Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2024, und ich muss mit Ihnen hier im Parlament darüber diskutieren, ob Frauen über ihren eigenen Körper bestimmen dürfen.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich kann es manchmal selber nicht glauben. Und ganz ehrlich: Ich bin einfach dankbar, dass die Menschen in diesem Land deutlich weiter sind als einige Parteien hier im Parlament.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Denn in einer jüngst veröffentlichen Umfrage haben über 80 Prozent der Menschen gesagt: Ja, klar, Schwangerschaftsabbrüche müssen außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden. – Deswegen frage ich mich so ein bisschen: Wo ist dieser gesellschaftliche Großkonflikt, den FDP und Union hier die ganze Zeit heraufbeschwören?
Und ich frage mich, ob Ihnen eigentlich bewusst ist, dass wir im Osten dieses Landes schon mal deutlich weiter waren.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Enrico Komning [AfD]: Ja! Zu DDR-Zeiten! Genau! Wollen Sie die DDR wiederhaben, oder was? – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Genau! Lasst uns mal wieder die DDR hochleben!)
In der DDR waren Schwangerschaftsabbrüche nämlich nicht kriminalisiert. Deswegen haben auch Millionen ostdeutscher Frauen bei dem von Ihnen hochgelobten Kompromiss ihre Freiheitsrechte verloren, über ihren eigenen Körper entscheiden zu dürfen. Das ist die Wahrheit.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Ihnen wirklich etwas daran liegt, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche endlich sinkt, dann reden wir über kostenfreie Verhütung für alle, reden wir über Verhütung für Männer und darüber, dass diese dringend erforscht werden muss, und reden wir über mehr Aufklärung, auch in der Schule und in den Kitas.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Und reden wir auch darüber, dass fast jede zweite Frau als einen der Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch angibt, dass sie ökonomische Sorgen hat. Das ist doch der eigentliche Skandal. In einem reichen Land wie Deutschland sind Kinder ein Armutsrisiko. Das müssen wir doch hier mal thematisieren:
(Beifall bei Abgeordneten der Linken)
dass die Frauen, die oft genug alleine mit den Kindern zurückgelassen werden, nicht wissen, wie sie diesen Kindern eine gute und sichere Zukunft ermöglichen können.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da muss Politik doch handeln: mit einer Kindergrundsicherung, mit mehr Elterngeld, mit Betreuungs- und Unterstützungsangeboten, aber doch nicht, indem sie Frauen verbietet, über ihren eigenen Körper zu entscheiden.
Sie wissen doch ganz genau: Egal wie schwer Sie es Frauen machen, selbst wenn Sie Schwangerschaftsabbrüche verbieten: Schwangerschaftsabbrüche wird es immer geben.
(Elisabeth Winkelmeier-Becker [CDU/CSU]: 100 000 im Jahr!)
Die Frage ist, wie sicher sie für die Betroffenen sind. Und die Frage ist auch, wer sich das überhaupt leisten kann. Denn Abtreibungen kosten mehrere Hundert Euro. Das müssen die Frauen selber bezahlen; das zahlt keine Krankenkasse. Die Frauen müssen vor allem unfassbar lange Wege in Kauf nehmen, weil die Versorgungssituation so unfassbar schlecht ist, weil das selbst im Medizinstudium der Gynäkologie nicht mal gelernt wird. Und wenn sich diese Frauen dann auf den Weg machen, werden sie auch noch beleidigt und angegriffen. All das, weil wir dieses Thema im Strafgesetzbuch regeln, wo es einfach nicht hingehört. Schwangerschaftsabbrüche sind kein Verbrechen.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn Sie sich wirklich alle hierhinstellen und sagen: „Das ist alles so kurzfristig, das ist jetzt so holterdiepolter“, dann frage ich mich: Glauben Sie wirklich, wir hätten uns das Thema vor zwei Wochen ausgedacht? Haben Sie all den Menschen nicht zugehört, die seit Jahrzehnten dafür kämpfen, dass § 218 endlich gestrichen wird?
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wie viele Expertisen brauchen Sie noch? Wie viele Debatten? Wie viele Petitionen? Wie viele Demonstrationen? Wenn Sie immer noch keine Meinung zu dem Thema haben, dann ist Politik vielleicht einfach nicht das Richtige für Sie.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich sage es hier noch mal ganz deutlich: Wer hier gegen Abtreibung ist, soll bitte keine an sich durchführen lassen. Das sage ich vor allem den Männern, die gerade sehr viel in den Medien mit dem Thema vorkommen, mit ganz viel Meinung, aber ganz wenig Ahnung. Ich weiß, Sie haben jetzt gerade die ganzen Frauen vorgeschickt – ganz kluger Move –,
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Wer redet denn bei Ihnen?)
aber auch sie dürfen alle selber entscheiden, dass sie keinen Schwangerschaftsabbruch wollen – für sich, aber nicht für mich und auch nicht für die Millionen Frauen da draußen.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Ich komme zum Schluss. – Ich finde es ja spannend: Sie sind alle gegen die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, aber rufen sonst immer nach weniger Staat, weniger Bevormundung – außer bei Frauenkörpern; die sind ja bekanntlich Volkseigentum. Ich als Frau habe keine Lust mehr, dass Sie über meinen Körper bestimmen wollen und können.
Deswegen sage ich ganz klar – es ist eigentlich einfach –: Mein Körper, meine Entscheidung!
(Beifall bei Abgeordneten der Linken, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)