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Lauterbachs Krankenhausreform ist eine Geisterfahrt

Rede von Ates Gürpinar,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich am Ende kurz zusammenfassen: Wenn Sie die Krankenhausreform in dieser Form beschließen, ist das ein Angriff auf das Herzstück der deutschen Gesundheitsversorgung, ein Angriff auf die stationäre Versorgung.

(Beifall bei der Linken)

Karl Lauterbach und andere Protagonisten, die sich nicht zufällig in der Expertenkommission zusammengefunden haben, hatten vor der Coronapandemie eingefordert, die Hälfte bis zu zwei Drittel der Kliniken im Land zu schließen.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das stimmt doch alles gar nicht!)

Abzüglich der Prosa drumherum, die wir jetzt gehört haben, soll genau das passieren.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Erzähl doch keine Märchen!)

Seien Sie doch wenigstens ehrlich, liebe Koalition!

(Beifall bei der Linken)

Es ist unsere Aufgabe als Parlament, das zu verhindern. Die Gesundheitsversorgung im Land muss doch verbessert und nicht weiter ausgedünnt werden, was Sie in den letzten Jahren gemeinsam forciert haben.

Und mal ganz kurz am Rande: Ich bin mir gar nicht sicher, was besser ist: dass Sie die letzten Jahre gar nichts gemacht haben oder dass Karl Lauterbach vor 20 Jahren das letzte Mal was gemacht hat und jetzt wieder was tut. Ich weiß nicht, was in der Frage das Bessere ist, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU] – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor 20 Jahren war er noch gar kein Minister!)

Von nahezu allen Behauptungen, die seitens der Regierung zur Reform formuliert wurden, trifft das Gegenteil zu. Sie sagen, die Fallpauschalen werden abgeschafft. Sie sagen, die Krankenhäuser werden entökonomisiert. Sie behaupten, dass die Kliniken weniger auf die Fallzahlen angewiesen sein werden. Das ist schlicht die Unwahrheit.

(Beifall bei der Linken)

Nachdem Lauterbach vor 20 Jahren die Fallpauschalen mitverbrochen hat – ein System, das die Krankenhäuser gezwungen hat, möglichst viele Fälle mit möglichst wenig Personal in möglichst kurzer Zeit zu behandeln –, soll nun neben den Fallpauschalen ein zweites System etabliert werden, das die Kliniken ebenso von Fallpauschalen abhängig macht.

(Zuruf des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Es wird zwar „Vorhaltevergütung“ genannt, aber Vorhalten muss nur das Krankenhaus. Vergütet wird das Krankenhaus für die Anzahl der Fälle, die es in den Jahren zuvor gehabt hat; das wurde schon gesagt. Damit bleibt die Klinik nicht nur im Profitzwang; es wird durch die zweite Säule noch mal bürokratischer. Es wird die Ärzte brutal dazu drängen, nicht lukrative Fälle eher nicht zu behandeln, andere, für das Haus lukrativere jedoch durchzuführen, ob sie nun für den Patienten notwendig sind oder nicht.

Aber auch damit nicht genug. Sie haben überhaupt keine Ahnung, was die Konsequenzen Ihres Gesetzes sind. Es liegt Ihnen nämlich überhaupt keine Folgenanalyse vor.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie sind also neben den offensichtlichen Falschaussagen zu Ihrem Gesetz im Blindflug unterwegs,

(Abg. Tina Rudolph [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

und das ist fatal für die Krankenhauslandschaft im Land.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat Ihnen das vorgehalten und stellt fest, dass nur ein Viertel der Krankenhäuser einen großen Teil ihrer Bereiche weiterbetreiben kann. Es trifft also vor allem die Grundversorgung, die eben nicht lukrativ, aber dringend notwendig ist.

