Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Petition, deren Überweisung zur Berücksichtigung wir hier gleich beschließen werden, ging sicher allen von uns sehr nahe. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, dass sich der Petitionsausschuss hier einstimmig für das höchste Votum entschieden hat.
Die Petentin ist mit einer Forderung nach einer Änderung am Mutterschutzgesetz an das Parlament herangetreten. Aktuell tritt bei einer Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche keine Schutzfrist ein, weil es sich rechtlich nicht um eine Entbindung handelt. Was das bedeutet, hat die Petentin, die selbst eine Fehlgeburt erlebt hat, eindrücklich geschildert. Eine Ärztin sagte ihr im Anschluss an den operativen Eingriff der Ausschabung: Sie brauchen keine Krankschreibung. Sie können morgen wieder arbeiten gehen. – Das ist für viele Betroffene leider aktuell Realität.
Jede dritte Frau erlebt eine Fehlgeburt. Geschätzt sind es in Deutschland jährlich 200 000 Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden. Man kann nur schätzen, weil sie in diesem frühen Stadium eben nicht erfasst werden. Ich denke, wir alle trauen zwar Ärzten und Ärztinnen zu, einschätzen zu können, in welcher körperlichen Verfasstheit sich die betroffenen Frauen dann befinden, aber – aber! – es wird wohl kaum ernsthaft zu bezweifeln sein, dass jenseits der körperlichen Verfasstheit ein solches Erlebnis auch eine gewaltige Belastung für die Psyche darstellt. Eine Krankschreibung erfolgt dabei eben nicht automatisch. Und nicht jede Betroffene fühlt sich in so einer Situation in der Lage, mit dem Arzt oder der Ärztin eine Diskussion über eine Krankschreibung anzufangen.
Konkret bedeutet das, dass Frauen, die eine Fehlgeburt am sechsten Tag der 23. Schwangerschaftswoche erleiden, unter Umständen am nächsten Tag wieder arbeiten müssen, während für die Betroffene, die dieses Unglück einen Tag später ereilt, eine Schutzfrist greift. Die ehemalige Koalition wollte eigentlich die Frist auf die 20. Schwangerschaftswoche absenken. Das wird nun nicht mehr kommen. Aber selbst eine solche pauschalierte Regelung hätte das rechtliche Problem nur abgemildert, nicht wirklich behoben.
(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Das stimmt!)
Wir reden hier über ein so sensibles Thema, dass die derzeitige rechtliche Lage den Betroffenen einfach nicht zumutbar ist. Die von der Petentin vorgebrachte Idee eines gestaffelten Mutterschutzes erscheint vor dem Hintergrund sinnvoll. Der Schutz würde hier auch bei früheren Fehlgeburten greifen und würde sich im Zeitrahmen nach den Wochen der Schwangerschaft aufbauen, keine Pflicht, sondern Schutz für die betroffenen Frauen. Der Petitionsausschuss erwartet, wie im Votum zum Ausdruck gebracht, die Berücksichtigung dieses Vorschlages.
Vor dem Hintergrund des anstehenden Wahlperiodenwechsels möchte ich hier darauf hinweisen, dass Petitionen – anders als Anträge und Gesetzentwürfe – nicht dem Prinzip der Diskontinuität unterfallen.
(Beifall bei der Linken)
Sie werden also auch vom nächsten Bundestag weiterbehandelt. Ich verbinde mit dieser Rede auch den Wunsch, dass sich die Abgeordneten des Petitionsausschusses der 21. Wahlperiode für eine Umsetzung dieser Petition einsetzen werden und sie nicht in Vergessenheit gerät. Das sind uns die betroffenen Frauen wert.
(Beifall bei der Linken)
Wir überweisen die Petition zur Berücksichtigung an die Bundesregierung.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)