Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heute zur Diskussion stehenden Antibiotikaresistenzen sind ein wichtiges Thema. Herr Gröhe, ich nehme Ihnen ab, dass Sie tatsächlich etwas dagegen unternehmen wollen. Bakterien sind faszinierende Lebensformen. Sie sind quasi überall zu finden und trotzen den widrigsten Umweltbedingungen. Die meisten sind zum Glück ungefährlich oder sogar nützlich. Einige von Ihnen können aber eben auch schwere Krankheiten verursachen. An Tuberkulose etwa sterben weltweit 1,5 Millionen Menschen in jedem Jahr. Und auch Keime, die gesunde Menschen problemlos abwehren können – wie Staphylokokkus Aureus oder bestimmte Darmkeime –, können bei immungeschwächten bzw. kranken Patientinnen und Patienten ganz schlimme Folgen haben. Sie können lebensgefährlich sein.
Deswegen war die Entwicklung von Antibiotika ein unglaublicher Erfolg der Medizin im Kampf gegen bakterielle Erkrankungen. Doch dieser Erfolg droht jetzt umzukippen; denn das biologische Erfolgsmodell Bakterium beruht auf einer unglaublichen Anpassungsfähigkeit. Wenn nur wenige Exemplare den Angriff beispielsweise eines Antibiotikums überleben, dann führt das dazu, dass sich diese umso schneller vermehren. So entstehen Resistenzen. Dabei droht das scharfe Schwert der Antibiotika stumpf zu werden.
Jetzt gehen Experten davon aus, dass in Deutschland inzwischen bis zu 25 000 Menschen jährlich durch Infektionen mit multiresistenten Erregern sterben. Hunderttausende erleben schweres Leid. Sie müssen länger im Krankenhaus bleiben. Oder sie erleiden schlimme Folgen, wenn zum Beispiel Gliedmaßen, die nicht mehr gerettet werden können, amputiert werden müssen. Das dürfen wir nicht akzeptieren. Damit dürfen wir uns nicht abfinden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es ist absolut richtig, dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag mehr Anstrengungen gegen die Ausbreitung multiresistenter Keime verlangen und dass sie die Entwicklung neuer Antibiotika vorantreiben wollen. Richtig ist auch, dass das eine grenzüberschreitende Aufgabe ist, weil die Erreger auch nicht an Grenzen haltmachen. Was mich aber schon ein bisschen – nein, mehr als ein bisschen – aufregt ist, dass Sie das, was hier in Deutschland das wichtigste Mittel wäre, schlichtweg ignorieren.
Das wichtigste Mittel gegen die Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime in Krankenhäusern wäre schlichtweg mehr Personal, und zwar deutlich mehr Personal. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom letzten Sonntag berichtet – ich zitiere – eine anonym bleibende OP-Schwester:
"Wir gefährden jeden Tag Patienten, und zwar bewusst."
Sie erzählt von schweren Hygienemängeln, von schlecht geschulten Reinigungskräften und vom ständigen Arbeitsdruck in der Pflege, der eine sorgsame Händedesinfektion unmöglich macht. Sie rechnet vor, dass Ärzte und Schwestern sich eigentlich etwa 150-mal am Tag – jeweils 30 Sekunden lang – die Hände desinfizieren müssten. Das ergibt 75 Minuten pro Arbeitstag. Das ist aber bei den derzeitigen Verhältnissen in Krankenhäusern einfach illusorisch.
Viele Beschäftigte leiden psychisch darunter, dass sie zwar genau wissen, was sie zu tun hätten, dass sie diese Zeit aber nicht aus ihrem dichtgepressten Arbeitsalltag herausschneiden können. Arbeitsverdichtung und Stress in der Pflege gefährden jeden Tag Menschenleben. Dagegen müssen wir doch etwas tun.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Im Gesundheitsausschuss haben uns Sachverständige bei einer Anhörung vorgerechnet, dass akut 100 000 Pflegekräfte in den Kliniken fehlen. Und da feiern Sie sich in diesem Antrag für gerade einmal 6 000 zusätzliche Stellen in drei Jahren, die Sie mit dem Krankenhausstrukturgesetz geschaffen haben. Entschuldigung, das ist einfach lächerlich!
Zum Thema Forschung. Wenn wir bei der Entwicklung neuer Antibiotika gemeinsam substanziell vorankommen wollen, dann sollten Sie unserem Änderungsantrag zum Haushalt zustimmen, in dem wir 500 Millionen Euro für nichtkommerzielle öffentliche Arzneimittelforschung fordern. Denn wir sehen doch, dass das Interesse der Industrie an der Entwicklung neuer Antibiotika nicht nur für unsere Region denkbar gering ist. Das gilt auch für die Entwicklung solcher Antibiotika, die gegen Tuberkulose eingesetzt werden könnten. Da müssen wir öffentlich investieren. Das sind wirksame Ansätze, um unser Schwert gegen Infektionskrankheiten wieder scharf zu machen und Menschenleben zu retten. Ich würde mich freuen, wenn Sie das in der Beratung unterstützen würden.
(Beifall bei der LINKEN)