskriminierung!

Vielen Dank.

[Redemanuskript - es gilt das gesprochene Wort]