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Foto: Rico Prauss

Deutschland wurde und wird nicht am Hindukusch verteidigt

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wundere mich ein wenig, wie wir die Debatte führen. Denn eines ist doch klar: Die Chaosbilder vom Flughafen Kabul haben wir alle gesehen. Aber wir müssen doch mindestens hier in diesem Hause die Frage stellen: Wie konnte es denn dazu kommen? Sind vielleicht 20 Jahre Krieg in Afghanistan eine der Ursachen,

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

die im Übrigen nicht die Soldaten zu verantworten haben, sondern wir im Parlament? Denn wir haben dieses Mandat immer wieder verlängert.

(Dr. Gesine Lötzsch [Die Linke]: Genau!)

20 Jahre Krieg: 59 tote Bundeswehrsoldaten – das wurde hier mehrfach gesagt –, dazu 6 tote Polizisten, Zehntausende zivile Opfer. Wenn ich mir angucke, um welche Größenordnung es geht: Rund 18 Milliarden Euro sind ausgegeben für diesen Einsatz. Und was ist das Ergebnis? Die Taliban sind zurück und haben ihr feudalistisches Regime wiedererrichtet. Das ist die Wahrheit.

Herr Röwekamp hat hier eben von „Erfolg“ gesprochen. Das ist doch kein Erfolg. Das ist ein Chaos, das wir angerichtet haben.

(Beifall bei der Linken)

Dieser Einsatz ist gescheitert. Die Taliban sind wieder zurück. Damals haben sie nicht das ganze Land beherrscht und auch nicht alle Grenzübergänge. Aber heute beherrschen sie das ganze Land und alle Grenzübergänge. Deswegen stellt sich da wirklich die Frage – damals galt der Satz: Deutschland wird am Hindukusch verteidigt –: Wo verteidigen wir denn jetzt? Das war offensichtlich eine falsche Herangehensweise. Warum reden wir nicht darüber? Ich glaube, das ist enorm wichtig, weil genau das der Punkt ist.

(Thomas Erndl [CDU/CSU]: Es gab in Deutschland auch Al-Qaida-Anschläge!)

Dann noch eine Bemerkung zu den Ortskräften. Ja, weiterhin sind Tausende Afghaninnen und Afghanen gefährdet. Natürlich hoffen wir alle gemeinsam, dass ihnen nichts passiert. Die warten auf Visa. Das sind Leute, die für die GIZ gearbeitet haben. Das sind Leute, die sich eingelassen haben. Heute sagen die Taliban: Das sind Kollaborateure. Die müssen verhaftet werden. – Mit denen wird eben nicht nur nett umgegangen. Das ist eine glatte Lüge.

(Stefan Keuter [AfD]: Das ist Unfug! Sie sind doch noch nicht mal im Untersuchungsausschuss dabei!)

– Mit denen wird überhaupt nicht nett umgegangen. – Darunter sind im Übrigen auch viele, die es zwar geschafft haben, Afghanistan zu verlassen, die sich verstecken müssen. Wir haben eine Verantwortung. Es geht um Menschenrechte. Es geht um die Rechte derjenigen, die den Versuch unternommen haben, ein anderes Afghanistan zu errichten. Und genau das war nicht erfolgreich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken)