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Atomausstieg zeigt: Kämpfen lohnt sich!

Archiv Linksfraktion - Rede von Janine Wissler,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein historischer Tag: Am 15. April 2023 gingen die letzten drei deutschen Atomkraftwerke vom Netz. Endlich, kann man da nur sagen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Ausstieg aus der Atomenergie ist ein Erfolg der Anti-AKW-Bewegung. Die Orte Wackersdorf, Brokdorf, Gorleben stehen symbolisch für den Widerstand gegen die Atomindustrie und ihre engen Verflechtungen in die Politik. Wir danken den vielen Aktiven für ihr jahrzehntelanges Engagement und für ihre Entschlossenheit.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Atomenergie ist nicht sicher. Sie ist eine Hochrisikotechnologie. Das haben wir in Tschernobyl und in Fukushima erlebt. Atomkraftwerke sind kaum zu schützen vor Gefahren durch militärische Angriffe, durch Terrorismus oder Naturkatastrophen. Ich fand es immer bemerkenswert, wie lange ausgerechnet der Union, die ja sonst immer betont, wie sehr ihr die Sicherheit am Herzen liegt, diese Gefahren vollkommen egal waren, meine Damen und Herren.

Die Endlagerfrage ist ungelöst, und die Atomenergie ist auch keineswegs klimaneutral, wie gerne behauptet wird.

(Zuruf des Abg. Patrick Schnieder [CDU/CSU])

Wenn man sich die gesamte Erzeugungskette anschaut, dann sieht man doch: Uran muss aufwendig abgebaut werden, meist unter schlimmen Arbeitsbedingungen und verbunden mit riesigen Umweltschäden. Und auch Uran bedeutet Abhängigkeit von Energieimporten, meine Damen und Herren.

Atomenergie ist immens teuer. Die Subventionen alleine in der Bundesrepublik werden auf 200 Milliarden Euro geschätzt – ohne die Kosten für Rückbau und Lagerung des Atommülls.

Und wie zuverlässig die Atomenergie ist, das haben wir doch letzten Sommer in Frankreich gesehen. Viele AKWs waren abgeschaltet, weil sie störanfällig sind und weil die Pegel der Flüsse so niedrig waren, dass sie nicht mehr gekühlt werden konnten.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das wird dieses Jahr auch so sein!)

Denn Atomkraftwerke haben einen gigantischen Wasserverbrauch – unverantwortlich angesichts von Dürren und Wasserknappheit infolge des Klimawandels.

(Karsten Hilse [AfD]: Waren Sie jemals in einem AKW?)

Alleine das Kraftwerk Isar 2 verbraucht 700 Liter Wasser pro Sekunde, meine Damen und Herren. Das ist wirklich unverantwortlich.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und nun schlägt der Bayerische Ministerpräsident Söder vor, man könne die Atomkraftwerke in Verantwortung der Länder weiterbetreiben – der gleiche Söder, der 2011 noch mit Rücktritt gedroht hat, wenn es keinen Atomausstieg gibt. Söders Rotieren bei politischen Positionen könnte glatt zur Energiegewinnung genutzt werden. Er dreht sich ja schneller als so manches Windrad in Bayern.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb heißt es ja so schön: Widersprich niemals Markus Söder! Warte eine Weile, dann macht er es selber.

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Söder kann ja froh sein, dass ihn niemand ernst nimmt. Denn wenn man den Vorschlag ernst nehmen würde, dann hätte Markus Söder ein richtiges Problem. Dann könnte er sich erst mal auf die Suche machen nach einem Atomendlager in Bayern, dann könnte er mal den Leuten erklären, wo das Atomklo denn hin soll, er könnte die Castortransporte organisieren. Aber Hauptsache, das Windrad bleibt auf Abstand. Ganze elf hat Bayern übrigens letztes Jahr in Betrieb genommen.

Natürlich weiß die Union: Atomkraftwerke kann man nicht einfach weiterlaufen lassen oder wieder in Betrieb nehmen. Die Sicherheitsüberprüfungen sind überfällig, es müssten neue Brennstäbe bestellt werden, und Strom aus Kohle und Atomenergie verstopft die Netze. Damit bremst man den Ausbau der erneuerbaren Energien aus, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Das strahlende Ende der Atomkraft mit seinen immensen Kosten wird noch ganze Generationen beschäftigen. Die Kosten für die Lagerung des Atommülls wurden natürlich schön der Allgemeinheit übertragen und das Verursacherprinzip einmal mehr ausgehebelt. 17 Milliarden Euro plus 6 Milliarden Euro Risikozuschlag, so eine lächerliche Summe haben die Atomkonzerne in einen öffentlich-rechtlichen Fonds eingezahlt, Geld aus Rückstellungen, die sie sowieso bilden mussten, auch noch steuerfrei. 23 Milliarden – und dafür geht die gesamte Verantwortung, das gesamte Risiko auf den Staat über, und die Atomkonzerne sind aus dem Schneider. Sie haben sich kostengünstig freigekauft. Die Vorlage dafür hatte übrigens eine Kommission unter dem Vorsitz von Herrn Trittin erarbeitet, und eine ganz, ganz große Koalition hat das damals beschlossen. Ich finde, das ist ein weiteres Einknicken vor den Atomkonzernen auf Kosten der Steuerzahler.

Sollen doch die Konzerne für die Kosten aufkommen und nicht die Allgemeinheit. Die haben ja auch jahrzehntelang gut verdient.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das ist das Absurde: Wenn man vorschlägt, die Energiekonzerne mit ihren profitablen Zweigen zu vergesellschaften, ist das natürlich des Teufels. Aber ein strahlendes Milliardengrab, das kann man natürlich vergesellschaften, das kann man natürlich der Allgemeinheit übertragen.

Deshalb: Das teure Ende der Atomkraft und der atomare Müll werden uns noch viele Generationen lang beschäftigen. Da hört man von den Atomfreunden auch nichts von der sonst so vielbeschworenen Generationengerechtigkeit, meine Damen und Herren.

Nein, die Antwort auf den sich verschärfenden Klimawandel und die Energiekrise sind die erneuerbaren Energien. An hohen Strompreisen sind nicht die Erneuerbaren schuld, sondern der Markt und die Spekulationen, ein Strommarktdesign, das dafür sorgt, dass das teuerste Kraftwerk den Preis diktiert. Das müssen wir ändern. Wir brauchen eine staatliche Strompreiskontrolle.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir müssen Verbraucher schützen, Spekulation bekämpfen, Übergewinne abschöpfen, damit die Energiewende gerecht ist.

Ein letzter Satz, Herr Präsident. – Der Atomausstieg zeigt: Kämpfen lohnt sich, auch wenn die Gegenseite noch so stark und mächtig ist. Daran ändert sich auch nichts durch das letzte Aufbäumen der Union als parlamentarischer Arm der Atomindustrie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Das letzte Aufbäumen haben Sie schon hinter sich!)