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Der Ausverkauf der Commerzbank ist falsch, aber die 15 Jahre Planlosigkeit davor mindestens ebenso

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2008 musste der Staat die angeschlagene Commerzbank in der Finanzkrise mit über 18 Milliarden Euro retten. Kurz vorher hatte die Commerzbank die Dresdner Bank übernommen und hat sich daran ordentlich verschluckt.

(Zuruf der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])

Die Commerzbank-Rettung hat die Allgemeinheit einen mittleren Milliardenbetrag gekostet. Gewinne wurden jahrelang privatisiert, Verluste sozialisiert, und durch den Verkauf der Anteile wurden diese Verluste jetzt auch realisiert.

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Das zeigt, dass die ganze Finanzmarktkrise, die ganze Bankenrettung ein ganz schlechtes Geschäft für die Allgemeinheit war.

(Beifall bei der Linken)

Als Linke haben wir diese Art der Rettung immer kritisiert. Wenn man 18 Milliarden Euro an Steuergeldern in die Hand nimmt und in eine Bank steckt, dann muss man doch auch die Kontrolle über die Bank übernehmen. Da darf man sich doch nicht mit 25 Prozent der Aktien begnügen.

(Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Für 18 Milliarden Euro hätte man damals vier Commerzbanken kaufen können. Aber die damalige Bundesregierung hat sich mit einem Viertel Commerzbank zufriedengegeben.

Das ist unser Hauptkritikpunkt: Alle Bundesregierungen nach 2008, egal ob der Finanzminister Steinbrück, Schäuble, Scholz oder Lindner hieß, alle haben gebetsmühlenartig wiederholt, dass der Staat nicht die Kontrolle über die Commerzbank anstrebe, dass man sich nicht in die Geschäftspolitik einmischen wolle und dass man als größter Anteilseigner im Wesentlichen zuschauen und die ganze Sache dem Markt überlassen wolle. Und nun hat ein marktwirtschaftliches und, zugegeben, sehr stümperhaftes Auktionsverfahren dafür gesorgt, dass die Commerzbank sehr wahrscheinlich von der UniCredit übernommen wird.

Wir kritisieren diesen Verkauf, weil er Arbeitsplätze gefährdet; davor warnen auch die Gewerkschaften. Erinnern wir uns doch daran, wie die HypoVereinsbank durch die UniCredit übernommen wurde! Damals sind über 16 000 Arbeitsplätze abgebaut worden. Hier ist doch der Bund als Miteigentümer in der Verantwortung, diese Arbeitsplätze zu erhalten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Nebenbei entsteht eine europäische Riesenbank, obwohl eine Erkenntnis aus der Finanzmarktkrise war, dass keine Privatbank so groß sein sollte – „too big to fail“; erinnert sich noch jemand? –, dass sie im Zweifel mit Steuermilliarden gerettet werden muss, wenn sie sich verzockt, weil die Finanzmärkte nicht vernünftig reguliert sind. Jetzt also wieder eine Riesenbank!

Wir wollen den Finanzsektor auf eine sinnvolle Funktion für die Gesellschaft zurechtstutzen. Eine Mittelstandsfinanzierung ist natürlich notwendig. Große Teile des Kapitalmarktgeschäftes der Commerzbank sind dagegen überflüssig und sogar schädlich.

Meine Damen und Herren, Sie als Eigentümer wussten 15 Jahre lang nichts mit der Commerzbank gestalterisch anzufangen. Sie ließen den Markt machen. Jetzt – das ist schon etwas lächerlich – kritisiert sogar der Kanzler den Verkauf, obwohl das Kanzleramt daran beteiligt war, meine Damen und Herren. Das ist doch geradezu absurd.

(Zuruf des Abg. Dr. Mathias Middelberg [CDU/CSU])

Deshalb: Der Fehler war nicht nur die verkorkste Auktion, sondern auch die 15 Jahre Planlosigkeit davor.

(Beifall bei der Linken)

Letzter Satz, Frau Präsidentin. – Herr Lindner, Sie behaupten ja immer gern, der Staat sei nicht der bessere Unternehmer oder der bessere Banker.

(Markus Herbrand [FDP]: Da hat er recht!)

Auf Sie trifft das zweifelsohne zu; das haben Sie ja gerade wieder bewiesen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)