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Rede von Heidi Reichinnek am 13.03.2025

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir uns jetzt hier in dieser Konstellation noch mal sehen, damit hätte ich nicht gerechnet. Da bin ich schon direkt beim Problem; denn was Sie von Union und SPD hier gerade veranstalten, ist zutiefst undemokratisch.

(Beifall bei der Linken)

Sie peitschen drei Grundgesetzänderungen, die ein Finanzvolumen von bis zu 1 000 Milliarden Euro binden, mal eben binnen weniger Tage durch den alten Bundestag. So geht das nicht.

(Beifall bei der Linken)

Fast 50 Millionen Menschen, so viele wie seit 1998 nicht mehr, sind am 23. Februar an die Wahlurnen gegangen und haben einen neuen Bundestag gewählt; aber weil Ihnen das Ergebnis nicht passt, rufen Sie jetzt noch mal den alten Bundestag zusammen. Ja, Sie behaupten, die Entscheidungen seien so dringlich, dass es anders nicht ginge. Aber dann lassen Sie doch den neuen Bundestag sich nicht erst am letztmöglichen Tag, am 25. März, konstituieren, sondern vorher!

(Beifall bei der Linken)

Morgen steht das amtliche Endergebnis fest, für Montag kann der neue Bundestag einberufen werden.

Aber das wollen Sie natürlich nicht; denn vor diesen neuen Mehrheiten haben Sie Angst. Sie wissen, dass Sie das Grundgesetz dann nur gemeinsam mit allen demokratischen Fraktionen ändern können, also auch mit uns Linken.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und Sie wissen, dass wir nur einer Abschaffung oder zumindest einer ernsthaften Reform der Schuldenbremse zustimmen würden; denn genau das wäre der richtige Weg.

(Beifall bei der Linken)

Ihren heute vorliegenden Plänen werden wir niemals zustimmen. Denn was werfen Sie uns denn hier gerade vor die Füße? Einen Blankoscheck für Aufrüstung! Das ist es, was Sie wollen, und das ist auch das Einzige, was Sie wollen. Alle Rüstungsausgaben über 1 Prozent des BIP sollen von der Schuldenbremse ausgenommen sein, und zwar nur die. Wenn es um Aufrüstung geht, dann heißt es „whatever it takes“, dann soll es eine Flatrate geben, und Sie, Herr Merz, sagen: Vertraut mir einfach, ich mache damit schon was Sinnvolles. – Aber gerade Sie haben doch im Wahlkampf überall erzählt, dass wir kein Geld haben – für nichts. Und jetzt haben wir Hunderte Milliarden für die Rüstung, einfach so. Sie mögen es mir also nachsehen, Herr Merz, wenn mein Vertrauen in Sie gerade doch etwas begrenzt ist.

(Beifall bei der Linken – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das war ja vorher schon so groß!)

Eine echte Kindergrundsicherung, um Kinderarmut zu bekämpfen? Nein, kein Geld! – Sozialer Wohnungsbau? Den können wir uns leider nicht leisten. – Krankenhäuser zurück in die öffentliche Hand, Investitionen in die Gesundheitsversorgung? Dringend nötig; aber – na, Sie ahnen es schon – dafür ist leider kein Geld da.

All diese Themen, die die Menschen im Alltag umtreiben, fallen jetzt schon wieder unter den Tisch, und in Ihrem Sondierungspapier sind sie Ihnen nur schwammige Randnotizen wert. Aber das werden wir nicht hinnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der Linken)

Ich weiß, was Sie jetzt sagen: 500 Milliarden Euro für Infrastruktur wollen Sie ja auch. Aber im Gesetzestext steht nichts außer „für Investitionen in die Infrastruktur“. Ob das Geld wirklich in Kitas, Schulen, Schienen, Krankenhäuser geht oder ob einfach wichtige Straßen so verstärkt werden, dass militärisches Gerät von A nach B kommt, und damit noch mehr Geld in die Aufrüstung fließt, das wissen wir einfach nicht. Und für diese Brotkrumen sollen wir auch noch dankbar sein? Ich glaube, nicht.

(Beifall bei der Linken)

Zudem fehlt in der Vereinbarung das kleine, aber sehr wichtige Wort „zusätzlich“. Sie tun so, als ob zusätzliches Geld käme, aber in Wirklichkeit würden die Investitionen mit dem übrigen Haushalt verrechnet. Das Haushaltsvolumen würde also nicht erhöht; es gäbe nur eine Umschichtung. All das wollen Sie sich mal eben mit acht Sätzen absegnen lassen.

500 Milliarden Euro: Das ist das Volumen eines ganzen Bundeshaushaltes. Über das wird normalerweise monatelang nachgedacht und beraten. Aber Sie lassen dem Parlament nur wenige Tage. In einer Stunde tagt der Haushaltsausschuss und führt eine Anhörung mit Sachverständigen durch, die kaum ausreichend Zeit hatten, sich mit Ihren Vorschlägen auseinanderzusetzen. Heute und morgen sollen die anderen Ausschüsse das dann noch eben schnell durchwinken, und am Dienstag ist dann alles schon vorbei. – So ist zumindest Ihr Wunsch.

Na ja, das werden wir noch sehen; denn wir klagen in Karlsruhe nicht nur dagegen, dass der alte Bundestag nach dem 14. März weiterhin einberufen wird, sondern auch gegen Ihr Vorgehen.

(Beifall bei der Linken)

Denn Sie von der Union und der SPD machen den Bundestag, schon bevor Sie überhaupt eine Regierung gebildet haben, zu einem Ort der Debattenverweigerung und zu einem Ort des Durchpeitschens von Gesetzen.

