Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem heute zu diskutierenden § 219a handelt es sich um einen Paragrafen, der unter der Herrschaft der deutschen Faschisten eingeführt wurde. Fast 90 Jahre, viel zu lange, steht er schon im Strafgesetzbuch; doch jetzt gibt es endlich Bewegung im Parlament:
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Jörn König [AfD]: Da wurden auch die ersten Zuschussgesetze eingeführt!)
Die Abschaffung vom § 219a, für die sich meine Partei schon lange einsetzt, steht kurz bevor. Nächste Woche werden wir das diskutieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und wer klammert sich natürlich verzweifelt an dieses überholte und traurige Überbleibsel aus der Zeit des deutschen Faschismus? Die AfD.
(Zuruf von der SPD: Na klar!)
Daher ein kurzer Rückblick in die Geschichte. Der § 218, der Abtreibungen grundsätzlich unter Strafe stellt, entstand 1871. Es gab aber seit Entstehung dieses Paragrafen immer wieder Kämpfe, um ihn zu reformieren oder ganz abzuschaffen, vor allem natürlich von linken Kräften – zumindest bis 1933 die NSDAP an die Macht kam. Sie verschärfte nicht nur das Abtreibungsverbot unter § 218, sondern schuf kurz nach ihrer Machtergreifung § 219a, ein „Werbeverbot“ für Abtreibungen – allein der Name ist irreführend und abscheulich.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Der verschärfte § 218 galt zudem unter der NSDAP nur noch für – ich zitiere – „rassisch reine“ Frauen. Bei – ebenfalls Zitat; ich möchte mich dieser Sprache nicht annehmen – „minderwertigen Volksgruppen“ war die Abtreibung straflos.
Beides waren also Instrumente einer widerwärtigen,
(Enrico Komning [AfD]: Was zitieren Sie denn da für einen Unsinn?)
menschenverachtenden Politik, einer Politik, die darüber entscheiden will, welches Leben überhaupt einen Wert hat.
Und die AfD, die sich jetzt hier als Lebensschützerin aufspielen will, führt genau diese Ideologie fort, und zwar nahtlos.
(Enrico Komning [AfD]: So ein Blödsinn! Also wirklich! – Jörn König [AfD]: Da liegen nur 75 Jahre zwischen! Um Gottes willen! So eine historische Unkenntnis! Wir sind die einzige nazifreie Partei!)
Denn welches Leben schützenswert ist, dazu haben Sie ja ganz interessante Maßstäbe. Das zeigte sich auf besonders ekelhafte Weise vor vier Jahren, als Sie hier eine Anfrage zu Schwerbehinderten in Deutschland stellten, in der Sie versucht haben, einen Zusammenhang zwischen Inzucht, Behinderung und Migrationshintergrund zu finden.
(Jörn König [AfD]: Denken Sie mal an den Ältestenrat Ihrer Partei! Der war noch NSDAP-Mitglied, der Klenner! – Gegenruf des Abg. Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hören Sie mal zu! Mann! – Gegenruf des Abg. Enrico Komning [AfD]: Ich höre überhaupt nicht zu, Mann!)
Nicht weniger als 18 Sozialverbände haben Sie geschafft gegen sich aufzubringen, weil Sie in Ihrer Anfrage suggeriert haben, dass eine Behinderung ein zu vermeidendes Übel sei. Und das ist nur die Spitze des Eisberges. Auch das Leben von – nach Ihrer Definition – Nichtdeutschen finden Sie nicht ganz so schützenswert.
(Enrico Komning [AfD]: Erzählen Sie doch nicht so einen Unsinn!)
Sie und Ihre Parteifreundinnen und ‑freunde reden von „Gesindel“, wollen Leute „entsorgen“, wollen „das Pack erschießen“ lassen – alles Zitate von Ihnen – oder „zurückprügeln“, und Sie verurteilen niemanden, der ein bewohntes Asylbewerberheim anzünden möchte.
(Martin Reichardt [AfD]: Also, Leute erschießen, das will doch Ihre Partei! Hören Sie doch auf, Mensch! – Enrico Komning [AfD]: Sie wollen doch Leute erschießen: die Reichen!)
– Ja, ich sehe schon: Sie fühlen sich da richtig angesprochen.
Es widert mich an, wie Sie sich vor dem Hintergrund dieser Aussagen wirklich die Dreistigkeit herausnehmen, sich als Schützerin von Leben aufzuspielen. Was bilden Sie sich ein?
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Sie reden von Tötung; Sie reden davon, dass Babys zerstückelt werden. Sie rufen uns „Babymörderfraktion“ zu. Wie ekelhaft können Sie sein, Frauen in so einer Notlage noch weiter zu quälen?
(Enrico Komning [AfD]: Sie wollen Reiche erschießen! – Beatrix von Storch [AfD]: Das ist ekelhaft!)
Was wir brauchen, sind frei zugängliche Informationen über Schwangerschaftsabbrüche, Beratungen und flächendeckenden und kostenfreien Zugang zu einer medizinischen Leistung, die verdammt noch mal ein Grundrecht sein sollte!
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN, der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Darüber müssen wir diskutieren; und das werden wir nächste Woche tun. Aber Sie wollen hier nur Ihren Frauenhass und Ihre Allmachtsfantasien ausleben. Dass § 219a abgeschafft wird, ist längst überfällig.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Thorsten Frei [CDU/CSU]: Nicht schlimm, dass man Sie nicht versteht! Das ist nicht schlimm!)
Und ja, wir müssen dafür sorgen, dass Schwangerschaftsabbrüche, die auf den Wunsch der Frau hin geschehen, endlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden. Das ist der nächste Schritt nach vorne, in eine Zukunft, in der es endlich reproduktive Gerechtigkeit gibt.
(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Hoffentlich ist die Redezeit bald um!)
Und das ist hoffentlich eine Zukunft ohne die AfD.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Martin Reichardt [AfD]: Da ist die Zukunft ohne Sie wahrscheinlicher, wenn ich mir das so angucke! – Enrico Komning [AfD]: Irre! Irre!)