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Die Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit heißt Stark-Watzinger

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! CDU/CSU haben eine Aktuelle Stunde beantragt: „Meinungsfreiheit schützen – Boykott von wissenschaftlichen und demokratischen Veranstaltungen an deutschen Hochschulen verhindern“. Dazu fiele einem aktuell einiges ein: rechtsextreme Drohungen gegen Wissenschaftler etwa, Antisemitismus und Rassismus, Einreiseverbote und Polizeieinsätze an Hochschulen, sogar gegen den Willen von Unileitungen, und ein Bundesministerium für Bildung und Forschung, das prüft, ob bereits bewilligte Fördergelder gestrichen werden können, weil Wissenschaftler ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit in einer Weise nutzen, die der Ministerin nicht passt.

(Beatrix von Storch [AfD]: Antisemitischer Hass!)

Aber um all das geht es der Union nicht.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Doch! Natürlich!)

In dieser Frage stehen Sie nämlich mitnichten auf der Seite der Meinungsfreiheit. Da wollen Sie mehr Repression. Meinungsfreiheit ja, wenn es Ihre Meinung ist.

Ihnen geht es heute um den Auftritt der CDU-Abgeordneten Wulf an der Uni Göttingen, der von lautstarken Protesten begleitet und schließlich abgebrochen wurde. Ja, das ist unangenehm, und das verstehe ich sehr gut. Aber von einer bedrohlichen Übermacht zu reden, die es sonst nur in Diktaturen gebe, das ist schon arg drüber. Trillerpfeifen sind nervig, aber sie sind kein diktatorisches Unterdrückungsmittel.

(Beifall bei der Linken)

Das Grundgesetz schützt die Meinungsfreiheit. Klar ist: Antisemitismus und Rassismus sind niemals von der Meinungsfreiheit gedeckt. Aber das Grundgesetz schützt nicht vor Widerspruch, und auch nicht Abgeordnete vor Protest.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Darum geht es doch gar nicht!)

Und die Meinungsfreiheit ist doch nicht durch 40 protestierende Studierende gefährdet, sondern viel mehr durch eine Ministerin, deren Ministerium die Streichung von Fördermitteln für nicht genehme Wissenschaftler prüft.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Genau das falsche Narrativ! Das ist die Lüge! – Zuruf des Abg. Thorsten Frei [CDU/CSU])

Das ist ein beispielloser Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit.

(Beifall bei der Linken)

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler veröffentlichen einen Text, in dem sie das Recht von Studierenden auf friedlichen Protest gegen den Gazakrieg verteidigen und sich gegen Repressionen aussprechen, ohne inhaltlich Partei zu ergreifen für konkrete Forderungen.

(Laura Kraft [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was sagen Sie denn zu den jüdischen Studierenden, die sich nicht mehr in die Uni trauen?)

Aber Ministerin Stark-Watzinger behauptet in der „Bild“-Zeitung, die Unterzeichner würden Gewalt verharmlosen und stünden nicht auf dem Boden des Grundgesetzes – ohne jeden Beleg –, und dann erscheint das unter der Überschrift „Die UniversiTÄTER“ mit Fotos der Unterzeichner. In einer Zeit, in der jeder zweite Wissenschaftler Anfeindungen erfährt, verbreitet eine Ministerin solch haltlose Unterstellungen über die Presse,

(Dr. Stephan Seiter [FDP]: Unglaublich!)

und ein FDP-geführtes Ministerium prüft den Entzug von Fördergeldern als Strafe für Meinungsäußerungen. Mit Liberalismus hat diese FDP wirklich nicht mehr viel am Hut, meine Damen und Herren; das zeigt übrigens auch das ganze Elend der Drittmittelabhängigkeit an den Hochschulen.

(Beifall bei der Linken – Stephan Thomae [FDP]: Viel zu viel Redezeit haben Sie!)

Jetzt wird vertuscht, es wird gemauert, und es wird offensichtlich nicht die Wahrheit gesagt. Ich frage Sie, Frau Ministerin: Wie wollen Sie denn Ihr Amt weiter ausüben, wenn Wissenschaftler sich fragen, welche Konsequenzen drohen, wenn sie ihre Meinung frei äußern? Hochschulen sind ein Raum der öffentlichen Debatte und der Auseinandersetzung, gerade zu schwierigen Themen. Das darf nicht gefährdet werden. Durch niemanden und auch nicht durch eine Ministerin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Dorothee Bär [CDU/CSU]: So eine Partei braucht echt niemand mehr!)