Ich sage Ihnen:

"„Die Qualität einer Demokratie zeigt sich darin, ob die Mehrheit Respekt und Achtung vor den Rechten der Minderheit in einem Parlament hat.“"

(Beifall bei der Linken)

Was Sie hier liefern, „ist eine Missachtung des Parlaments, wie es sie in dieser Dimension in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat“. Falls Ihnen das bekannt vorkommt: sehr kluge Worte von einem gewissen Friedrich Merz. Der kommentierte damals so das Vorgehen der Ampel beim Heizungsgesetz,

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Das war was ganz anderes!)

und ich dachte mir, ich erinnere Sie von der Union an diese berechtigte Kritik.

(Beifall bei der Linken)

Denn Sie werfen uns jetzt in kürzester Zeit gleich drei Grundgesetzänderungen vor die Füße, die ein noch größeres finanzielles Volumen haben.

(Beifall bei der Linken)

Aber was interessiert Sie schon Ihr Geschwätz von gestern?

Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, tolle Pressekonferenzen waren das. Sie haben vollkommen zu Recht das Verfahren kritisiert, die vorgeschobenen Argumente zerlegt und eine Reform der Schuldenbremse angemahnt, nur um dann ein paar Stunden später einen eigenen Gesetzentwurf vorzulegen.

(Zuruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und was ist da Ihre grandiose Idee? Die Verteidigungsausgaben sollen erst beim Überschreiten von 1,5 Prozent des BIP von der Schuldenbremse ausgenommen werden anstatt, wie von Union und SPD gewünscht, beim Überschreiten von 1 Prozent. Das bedeutet doch nur noch mehr Druck auf den regulären Haushalt und damit noch mehr Kürzungen bei Sozialem, Bildung oder Gesundheit.

(Widerspruch bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das retten Sie doch auch nicht, wenn Sie jetzt noch ein paar Milliarden Euro für den Klimaschutz raushandeln.

(Beifall bei der Linken)

Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet! Schade eigentlich; ich hatte kurz Hoffnung auf Ihr Rückgrat.

(Dr. Till Steffen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Karneval ist vorbei!)

Ich weiß, das ist Ihre Hoffnung: Sie stimmen jetzt diesem Paket von Union und SPD zu, und danach gibt es eine Reform der Schuldenbremse. Wenn Sie das glauben, dann muss ich Sie enttäuschen. Das wird nicht passieren. Ohne Ihren Druck und ohne unseren Druck wird die Union eine solche Reform nicht unterstützen, ganz besonders dann nicht, wenn sie von Ihnen jetzt schon diesen Blankoscheck für Aufrüstung bekommt; denn das ist alles, was sie wollen.

Deswegen sage ich Ihnen: Liebe Kolleginnen und Kollegen der Grünen, ich schätze Sie sehr. Stimmen Sie mit uns gegen dieses Paket! Kämpfen Sie mit uns für eine echte Reform der Schuldenbremse, damit es auch Geld für soziale Politik für die Mehrheit gibt und nicht nur für Aufrüstung!

(Beifall bei der Linken)

Denn mit Ihren Vorschlägen wird der soziale Sprengstoff aus dem Sondierungspapier von Union und SPD verstärkt.

Und ja, wir müssen über dieses Papier reden; denn das zeigt ganz klar, welcher Wind hier in den nächsten Jahren wehen wird. Bezahlbare Mieten durch ausreichende Investitionen in den sozialen Wohnungsbau? Fehlanzeige! – Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel abschaffen oder zumindest reduzieren? Fehlanzeige! – Kinder, Jugend, Familie, Frauen endlich in den Fokus rücken? Fehlanzeige! – Entlastung für die Mehrheit? Ein bisschen Prosa, sonst Fehlanzeige! – Stattdessen steht in Ihrem Papier ein Angriff auf die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern durch Entgrenzung der Arbeitszeit. Es gibt ein massives Einprügeln auf Menschen im Bürgergeld, und nebenbei schleifen Sie noch das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit.

Abschottung statt Menschlichkeit, Ausgrenzung statt einer solidarischen Gesellschaft für die Mehrheit! Die Sozialpolitik ist der blinde Fleck in Ihrer zukünftigen Koalition, und das werden wir als Linke nicht akzeptieren.

(Beifall bei der Linken)

Auch deswegen sagen wir Nein zu Ihrem vorliegenden Paket, weil Sie bei allem Reden über Sicherheit die soziale Sicherheit der Menschen nicht nur ausklammern, sondern absichtlich ignorieren. Echte Veränderungen sind aber nur möglich, wenn wir endlich umverteilen und die Schuldenbremse abschaffen. Es kann nicht sein, dass wichtige Investitionen mit dem Verweis auf fehlende Mittel abgeschmettert werden, während gleichzeitig die Milliardenvermögen von pervers Superreichen immer weiter anwachsen. Wir brauchen ein Steuersystem, das die Mehrheit entlastet und diese kleine Minderheit, die sich weigert, sich angemessen an der Finanzierung der Gesellschaft zu beteiligen, endlich zur Kasse bittet.

(Beifall bei der Linken)

Die Schuldenbremse, die weder Naturgesetz noch gottgegeben ist, muss weg. Für beides stehen wir als Linke ein. Dafür werden wir weiterkämpfen.

Ich bin Ihnen nach diesem ganzen Trauerspiel für eines dankbar. Sie haben ganz deutlich gezeigt: Das Geld ist da. Es geht nicht ums Können, es geht ums Wollen. Ihnen fehlt der politische Wille, den Alltag der Menschen in diesem Land zu verbessern. Ihnen fehlt der politische Wille, soziale Politik für die Mehrheit zu machen. Und ich verspreche Ihnen: Daran werden wir Sie im neuen Bundestag jeden Tag wieder erinnern.

(Beifall bei der Linken)