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Regierung hat keinen Mut, den Kampf mit den Banken aufzunehmen

Archiv Linksfraktion - Rede von Gregor Gysi,

Gregor Gysi in der Debatte über den Antrag der Fraktion DIE LINKE »Die Banken sollen für die Krise zahlen«

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Die Bundesrepublik Deutschland hat 480 Milliarden Euro in Form von Kapitalhilfen und Bürgschaften zur Rettung der deutschen Banken bereitgestellt. 480 Milliarden Euro sind, damit wir uns richtig verstehen, 20 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung der Bundesrepublik Deutschland. Nun stellt sich die Frage: Wie lange wird uns diese Verschuldung belasten, Jahre oder Jahrzehnte, und wer muss das Ganze überhaupt zurückzahlen? Die Bundeskanzlerin hat sich bei der Haushaltsdebatte relativ klar geäußert und gesagt: die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Darunter verstehen viele immer nur die, die Einkommensteuer zahlen. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass alle Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Steuern zahlen, zumindest die Mehrwertsteuer. Darüber gibt es ja keine Diskussion.

(Beifall bei der LINKEN)

Das aber heißt, dass Hartz-IV-Empfänger, Lidl-Verkäuferinnen, Kfz-Schlosser etc. all diese Schulden der Banken zurückzahlen müssen. Dazu kann ich nur sagen: Unser Einverständnis bekommen Sie dafür niemals.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun ist es auch interessant, sich anzusehen, ob die Banken ihr Verhalten verändert haben. Die Banken jedoch machen wieder Geschäfte mit Steueroasen und spekulieren in der ganzen Welt, als ob es die Krise überhaupt nicht gegeben hätte, weil Sie nicht die Kraft haben, eine einzige wirksame Regulierungsmaßnahme, die wir dringend benötigen würden, zu beschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Als weiterer Umstand kommt hinzu, dass Herr Ackermann gerade sehr fröhlich allen mitgeteilt hat, dass die Deutsche Bank einen Profit in Höhe von 5 Milliarden Euro nach Steuern gemacht hat, den sie jetzt wunderbar an ihre Großaktionäre etc. auszahlen kann. Dann sagt er auch noch ganz stolz: Wir haben gar kein Geld vom Staat bekommen. Diese Aussage möchte ich gerne widerlegen, und zwar dadurch, indem ich darauf hinweise, dass es zum einen direkte und zum anderen indirekte Einnahmen über den Staat gibt.
Schauen wir uns einmal den ersten Bereich an. Der Staat musste sich ja neu verschulden, um das ganze Geld zur Verfügung stellen zu können. Woher nimmt er das Geld? Er nimmt Darlehen bei den Banken auf, unter anderem bei der Deutschen Bank. Diese verlangt dafür natürlich hohe Zinsen und verdient daran. Im Klartext bedeutet das Folgendes: Um die Banken zu retten, nimmt der Staat Kredite bei den Banken auf, und dafür verlangen die Banken das Geld das ist ihr Verdienst , das der Staat von den Steuerzahlerinnen und Steuerzahler der Bundesrepublik Deutschland einnimmt. Sagen Sie einmal: Kommt Ihnen das nicht auch ein bisschen merkwürdig vor, was hier organisiert wird?

(Beifall bei der LINKEN Frank Schäffler (FDP): So war das vielleicht in der DDR, aber nicht bei uns!)

Zum anderen profitierte die Deutsche Bank aber auch noch von der Rettung der HRE. Neben Bürgschaften sind dafür auch direkt 12 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt worden. Wieso profitierte die Deutsche Bank davon? Weil sie bei der HRE Geld geparkt hatte. Wenn die HRE in Insolvenz gegangen wäre, wäre die Deutsche Bank ihr Geld losgewesen.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Andere aber auch! Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Reden wir doch mal über die Landesbanken!)

Futsch wäre es gewesen. Nun kommt der Staat und rettet netterweise die HRE; die Deutsche Bank bekommt ihr Geld von der HRE wieder und macht nun einen riesigen Profit. Aber Sie kommen nicht einmal auf die Idee, zu sagen, dass die Banken dafür zusätzlich eine Steuer oder Gebühr an die Bundesrepublik Deutschland bezahlen müssen, damit nicht die anderen Steuerpflichtigen in der Bundesrepublik Deutschland belastet werden. So etwas ist von Ihnen leider nicht zu erwarten.

(Beifall bei der LINKEN Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Doch!)

