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Sachverständigengutachten zur Gleichstellung endlich umsetzen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Cornelia Möhring,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist heute tatsächlich das erste Mal, dass ein Gleichstellungsbericht der Bundesregierung im Deutschen Bundestag diskutiert wird, und es ist überhaupt das erste Mal, dass es so einen Gleichstellungsbericht gibt.

Nun könnte Hoffnung aufkeimen, dass es zukünftig um die Gleichstellung von Frauen und Männern besser bestellt sein wird. Aber dazu kann ich an dieser Stelle nur sagen: „Pustekuchen“, obwohl vor einem Jahr, als das Sachverständigengutachten vorgestellt wurde, auch das Lob aus der Bundesregierung groß war. Es wurde als Meilenstein gefeiert, und aus dem gesamten Ministerium war zu hören, wie wunderbar es doch sei, dass die Lebensverläufe von Frauen und Männern nun systematisch verglichen würden.

Tatsächlich haben das Sachverständigengutachten und die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen große Begeisterung hervorgerufen, nämlich bei Frauenverbänden, bei Gleichstellungsbeauftragten, bei Gewerkschaften und auch bei vielen von uns hier. Ich betone aber: Dies bezog sich auf das Gutachten der Sachverständigenkommission und deren Handlungsempfehlungen und nicht auf das, was die Bundesregierung daraus schlussfolgert, oder die Maßnahmen, die sie eventuell angeschoben hat.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Seitdem tragen Sie die Methode, die Lebensverlaufsperspektive zu betrachten, wie eine Monstranz vor sich her. Natürlich ist es richtig, dass man, wenn man sich die Lebensverläufe von Männern und Frauen anguckt, zu ganz anderen Schlussfolgerungen kommt, als wenn man nur einen bestimmten Teil ihres Lebens herausgreift. Sie handeln aber in keiner Weise nach den Erkenntnissen, sondern sogar völlig entgegengesetzt. Sie kommen aus Untersuchungen, aus Prüfungen und aus Erhebungen überhaupt nicht mehr heraus.

(Beifall bei der LINKEN)

Dafür will ich Ihnen auch einige Beispiele nennen. Alle Experten sind sich darüber einig, dass die Altersarmut, besonders auch die von Frauen, zunehmen wird. Welchen Impuls gibt unsere Ministerin? Es soll eine Untersuchung darüber in Auftrag gegeben werden, wie sich unterschiedliche Lebenswege auf die Alterssicherung auswirken.
Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Das Geld können Sie sich sparen bzw. sollten Sie in soziale Projekte stecken.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Ergebnis lautet nämlich: Wer in seinem Leben zwischen seinen Erwerbszeiten immer wieder arbeitslos ist, wer wegen der Betreuung von Kindern und Angehörigen längere Zeiten nicht erwerbstätig sein kann oder wer in Teilzeit oder zu Niedriglöhnen arbeiten muss, der wird im Alter von Armut bedroht sein. Das ist so sicher, wie zwei mal zwei vier ist. Und es ist sicher, dass davon überwiegend Frauen betroffen sind.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiteres Beispiel, das hier auch schon angeklungen ist: Alte Rollenbilder von dem, wie eine gute Frau und wie ein guter Mann sein soll, behindern die Gleichstellung.
Eine gute Möglichkeit, solche alten Rollenbilder aufzubrechen ist, das wird auch im Gutachten empfohlen, wenn sich junge Väter mehr um ihre Kinder und um die Sorgearbeit kümmern können. Viele Männer wollen das auch. Anstatt aber das Elterngeld auszubauen, mehr Vätermonate zu ermöglichen und neue Anreize zu schaffen, tun unsere Regierungsparteien was? Sie treiben neue Varianten der Herdprämie voran, zuletzt in Form des Betreuungsgeldes.
Das verfestigt aber alte Rollenbilder und ist eher eine Reanimation der Hausfrauenrolle und alles andere als Gleichstellungspolitik oder emanzipatorisch.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Eine zentrale Handlungsempfehlung der Sachverständigen dreht sich um das Thema „Arbeit in Minijobs“. Jede fünfte erwerbstätige Frau und jeder zehnte erwerbstätige Mann arbeiten inzwischen ausschließlich in Minijobs. Das „Mini“ bezieht sich dabei nicht auf die eingesetzte Arbeitszeit; die ist bei Minijobberinnen manchmal nämlich sehr ausufernd. Das „Mini“ bezieht sich noch immer auf die Bezahlung und auf die Rente im Alter, die  zwangsläufig auch sehr mini ausfällt.

Im Gutachten - das wurde schon betont - wird darauf hingewiesen, dass dann, wenn man es mit der Reduzierung geschlechtsspezifischer Ungleichheiten im Beschäftigungssystem ernst meint, die Abschaffung von Minijobs ein zentrales Element einer entsprechenden Politik sein muss. Was tut die Bundesregierung? Sie ignoriert diese Empfehlung und beschließt die Ausweitung der Minijobs und die Anhebung der Verdienstgrenze.

Würde man den Gleichstellungsbericht wirklich ernst nehmen und wesentliche Schritte in der Gleichstellungspolitik für Frauen und Männer wollen, dann bräuchten wir keine weiteren Untersuchungen, sondern müssten lediglich die Handlungsempfehlungen der Sachverständigen in Gesetze umwandeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Beispiel in ein Gesetz für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, in ein Gesetz zur Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Arbeit oder in ein Gesetz für eine solidarische Rentenversicherung.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregierung hat gleichstellungspolitisch schon lange das Handtuch geworfen. Es wird Zeit für eine andere.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Bevor die Kollegen von SPD und Grünen jetzt frohlocken: Das schaffen auch Sie nicht ohne die Linke.
Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)