Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Seit Beginn der russischen Angriffe auf die Ukraine am 24. Februar sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 3 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen, die meisten von ihnen ins Nachbarland Polen. In Deutschland wurden bisher über 175 000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert, mit Zehntausenden mehr ist zu rechnen.
Die schutzsuchenden Menschen werden in der EU mit einer riesigen Hilfsbereitschaft und Solidarität aufgenommen. Sie bekommen unkompliziert einen Schutzstatus, können hier arbeiten und durften bei Verwandten und Bekannten unterkommen, soweit dies möglich war. Es ist sehr gut, dass die Bundesregierung, aber auch die EU-Ebene hier schnell gehandelt haben. Dafür ein Dankeschön von unserer Seite. Aber all das zeigt auch, wie eine solidarische Flüchtlingspolitik funktionieren kann, wenn der politische Wille da ist.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Aufnahme derer, die vor Krieg, Gewalt und Zerstörung fliehen, wäre nicht möglich ohne das beeindruckende Engagement vieler Menschen, die auf freiwilliger Basis die Ankommenden unterstützen und für Unterkünfte und Verpflegung sorgen. Vielen Dank an dieser Stelle an alle Ehrenamtlichen, die hier Großartiges geleistet haben und immer noch leisten.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Doch dieses ehrenamtliche Engagement kann nicht auf Dauer staatliche Strukturen ersetzen. In vielen Städten und Gemeinden fehlt es aktuell an qualifiziertem Personal, an Wohnungen und weiteren Ressourcen. Ich war letzte Woche selbst am Berliner Hauptbahnhof und habe als Freiwillige am Infodesk unterstützt. Jeden Tag kommen dort Tausende Menschen an, Tendenz steigend. Die Unterkünfte sind so voll, dass die Menschen teilweise in Zügen und Bussen übernachten müssen. Deshalb ist es aus unserer Sicht richtig, dass Geflüchtete jetzt auch auf andere Bundesländer verteilt werden.
Es geht aber nicht nur um Verpflegung und Unterbringung, sondern auch um qualifizierte Beratung. Ich nenne Ihnen mal ein Beispiel: Als ich letzte Woche am Hauptbahnhof war, berichtete mir eine Person, dass sie ihren Vater, der aus der Ukraine geflohen war, aus Polen abholen wolle. Der Vater sei allerdings dement und in Begleitung seiner Pflegerin vor dem Krieg geflüchtet. Die Frage war: Kann diese Pflegerin, die keine ukrainische Staatsbürgerschaft hat, ebenfalls nach Deutschland kommen? Bekommt sie hier auch Schutz? Das ist nur ein Beispiel von vielen, und es zeigt, dass es mehr professionelle Anlaufstellen für Geflüchtete braucht.
(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD])
Das ist eine staatliche Aufgabe. Hier muss schnell gehandelt werden; die Bundesregierung muss Länder und Kommunen hier finanziell unterstützen.
Bei all der berechtigten Freude über die solidarische Aufnahme der Geflüchteten aus der Ukraine dürfen wir nicht vergessen, dass die Abschottung an der EU-Außengrenze gegenüber Menschen unverändert weitergeht. Polen ist immer noch dabei, eine fast 6 Meter hohe Mauer zur Abwehr von nichteuropäischen Geflüchteten zu bauen. Polnische Sicherheitskräfte schicken immer noch Schutzsuchende rechtswidrig in die Kälte oder gar in den Tod zurück oder sperren sie in geschlossene Lager.
Nach wie vor werden Schutzsuchende unter unwürdigen Bedingungen in Hotspotlagern auf den griechischen Inseln festgehalten. Und nach wie vor ertrinken Menschen im Mittelmeer oder werden an den EU-Außengrenzen mit brutaler Gewalt an der Einreise in die EU gehindert und zurückgewiesen. Das ist nicht nur ganz klar rechtswidrig, weil das Refoulement-Verbot eben eine absolute und notstandsfeste Garantie ist; es zeigt auch eine Doppelmoral im Umgang mit Geflüchteten, die aus meiner Sicht Ausdruck eines tiefsitzenden Rassismus ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Dabei sollte doch klar sein, dass man bei Menschen keinen Unterschied macht, wenn sie vor Kriegen fliehen. Es darf eben keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auch bei der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine kommt es zu rassistischer Diskriminierung. Auch wenn Sie als Staatsministerin das verurteilen, was ich natürlich sehr begrüße, sieht die Realität leider anders aus. Es kommt zu rassistischer Diskriminierung von Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Studierende aus afrikanischen Ländern werden an den Grenzen aus Zügen geholt, durchsucht und schikaniert. Im Unterschied zu ukrainischen Staatsangehörigen haben sie zudem in der Regel keinen Anspruch auf einen unkomplizierten Schutzstatus; die Kollegin Polat hat es angesprochen. Diese Schutzlücken müssen aus meiner Sicht noch geschlossen werden.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Studierende aus Drittstaaten müssen die Möglichkeit bekommen, hier ihr Studium fortzusetzen, wenn sie das möchten.
Nun zum Schluss noch ein Wort zur Union. Frau Lindholz, ehrlich gesagt, finde ich es unerträglich, dass Sie in dieser Notsituation, in der ausnahmsweise vieles von der Bundesregierung richtig gemacht wird, schon wieder Gefahren herbeireden und versuchen, Ängste zu schüren.
(Andrea Lindholz [CDU/CSU]: Hä? Ich habe keine Ängste geschürt! Ich habe auf eine Situation aufmerksam gemacht! Also, hören Sie doch zu! Was ist denn das für ein Blödsinn?)
Ich beende gleich meine Rede.
Dass Sie hier solche schlimmen Vorgänge für Ihre politischen Zwecke verwenden, ist einfach dreist. Wenn Sie es wirklich ernst meinen würden, dann würden wir das Problem unter einer anderen Überschrift, –
– nämlich unter der Überschrift „Strafbarkeitslücken“, diskutieren. Ein Glück, dass Sie nicht mehr in der Regierung sind.
(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Ein Glück, dass Sie nie in die Regierung kommen!)
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)