Die Deutsche Bank hat übrigens auch in den USA ein Riesengeschäft gemacht. Aus dem Rettungspaket der USA hat die Deutsche Bank 9,1 Milliarden Euro kassiert. Sie können uns zwar vieles vorwerfen, zum Beispiel, dass wir sozialistische Geplänkel veranstalten; aber Sie können es uns doch nun wirklich nicht als eine linksextreme Auffassung vorhalten, dass wir jetzt vorschlagen, dem Weg zu folgen, den die USA eingeschlagen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Obama hat das Ganze erkannt und schlägt einen anderen Weg ein als die Bundesrepublik Deutschland. Er will jeden Cent eintreiben, den die Banken der amerikanischen Bevölkerung schulden, und zwar egal, ob sie direkt oder indirekt Gelder erhalten haben. Deshalb muss zum Beispiel die Deutsche Bank in den USA künftig jährlich 500 Millionen Dollar zusätzlich bezahlen. Das verlangt Obama. Nichts dergleichen verlangt unsere Regierung von der Deutschen Bank, und von den anderen Banken erst recht nicht.

(Beifall bei der LINKEN Frank Schäffler (FDP): Wir haben noch nichts beschlossen!)

Man darf auch nicht vergessen: Die Banken spekulieren nicht mit ihrem Geld, sondern mit dem Geld ihrer Anleger und gehen damit immer fahrlässiger um. Das müssen wir unbedingt korrigieren. Obama will insgesamt 117 Milliarden Dollar zurückverlangen.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Was macht er denn? Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Er will, aber er macht nicht! Ankündigungspolitik! Gegenruf der Abg. Dr. Dagmar Enkelmann (DIE LINKE): Sie kündigen es ja nicht einmal an!)

Setzen Sie sich doch mit Herrn Obama auseinander!

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie machen es doch!)

Sie bekommen ihn vielleicht leichter als ich ans Telefon. Sie kündigen nicht einmal irgendetwas an; Obama ist aber schon dabei, etwas umzusetzen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben einen solchen Respekt vor der Deutschen Bank ich habe mir das in Davos angesehen

(Frank Schäffler (FDP): Wo denn?)

- Hören Sie einmal zu! Ich habe mir das in Davos angesehen. Frau Merkel war zwar dort, aber man hat von ihr überhaupt nichts gehört. Der Einzige, der dort sozusagen eine Regierungserklärung abgegeben hat, war Herr Ackermann. Das ist das Problem Ihrer Koalition.

(Beifall bei der LINKEN - Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Was haben Sie denn bei der Landesbank Berlin als Wirtschaftssenator umgesetzt?)

- Fantastisch haben wir das gemacht. Wir haben die ganze Pleitebank letztlich an den Sparkassen- und Giroverband verkauft. Das war sehr sinnvoll. Sie hätten sie wahrscheinlich an eine Bank in den USA verkauft, die jetzt pleite wäre. Das ist der Unterschied zwischen uns.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Dr. Norbert Lammert:
Einen Moment, Herr Kollege Gysi. - Ich möchte nur darauf hinweisen, dass der Kollege Gysi noch gut eine Minute Redezeit hat. Danach folgen Redner von allen anderen Fraktionen. Vielleicht können wir uns auf diese Abfolge verständigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE): Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Präsident. Ich kann die Zurufe verstehen. Es gibt Schwierigkeiten, wenn ich nur sieben Minuten rede. Das ist nachvollziehbar. Im Übrigen haben sich die G-7-Finanzminister getroffen. Sie finden die Idee von Obama gut und wollen sie auch umsetzen. Allerdings gibt es schon die ersten Gegenstimmen, die sagen: Wenn wir das machen, dann brauchen wir keine Finanztransaktionsteuer bzw. Börsenumsatzsteuer, wie wir sagen, oder Tobin-Steuer, wie Attac sagt. Aber das ist völlig daneben. Wir brauchen beides; denn die Tobin-Steuer soll Spekulationen begrenzen und endlich zu Steuergerechtigkeit führen. Davon sind wir meilenweit entfernt. Ich sage Ihnen: Es ist gesellschaftszerstörerisch, wenn das Bundesverfassungsgericht Ihnen allen sagt, dass Sie die Menschenwürde der Ärmsten in unserer Gesellschaft verletzt und das Sozialstaatsprinzip gebeugt haben,

(Beifall bei der LINKEN)

und der Ackermann am gleichen Tag stolz darauf verweist, dass er 5 Milliarden Euro verteilt, und das, nachdem wir solche Geschenke an die Banken gemacht hatten.

(Beifall bei der LINKEN)

Stellen Sie endlich Steuergerechtigkeit her! Obama hat gesagt: Wenn diese Leute einen Kampf wollen, können sie ihn haben. - Es ist bedauerlich, dass wir keinen in der Regierung haben, der den Mut hat, den Kampf mit den Banken aufzunehmen.

(Anhaltender Beifall bei der LINKEN - Manfred Grund (CDU/CSU): Gysi, der Bankenschreck!)