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Mehr Unterstützung für Prostituierte statt Sexkaufverbot

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jede Seite, pro Sexkaufverbot oder pro Sexarbeit, argumentiert mit anderen Zahlen und anderen Beispielen. Am Ende ist es eine moralische Debatte, bei der niemand gewinnt, am wenigsten diejenigen, um die es hier geht.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Das ist eine Debatte um Würde!)

Denn wir sind uns doch in einem einig: Zwangsprostitution muss bekämpft werden.

Aber wie wenig ein Sexkaufverbot dabei bringt, das sehen wir doch haargenau in den Ländern, in denen es das schon gibt. Denn in allen Ländern, in denen ein Sexkaufverbot, das sogenannte Nordische Modell, umgesetzt ist, zeigt sich: Es treibt die Betroffenen in Hinterzimmer, in denen sie den Freiern schutzlos ausgeliefert sind. Denn denen ist das Verbot total egal, genauso wie den Menschenhändlern.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie sind schutzlos! Das ist die Realität!)

Das beweisen auch zahlreiche Studien. Wer Sexarbeit selbstbestimmt ausübt, dem wird mit einem Sexkaufverbot die Existenzgrundlage genommen – ein Berufsverbot quasi –, aber denen, die in die Prostitution gezwungen wurden, hilft man nicht.

(Zuruf der Abg. Annette Widmann-Mauz [CDU/CSU])

Es widerspricht sich, wenn Sie im Antrag sagen, dass Sie Sexarbeiterinnen nicht kriminalisieren wollen, sie dann aber in die Illegalität treiben.

(Beifall bei der Linken – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Sie sind schon wieder auf der falschen Seite!)

Wir haben in Deutschland schon eine Reihe von Gesetzen, die Menschenhandel, Vergewaltigung und Zwangsprostitution unter Strafe stellen. Deren Durchsetzung ist doch das Problem. Alles, was Sie hier aufgezählt haben, Frau Bär – und das verabscheue ich genauso wie Sie –, steht schon unter Strafe. Aber dann müssen wir diese Verbote doch auch umsetzen. Das passiert aber nicht.

(Beifall bei der Linken – Zuruf der Abg. Dorothee Bär [CDU/CSU])

Was wir brauchen, sind mehr Beratungsangebote und aufsuchende Sozialarbeit für die Betroffenen.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit der Polizei!)

Wenn Sie das in Ihrem Antrag fordern, aber gleichzeitig sagen, dass Sie einen haushälterisch gangbaren Weg wollen, dann ahne ich schon, worauf das hinausläuft: Es gibt nichts oder ein Schaufensterprojekt am Bedarf vorbei.

Wir brauchen aber Unterstützung für diejenigen, die aussteigen wollen, das aber nicht können, weil sie zum Beispiel Angst vor Abschiebung haben. Die Frauen brauchen Zugang zum Gesundheitssystem und zu einem legalen Aufenthaltsstatus und kein Rückkehrprogramm, wie Sie es so freundlich nennen.

(Beifall bei der Linken)

Sie sagen, das findet vor unseren Augen statt, und Ihre Lösung ist: Aus den Augen, aus dem Sinn! Hinter unserer Grenze ist es nicht mehr unser Problem. – Das ist schäbig.

(Beifall bei der Linken – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Hä?)

Sie haben auch gute Ansätze in Ihrem Antrag – das will ich gar nicht verhehlen –: Schulungen, Aufklärung, Modellprojekte. Aber Ihre Herangehensweise, das Problem über Verbote zu regeln, führt das alles leider ad absurdum. Statt die Rechte von Sexarbeiterinnen zu schützen, wollen Sie lieber all jene stigmatisieren, die legal und selbstgewählt in der Prostitution tätig sind.

Ich komme zum Schluss.

(Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Zwei Minuten können verdammt lang sein!)

Wenn Sie schon den Sexarbeiterinnen nicht zutrauen, für sich zu sprechen, dann reden Sie wenigstens mal mit der Aidshilfe oder der Diakonie; denn auch die sagen Nein zum Sexkaufverbot, genauso wie Die Linke.

(Beifall bei der Linken)