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Nein zum gigantischen Aufrüstungsblankoscheck!

Rede von Sören Pellmann,

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, Ihre Politik ist so unsozial und unberechenbar, wie sie verlogen ist. Wortbruch reiht sich an Wortbruch, Ablenkung reiht sich an Ablenkung, Untat an Untat. Ihre erste unentschuldbare Verfehlung war Ihre in Kauf genommene Zustimmung von und Kooperation mit rechts außen. Schon länger zeigen Sie, dass in der Migrationsfrage inhaltlich nur noch ein Sichtschutz aus Pappe Sie von der AfD trennt und keine Brandmauer mehr.

(Beifall bei der Linken – Stephan Brandner [AfD]: Sie haben gelernt von uns!)

Sie reiten schließlich mit einem Teil dieses Hauses populistisch auf denselben Ressentiments, Vorurteilen und Ängsten wie die AfD.

(Nils Gründer [FDP]: Das sagt ausgerechnet der, der ein Einreiseverbot in die Ukraine hat!)

Sie gerieren sich als Erlöser von Ängsten und Qualen. Sie lösen dabei aber gar nichts. Sie erschaffen dafür mit einer gigantischen Aufrüstungsverschuldung die Probleme von morgen. Heute tun Sie dies mit der geschürten Angst vor Bedrohung und Krieg – erneut.

Im Lichte Ihres heutigen Vorhabens zeigt sich ein Muster Ihrer Politik: Zuerst setzen Sie die Nebelkerzen aus Angst und Furcht.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Krieg in der Ukraine ist eine Nebelkerze?)

Anschließend setzen Sie im selbsterzeugten Nebel Ihr eigentliches Verschiebewerk in ungeheurer Dimension schamlos um. Das ist nicht das Agieren eines verantwortungsvollen künftigen Kanzlers, sondern eines politischen Hasardeurs, der ein ganzes Land in demokratisch mehr als fragwürdigem Schweinsgalopp an der Nase herumführt.

(Beifall bei der Linken)

Dabei dürfen Sie sich beim Schuldenmachen für das Militär auf Kosten der arbeitenden Menschen dieses Landes der schändlichen Kumpanei von SPD und Grünen erfreuen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Kumpanei“, wirklich? War das Wort wirklich „Kumpanei“?)

Merken Sie von der SPD und den Grünen eigentlich noch, wofür man Sie gebraucht? Sie glauben, in Verantwortung zu handeln. Sie handeln absolut verantwortungslos. Sie werden nichts davon haben. Sie können damit nur verlieren.

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Nils Gründer [FDP])

Das werden Sie noch sehen.

Ihre Schamlosigkeit, Herr Merz, besteht schon darin, dass Sie zum allerletzten Zeitpunkt die Mehrheiten eines vergangenen Bundestages nutzen. SPD und Grüne, Sie biedern sich für ein paar Silberlinge erfüllter Wünsche dieser Untat der gigantischsten Aufrüstung an,

(Nils Gründer [FDP]: Wie viele Silberlinge zahlt Ihnen Putin denn?)

der größten, die dieses Land je gesehen hat – wohl wissend, dass Sie dafür Ihre ehemaligen Ideale verraten.

Bereits heute arbeiten Sie mit einer Mehrheit, die eigentlich gar nicht mehr existiert. Was wir gerade erleben, ist ein moralischer Tiefpunkt im und für dieses Parlament. Wer dieses monströse Manöver auf der schmelzenden Eisscholle nötig hat, der ist nicht demokratisch stark, sondern moralisch erkennbar schwach.

(Beifall bei der Linken)

Damit befeuern Sie weiter die Mühlen der AfD, der Sie einen Angriffspunkt nach dem nächsten liefern. Sie, nicht irgendwer sonst, führen das Land damit ins Unheil.

Ebenso verheerend wie die Art, in der Sie das alles heute hier durchpeitschen wollen, ist das, was Sie vorhaben.

(Abg. Beatrix von Storch [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Dass Sie zentrale Wahlkampfversprechen wie Ihre so heilige Schuldenbremse brechen würden, konnte man nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte bereits voraussehen; das ist schließlich gutbürgerliche, deftige Politik des Wahlbetrugs, wie wir sie kennen. Der heutige Dammbruch ist jedoch so noch nie da gewesen.

Nein. – Sie wollen einen Blankoscheck für die unbegrenzte Aufrüstung ins Grundgesetz festschreiben lassen. Hier soll Aufrüstung und Militarisierung in nie gekanntem Ausmaß stattfinden,

(Dr. Marcus Faber [FDP]: „Aufrüstung“!)

ohne Haltelinien und ohne Grenzen. So geht es nicht!

(Beifall bei der Linken)

Die Nebelkerze einer angeblich unmittelbaren existenziellen Bedrohung wurde dabei in den vergangenen Monaten sorgsam vorbereitet. Niemand leugnet, dass sich dieses Land schützen muss.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie!)

