Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Der 23. Februar dieses Jahres war für Renée Salzman ein bewegender Tag. Sie war aus Israel nach Frankfurt am Main gekommen, um an ihre Tante Blanka Zmigrod zu erinnern, die am 23. Februar 1992 durch einen schwedischen Rechtsterroristen auf offener Straße ermordet wurde. 26 Jahre hatte es bis zu seiner Verurteilung gedauert, obwohl er kurz nach der Tat bereits verdächtig war. 30 Jahre hat es gedauert, bis die Stadt Frankfurt am Ort des Attentates eine Gedenktafel errichtete. Der Anstoß kam aus der engagierten Zivilgesellschaft, über eine erfolgreiche Petition von Ruben Gerczikow.
Warum erzähle ich dies? Diese Geschichte zeigt für mich: Erinnerung ist keine Selbstverständlichkeit. Erinnerung ist ein aktiver Akt, Aneignung und das Weitererzählen der Geschichte der Opfer. Will der Nationale Gedenktag für die Opfer des Terrorismus kein Anlass für ein passives und gar ritualisiertes Gedenken sein oder werden, dann muss er zuerst nicht die Institutionen, die Beauftragten, die Offiziellen bemühen, sondern mit den Betroffenen gemeinsam eine würdige Form und einen Inhalt finden, der deren Trauer, aber auch deren Anliegen Raum gibt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich meine, konsequent wäre, das Protokoll für diesen Tag in die Hände der Opfer zu legen. Die Vertreter und Vertreterinnen des Staates, der Behörden, der Politik, sollten lieber diesen Tag zum Anlass nehmen, sich die Frage zu stellen, warum Zuständige in den Sicherheitsbehörden Terror nicht verhindert haben, warum die Bekämpfung des Terrorismus zum Spielball jeweiliger politischer Interessen gemacht und zur Profilierung genutzt wurde.
(Beifall bei der LINKEN)
Liebe Kollegen und Kolleginnen, was meine ich damit, was meine ich mit dieser Profilierung? Auf jeden Anschlag folgte bisher routiniert die Forderung nach mehr Überwachung und Gesetzesverschärfungen. Aber das konkrete Handeln der Ermittlungsbehörden im Vorfeld und der Justiz im Nachgang ließ die, um die es heute geht, die Angehörigen und Verletzten, oft ratlos bis wütend zurück, ob NSU, Breitscheidplatz oder Hanau. Man hat den Eindruck, dem Schließen der Akten galt mehr Energie als dem Ausleuchten der Netzwerke, und Untersuchungsausschüsse waren für einige in den Behörden ganz offensichtlich und spürbar Störenfriede. Ansprüche und Forderungen der Angehörigen wurden allzu oft abgewehrt und nicht aktiv beantwortet.
Der Bundesverband für die Beratungsprojekte zu diesem Thema begrüßt – wie auch ich – das klare Signal, das mit der Entscheidung der Bundesregierung für diesen Gedenktag gesetzt wurde. Erforderlich ist jetzt ein in der Praxis verbesserter Opferschutz, aber auch erfolgreiche Präventionsarbeit und effektive Strafverfolgung und Aufklärung von terroristischen Taten.
(Beifall bei der LINKEN)
Erforderlich ist auch ein Abschiebeschutz für Opfer von rechter und rassistischer Gewalt und Terror, wie in den Schlussfolgerungen der NSU-Untersuchungsausschüsse gefordert.
(Beifall bei der LINKEN)
Eingangs sprach ich von der Notwendigkeit aktiver Erinnerung. Sie ist auch dies: rückhaltlose Aufklärung und Schutz aller von Terror Bedrohten endlich Realität werden zu lassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)