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Die SPD läutet das traditionelle linke Jahr vor der Wahl ein

Rede von Janine Wissler,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD läutet das traditionelle linke Jahr vor der Wahl ein. Was der Kanzler und seine Partei jetzt so alles fordern: 15 Euro Mindestlohn, höhere Steuern für Spitzenverdiener und natürlich die Vermögensteuer, die die SPD in jedes Wahlprogramm schreibt, um sie dann vier Jahre lang nicht einzuführen und zum nächsten Wahlkampf wieder rauszukramen. Wer, bitte, soll das noch ernst nehmen?

(Beifall bei der Linken)

An wen richten Sie denn diese Forderungen? Die SPD stellt den Kanzler. Sie regieren seit einem Vierteljahrhundert fast ununterbrochen.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Was haben Sie denn umgesetzt?)

Machen ist krasser als Fordern, sage ich Ihnen. Sie beklagen Probleme, die Sie mit geschaffen haben: Pflegenotstand, Kinderarmut, Bahnchaos. Das sind doch keine Naturereignisse, die über uns kamen; das sind doch Folgen auch Ihrer Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Was ist denn aus den Wahlversprechen geworden, Herr Bundeskanzler? Bezahlbarer Wohnraum, Bürgerversicherung, Klimaschutz – offenbar genauso vergessen wie Ihre Dates mit Bankern in Sachen Cum-ex. Die Ampel hat nicht nur ein mieses Image, weil sie streitet, sondern vor allem, weil bei den Menschen überhaupt keine spürbaren Verbesserungen ankommen. Ganz im Gegenteil: Die Menschen erwarten ja schon gar nichts Gutes mehr von der Ampel. Sie hoffen ja nur noch, dass die Verschlechterungen nicht allzu schlimm werden.

Nun droht der Kanzler der eigenen Fraktion mit der Vertrauensfrage, um das Asylpaket durchzubringen. Wenn die FDP Kindergrundsicherung und Rentenpaket blockiert, hört man nichts von diesem Kanzler. Aber wenn einige SPD-Abgeordnete ihrem Gewissen folgen und sich nicht von der AfD treiben lassen wollen, dann spricht er ein Machtwort. Die Ampel will im großen Stil abschieben und das Asylrecht noch weiter aushöhlen. Gut, wenn es dagegen Widerstand gibt innerhalb der SPD; denn die Gewährung von Asyl hat vielen Sozialdemokraten das Leben gerettet. Deshalb sage ich: Werden Sie Ihrer eigenen Geschichte gerecht, und stimmen Sie gegen dieses Asylpaket.

(Beifall bei der Linken)

Meine Damen und Herren, das Problem ist doch nicht, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben. Das Problem ist, dass wir in einer Klassengesellschaft leben,

(Martin Reichardt [AfD]: Aha! Hört! Hört!)

in der 40 Prozent nichts und 10 Prozent zwei Drittel des Vermögens besitzen. Warum reden wir andauernd über die, die nichts haben? Warum reden wir nicht über die 249 Milliardäre in diesem Land? Statt Geflüchtete zu bekämpfen, müssen Fluchtursachen bekämpft werden. Hunger, Armut, Kriege, die Folgen des Klimawandels – das sind doch die Gründe, warum die Menschen fliehen.

Aber was macht die Ampel? Sie kürzt die Mittel für humanitäre Hilfe in ihrer Regierungszeit um fast 30 Prozent. „Keine Waffen in Kriegsgebiete“, hieß es mal. „Wertegeleitete Außenpolitik“, hieß es mal. Und jetzt exportieren Sie Waffen in Kriegs- und Krisengebiete. Das Einzige, was daran wertegeleitet ist, das sind die Wertsteigerungen für die Rüstungsindustrie, meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen: Nötig sind Diplomatie und Verhandlungen und nicht die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen und Aufrüstung.

(Beifall bei der Linken)

Ja, Herr Bundeskanzler, es geht um Respekt und um Gerechtigkeit. Und es ist wirklich schade, dass das für die SPD vor allem ein Wahlkampfthema, aber kein Regierungsthema ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)