Das Untergangsszenario, welches Sie hier aufbauen, hat – wie das bei der Migration – aber nichts mit den Realitäten zu tun. Es ist – bei allen Problemen der Sicherheit und der Bundeswehr – nichts weiter als eine Rechtfertigungskulisse für das von langer Hand vorbereitete Umlenken des gesellschaftlichen Reichtums dieses Landes in die Taschen von Rüstungs- und Baukonzernen. Wir als Linke lehnen das ab.

(Beifall bei der Linken – Nils Gründer [FDP]: Ich lehne Sie ab! – Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und lassen Sie sich von denen rechts außen nicht durch angebliche Friedenspfeifen täuschen! Die Rechtsextremen kritisieren mitnichten eine Militarisierung. 2022 stimmte die Hälfte der AfD-Fraktion dem 100-Milliarden-Euro-Sonderschuldenpaket für die Bundeswehr ohne Umschweife zu.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihre Antwort auf Friedenssicherung in Europa?)

Alles heutige Geschwätz ist nur Getöse.

Nun werfen die Parteien der angeblichen Mitte das Geld containerweise in die Kasernenhöfe hinein. Die politisch so gewollte Klammheit der Haushalte von Kommunen und Bundesländern wird zum einen durch Ihr Schuldenpaket nicht nachhaltig geändert; zum anderen legen Sie bereits die nächste Platte schauriger GroKo-Gesänge auf.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schuldenbremsenreform für die Länder! Könnte man zur Kenntnis nehmen!)

Wenn Sie über Sparen fabulieren, braucht es keine große Fantasie, um zu begreifen, dass bald der größtmögliche Angriff auf den Sozialstaat bevorsteht. Überall erleben wir schon jetzt die Auswirkungen dieser Sparpolitik:

(Dr. Marcus Faber [FDP]: „Sparpolitik“!)

In Berlin streicht die CDU die Mittel für das Kummertelefon für Kinder und Jugendliche – nur ein Beispiel, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit der Friedenssicherung zu tun?)

Jahrzehntelang haben Sie die Menschen für doof gehalten, haben ihnen erzählt, dass für das eine oder andere kein Geld da sei. Es würde Ihnen gar nicht einfallen, für den sozialen Wohnungsbau oder andere dringende soziale Investitionen derartige Ausgaben zu tätigen. Diese Kosten des Lebens wälzen Sie auf die Menschen dieses Landes ab, und die Gewinne fließen in die Taschen von Vermietern und Banken.

Und die Kommunen? Eine Grundschule kostet genau 25 Millionen Euro, genauso viel wie ein Panzer. Für den Panzer gibt es aber bald 25 Millionen Euro cash,

(Dr. Marcus Faber [FDP]: Die haben die Grundschulen auch schon für nix gebaut! Welche Grundschulen bauen Sie denn?)

für Grundschulen

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: … gibt’s die Öffnung der Schuldenbremse der Länder!)

das schulpolitische Kooperationsverbot zwischen Bund und Kommunen. Wir wollen auch das streichen; Sie halten daran fest.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BSW – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie stimmen gegen die Öffnung der Schuldenbremse!)

Nun spiegeln Sie, Herr Merz, noch Verantwortung für die Infrastruktur, das Klima und die Länder mit Ihrem zweiten Schuldenpaket vor. Sie haben dieses nebulöse Investitionspaket hinterhergeschoben, um sich die Zustimmung für Ihre Kriegstauglichkeitsverschuldung einkaufen zu können. Hastig verschnürt, zeigt dieses Paket ohne sorgsame Überlegung und Planung, ohne wirkliche Eilbedürftigkeit schon heute, wie beglückt die Baukonzerne über die Möglichkeit von Profitgewinnen durch Preissteigerungen bei öffentlichen Aufträgen sein werden.

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie jetzt auch gegen Brücken? Die Linkspartei ist gegen die Öffnung der Schuldenbremse und gegen Brücken!)

Es winken wieder fette Gewinne, aus Steuergeldern finanziert.

Die umverteilte neue Schuldenlast wird bald als Begründung für Haushaltskürzungen genutzt werden. Friedrich Merz will und wird die Axt an den Sozialstaat legen, das ist gewiss: Whatever it takes, we take it from you. – Nicht mit der Linken! Tun Sie endlich etwas Entscheidendes für die Kommunen, für das Soziale, für die Bildung, fürs Wohnen! Das ist die größte Investition in die Sicherheit der Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der Linken)

In aller Klarheit: Wer diesen Gesetzesänderungen heute zustimmt,

(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: … der stimmt der Reform der Schuldenbremse zu!)

stimmt nicht nur für das größte Rüstungspaket, sondern auch für den absehbar größten Angriff auf unseren Sozialstaat, den die Republik je gesehen hat.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 100 Milliarden für die Länder! – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Die Linke ist gegen 100 Milliarden für die Länder!)

Letzter Satz: Niemand soll später sagen, er habe es nicht kommen sehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Linke ist gegen die Öffnung der Schuldenbremse – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch realitätsverweigernd!)