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Komplette Themaverfehlung: Der Bundeshaushalt 2025

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Deutschland 2024: Die Infrastruktur bricht zusammen, die soziale Ungleichheit wächst, zentrale gesellschaftliche Bereiche wie das Gesundheitssystem, Bildung, Wohnungsbau werden ausgeblutet. Und was machen Sie, liebe Ampel? Sie erklären uns im Einklang mit Union und AfD: Schuld an allen Problemen sind Geflüchtete und Bürgergeldempfänger. Und dass Sie da jetzt mal richtig durchgreifen. Ja, wir müssen über Migration reden. Dafür gibt es ja morgen trotz Haushaltswoche eine eigene Debatte. Das ist auch richtig so. Aber tun Sie doch nicht so, als wäre das das einzige Problem, vor dem unser Land gerade steht.

(Beifall bei der Linken)

Die Menschen fragen sich, wie sie ihre Miete zahlen sollen, ob sie nächstes Jahr noch einen Job haben, wie lange das Krankenhaus im Ort bleibt. Und für all diese Probleme haben Sie keine Lösungen. Sie suchen lieber Sündenböcke, um von Ihrem eigenen Versagen abzulenken.

(Beifall bei der Linken)

Wir diskutieren hier ja eigentlich den Haushalt. Und ich habe das Gefühl, ich muss Sie daran erinnern, wofür es den Haushalt überhaupt gibt, was Ihr Auftrag als Regierung ist. Es geht darum, Gelder so zu verteilen, dass unsere Gesellschaft funktioniert.

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Otto Fricke [FDP])

Es geht darum, dass Sie endlich Verantwortung übernehmen. Was nützt es uns, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt zu sein, wenn Reichtum so ungerecht verteilt ist?

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BSW)

Vor drei Jahren sind Sie als selbsternannte Fortschrittskoalition gestartet. Jetzt legen Sie Ihren letzten Haushalt vor, und eins wird noch einmal deutlich: Fortgeschritten ist unter Ihnen nur der Verfall des Sozialstaates und der öffentlichen Infrastruktur.

(Beifall bei der Linken)

Und kaum etwas steht so symbolisch dafür wie die Deutsche Bahn. Für die Regierungsbank da drüben: Das ist so was wie Dienstwagen oder Flugbereitschaft, nur auf Schienen, und es ist eigentlich ganz cool. Aber die Deutsche Bahn fährt im wahrsten Sinne des Wortes auf Verschleiß. Jeden Tag sitzen Zehntausende Leute in überfüllten Zügen ohne Klimaanlage und wissen nicht, ob sie jemals da ankommen, wohin sie wollen.

(Christian Schreider [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Gut, im Gegensatz zur Ampel wissen diese Leute zumindest theoretisch, was ihr Ziel ist.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BSW – Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])

Aber wie in so vielen Bereichen: Was wir hier brauchen, sind Investitionen; aber die verhindert Ihre heilige Schuldenbremse.

(Christian Schreider [SPD]: Stimmt doch gar nicht!)

Sie sagen den Leuten immer wieder, dass Ihnen leider die Hände gebunden sind. Sie lassen hier alles den Bach runtergehen, statt endlich diese Investitionsbremse abzuschaffen oder wenigstens zu reformieren. Das ist nicht nur Unsinn, das ist gefährlich!

(Beifall bei der Linken – Zurufe des Abg. Christian Schreider [SPD])

Und vor allem ist es absolut lächerlich, die Schuldenbremse vorzuschieben. Denn die umgehen Sie selbst, wo Sie können. Ihr Haushalt ist eine Sammlung von Taschenspielertricks, um die Schuldenbremse auszuhebeln.

(Christian Schreider [SPD]: Keine Ahnung von der Bahn, aber hier herumkritisieren!)

– Hören Sie mal zu; da lernen Sie noch was!

(Beifall bei Abgeordneten der Linken – Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])

Die Bahn bekommt deswegen statt Investitionen Darlehen: Die kann man nämlich an der Schuldenbremse vorbeimogeln. Diese Darlehen helfen der Bahn zwar nicht, aber Sie können sagen: Wir haben doch was gemacht. – Sie können sich hierhinstellen wie der Kollege Dürr und behaupten, der Haushalt sei ein Investitionshaushalt.

(Christian Dürr [FDP]: 81 Milliarden Euro! Kennen Sie eigentlich die Zahlen?)

Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind wir in der Europäischen Union auf dem vorletzten Platz bei den Investitionen! Dafür erwarten Sie Applaus? Nicht ganz die Schlechtesten zu sein, ist gut genug? Na, das erklärt einiges bei Ihrer Politik!

(Beifall bei der Linken)

Weil Sie aber auf der einen Seite an der Schuldenbremse festhalten und auf der anderen Seite keine neuen Einnahmen generieren, kürzen Sie da, wo die Leute sowieso schon nichts haben,

(Christian Schreider [SPD]: Schon einmal etwas von der Lkw-Maut gehört?)

nämlich bei den Bürgergeldempfängern zum Beispiel. Hier wollen Sie fast 5 Milliarden Euro einsparen. Auf Nachfrage von mir können Sie aber gar nicht beantworten, wie Sie sich das vorstellen. Dafür, dass die CDU nicht mehr an der Regierung ist, ist in diesem Haushalt eine ganze Menge Gottvertrauen drin, muss ich mal sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

Und die Regelsätze werden natürlich auch nicht erhöht. Dabei würde eine Erhöhung den Betroffenen nicht nur helfen, ihren Alltag zu meistern, sondern auch die Wirtschaft ankurbeln. Denn Bürgergeldempfänger tragen jeden einzelnen Cent, den sie mehr bekommen, auf direktem Wege in die Geschäfte. Zwei Fliegen mit einer Klappe – könnte man meinen; aber Sie beteiligen sich ja lieber an der Schmierenkampagne gegen Menschen im Bürgergeld, die die Union losgetreten hat.

(Beifall bei der Linken)

Keine Talkshow – keine einzige! – ohne mindestens einen abgehobenen Politiker, der sich nicht zu dumm ist, mit erfundenen Zahlen Stimmung gegen das Bürgergeld zu machen, obwohl er sich gerade erst – leistungslos – die fetteste Diätenerhöhung seit Jahrzehnten eingesteckt hat. Die Erhöhung allein ist übrigens höher als der höchste Bürgergeldsatz – das nur nebenbei.

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])

Sie treffen mit Ihren widerlichen Lügen zum Bürgergeld übrigens die alleinerziehende Mutter genauso wie den Mann, der seine Frau pflegt, oder die Menschen, die mit Erkrankungen zu kämpfen haben. Das ist niederträchtig. Das machen wir als Linke nicht mit.

(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Julian Pahlke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Bei diesen Leuten vom Existenzminimum noch Geld wegzukürzen und sich dann für immer mehr Sanktionen zu feiern, das ist erbärmlich. Damit hat übrigens niemand in der Bevölkerung auch nur einen Cent mehr im Portemonnaie. Richtig wäre es, höhere Mindestlöhne einzuführen, statt nur nette Briefe zu schreiben, Herr Heil.

(Beifall bei der Linken)

Stärken Sie die Tarifbindung, und entlasten Sie geringe und mittlere Einkommen! Das ist das, wofür wir als Linke kämpfen.

Während Sie ehrliche Arbeit ohne Ende besteuern, werden perverse Vermögen und gigantische Milliardenerbschaften geschont. Wenn Sie so dringend Geld suchen, dann fangen Sie da doch mal an! Ich verspreche Ihnen, da finden Sie verdammt viel davon.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn Sie nur einen Hauch dieser Obsession, die Sie in Talkshows für das Treten nach unten aufwenden, in die Verfolgung von Mindestlohnbetrug und Steuerflucht stecken würden, ließen sich noch mal Dutzende Milliarden reinholen. Was hält Sie eigentlich davon ab? Die Spendenschecks, die Ihre Parteien einstreichen? Klar, man beißt nicht die Hand, die einen füttert.

(Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])

Aber von diesem Geld könnten wir Ihre ganzen schönen Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag bezahlen.

Gegen Kinderarmut hatten wir zum Beispiel mal über eine Kindergrundsicherung geredet. Um die ist es auffällig still geworden in den letzten Monaten. Klar, Sie wissen ja selbst, dass die nicht mehr kommt. Dann lebt halt jedes fünfte Kind in Armut, hat kein gesundes Essen, kann nicht zur Klassenfahrt. Aber hey, liebe Kinder, dafür hält die Regierung für euch die Schuldenbremse ein, und die Reichen werden immer reicher!

(Beifall bei der Linken)

Denkt doch daran, wenn ihr im Sommer mal wieder nicht ins Schwimmbad gehen könnt.

Und wenn Sie, Herr Lindner, dann immer erzählen, Sozialleistungen für Kinder wollen Sie nicht, sondern Geld für Bildung, dann frage ich mich: Warum geben Sie kein Geld für Kitas aus? Kein Cent mehr ist dafür im Haushalt vorgesehen! Dabei wären gut ausgestattete Kitas zentral für Chancengleichheit.

(Beifall bei der Linken – Christian Haase [CDU/CSU]: Das ist Länderaufgabe!)

Ich sage Ihnen: Wir brauchen in diesem Haushalt mehr Geld für Kinder. So einfach ist es nämlich.

(Beifall bei der Linken)

Aber diese Regierung hat kein Herz für Kinder, sondern nur für Waffen! Denn das einzige Ministerium, das sich vor Geld nicht retten kann, ist das Verteidigungsministerium. Noch nie hat eine Bundesregierung so viel Geld für Krieg und Aufrüstung eingeplant. Militärausgaben für nächstes Jahr: knapp 90 Milliarden Euro. 90 Milliarden Euro! Für 9 Milliarden Euro könnten Sie den bestehenden Investitionsstau im Katastrophenschutz auflösen. Für 20 Milliarden Euro könnten Sie sämtliche Sportstätten in Deutschland sanieren. Für 30 Milliarden Euro ließen sich alle Brücken in ganz Deutschland rechtzeitig sanieren. Wie dringend nötig das ist, haben wir gerade letzte Nacht in Dresden gesehen.

(Beifall bei der Linken)

Stattdessen: dubiose Beraterverträge, Milliarden für Funkgeräte, die nicht in Panzer passen, für Gewehre, die schräg schießen. Klingelt da was? Dank Ihnen allen zählt Rheinmetall zu den erfolgreichsten DAX-Konzernen.

(Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])

Ich sage Ihnen: Überall ist das Geld besser angelegt als in der Rüstungsindustrie!

(Beifall bei der Linken)

Hören Sie endlich mit dem Säbelrasseln auf! Diplomatie statt Waffen, das ist die Lösung!

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Christian Schreider [SPD])

Wofür Sie außerdem noch Geld übrighaben, ist die Aktienrente. 12 Milliarden Euro – übrigens auch an der Schuldenbremse vorbei – kostet der Spaß. Was es bringt, weiß keiner. Für den gleichen Betrag könnten Sie dafür sorgen, dass niemand weniger als 1 250 Euro Rente hat. Herr Scholz, Sie haben hier gerade wirklich gesagt, dass Sie dafür sorgen wollen, dass alle so lange arbeiten können, wie sie wollen. Als ob das unser Hauptproblem wäre! Die Generation, die Dutzende Jahre gearbeitet hat, sammelt Pfandflaschen, weil die Rente nicht zum Leben reicht! Das ist doch unser Problem!

(Beifall bei der Linken)

Wo ist Ihr Respekt für Menschen, die mit 70 noch arbeiten müssen, die bei den Tafeln Schlange stehen, die nicht einfach mal mit ihren Enkeln ein Eis essen können? Diesen Menschen zu helfen, daran müssen Sie sich als Regierung messen lassen! Und Sie versagen dabei auf ganzer Linie.

(Beifall bei der Linken)

Und wissen Sie, was ein starker Sozialstaat außer Armut noch bekämpft? Faschisten! Ja, Sie können sich nach jeder Wahl hierhinstellen und den Leuten zurufen, dass sie Rechtsextreme nicht wählen sollen. Aber wie oft müssen wir Ihnen noch die Studien vorlegen, die eindeutig beweisen, dass Kürzungspolitik und Zuspruch zu rechtsextremen Positionen einen direkten Zusammenhang haben? Wie viele Faschisten müssen noch in die Parlamente gespült werden, bis auch der Allerletzte bei Ihnen begreift: Man bekämpft die AfD nicht, indem man ihre Politik des Nach-unten-Tretens übernimmt, sondern indem man Politik macht, die das Leben von Menschen verbessert, indem man investiert. Verdammt noch mal!

(Beifall bei der Linken)

Ich komme zum Schluss. – Ihr Haushalt funktioniert nicht. Sie opfern alles für die Schuldenbremse, umgehen Sie aber selbst, wenn es gerade passt. Sie investieren nicht da, wo es nötig ist. Sie suchen sich Sündenböcke, die sich nicht wehren können, und verspielen das Vertrauen der Menschen in dieses Parlament endgültig, weil Sie viel reden, aber nichts liefern, um den Alltag der Menschen zu verbessern.

Das ist, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie dieser Satz: das Allerletzte.

(Beifall bei der Linken – Zurufe von der SPD)