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Solidarität mit den Menschen in Syrien und im Exil.

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Assad-Regime ist Geschichte, nach 54 Jahren Diktatur in Syrien. „Hat Saddam Husseins Armee uns befreit?“ Das fragte ein befreiter Gefangener im Foltergefängnis Sednaja. Viele waren jahrzehntelang isoliert. Folterwerkzeuge, Leichenberge, Kleinkinder in Zellen, anonyme Massengräber und bisher unbekannte Foltergefängnisse: Assad ist ein Schlächter, verantwortlich für unfassbare Verbrechen, für Folter und Mord. Es muss alles dafür getan werden, dass Beweise und Massengräber gesichert werden, um diese Gräueltaten dokumentieren und aufklären zu können.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)

Der Sturz Assads bedeutet nicht, dass Syrien jetzt sicher ist. Die Milizen bestehen auch aus dschihadistischen Kräften. Niemand weiß, wie sich die Lage entwickeln wird. Und: Syrien bleibt Spielball geopolitischer Interessen. Die Türkei greift syrisches Gebiet an. Die autonome Selbstverwaltung von Nordostsyrien, zu der auch Rojava gehört, wird bedroht von türkischen Luftangriffen und von der Türkei unterstützten Milizen. Seit Jahren zerstört die Türkei in den kurdischen Gebieten die Energieversorgung und die Infrastruktur und tötet Zivilisten. Und die deutsche Bundesregierung? Genehmigt Waffenexporte an den NATO-Partner Türkei.

(Zuruf von der Linken: Pfui!)

Ich frage Sie: Ist das wertegeleitete Außenpolitik?

(Beifall bei der Linken – Clara Bünger [Die Linke]: Unfassbar!)

Auch Israel bombardiert syrisches Gebiet, besetzt illegal weitere Teile der Golanhöhen und will die Besiedlung ausweiten. Auch das ein eklatanter Völkerrechtsverstoß, der sofort beendet werden muss.

(Beifall bei der Linken)

Der Bundeskanzler kündigte vor wenigen Monaten Abschiebungen nach Syrien an, vor dem Sturz Assads. Wenn man die Bilder aus den Foltergefängnissen sieht, deren Existenz lange bekannt war, ist das beschämend, meine Damen und Herren. 70 Prozent der Menschen in Syrien sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Niemand weiß, wie sich die Lage entwickeln wird. Niemand, überhaupt niemand darf nach Syrien abgeschoben werden.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Max Lucks [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist unwürdig, wenn Abgeordnete von Union und AfD am Tag von Assads Sturz Abschiebungen und Ausreiseprämien fordern. Ich finde, schämen sollte sich auch das BSW, das noch vor Kurzem hier im Bundestag die Normalisierung der Beziehungen zu Assad gefordert hat.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])

Nach 54 Jahren Diktatur, nach 14 Jahren Krieg feiern die Exilsyrer. Sie bangen, ob vermisste Angehörige noch leben. Das lange Undenkbare wird möglich: die Rückkehr zu den Liebsten, das Wiedersehen, die Rückreise an Orte ihres früheren Lebens. Aber wir müssen abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Wer das emotional nicht nachfühlen kann, der sollte einfach die Klappe halten.

Was jetzt nötig ist: humanitäre Hilfe und eine UN-Initiative, die mit der neuen Regierung spricht und die Menschenrechtsverletzungen des Assad-Regimes dokumentiert;

(Beifall bei der Linken)

Schutz für die syrischen Kurden, für Rojava, für die Minderheiten im neuen Syrien; und vor allem Solidarität mit den Menschen in Syrien und im Exil –

– sowie Unterstützung für die syrische Zivilgesellschaft –

– in ihrem Kampf für Demokratie und Gleichberechtigung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Rasha Nasr [SPD])