Aber es geht noch weiter. Während Sie neue Probleme schaffen, lösen Sie kein altes. Beispiel: Pflegemangel. Es werden noch mehr Beschäftigte im Pflegebereich aussteigen, weil viele nicht einfach bei der nächsten Klinik weiterarbeiten, wenn die eigene schließt, sondern sich schlicht einen anderen Job suchen, sehr geehrte Damen und Herren.

Ja.

Vielen Dank. – Herr Kollege, Sie waren jetzt schon ganz schnell zwei Themen weiter. Ich hatte mich bei dem Punkt Auswirkungsanalyse gemeldet.

Finden Sie den Vorwurf nicht ein bisschen irreführend, dass der Bund eine Auswirkungsanalyse vorlegen soll mit Bestandteilen,

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Er macht die Reform!)

die eigentlich bei den Ländern liegen, wenn die Länder für die Krankenhausplanung verantwortlich sind,

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau so ist es!)

vor dem Hintergrund einer Krankenhausreform genau das tun sollen

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ist es! Aha! Hört! Hört!)

und die theoretischen Dinge, die für eine solche Auswirkungsanalyse möglich sind, dadurch zustande kommen, dass die Länder die Leistungsgruppen zuteilen, aus denen hervorgeht, was die Länder machen sollen und wollen, und man das eben nicht an den Bund abspielen kann?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Christine Aschenberg-Dugnus [FDP] – Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da spricht eine Ärztin, eine Praktikerin! Man hört es sofort! – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: Das ist doch sehr logisch!)

Liebe Kollegin, lieber Kollege Dahmen – ich spreche Sie gleich mit an –, einige Punkte dazu: Es geht nicht nur um die Praktiker, die im Krankenhaus als Ärztinnen und Ärzte arbeiten. Es geht auch um die Pflegebeschäftigten. Es geht übrigens auch um die Patientinnen und Patienten.

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, klar!)

– Damit komme ich zu Ihnen. – Wir als Politikerinnen und Politiker haben die Aufgabe, zumindest ein wenig darauf zu achten, wie die Zukunft mit so einem Gesetz verändert wird.

Ich komme gerade dazu.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Die Politikerinnen und Politiker müssen wissen, was die Folgen eines solchen Gesetzes sind. Herr Dahmen hat vorhin übrigens gesagt, er hätte die Folgen eines solchen Gesetzes schon gesehen; er hat sie aber nicht genannt.

(Heike Baehrens [SPD]: Ja! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Er sieht so einiges, was andere nicht sehen!)

Ich denke, dass zumindest ungefähr klar sein sollte, welche Bereiche und welche Leistungsgruppen an welchen Orten

(Dr. Janosch Dahmen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Gesetz von Praktikern für Patienten und Personal!)

noch vorhanden sind und wo nicht. Das hätten Sie gemeinsam mit den Ländern erarbeiten können, wenn Sie die Länder einbezogen hätten. Das haben Sie aber nicht getan.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])

Deswegen, glaube ich, müssen Sie vor dem Gesetz überlegen, ob Sie die Kolleginnen und Kollegen der Länder miteinbeziehen; die waren gewillt, die sind gewillt.

(Heike Baehrens [SPD]: Sie sind seit eineinhalb Jahren eingebunden!)

Und dann können Sie gemeinsam eine Folgenabschätzung machen. Gehen Sie doch diesen Weg, bevor Sie hier ein unfertiges Gesetz einbringen und beschließen lassen

(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])

und dann mit den Ländern in die Diskussion gehen, liebe Kolleginnen!

(Beifall bei der Linken – Heike Baehrens [SPD]: Nein, nein, nein!)

Ich fahre fort –

– und komme zum Schluss. – Das Abstruse aber ist gegenwärtig, dass Sie neue Fehler produzieren und alte nicht beheben. Sie werden quasi einen Kahlschlag in der medizinischen Versorgung anrichten und die Zukunft der Gesundheitsversorgung aufs Spiel setzen. Das alles darf nicht passieren.

Wir benötigten jetzt eine kostendeckende Finanzierung

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Ein Karl-Schlag!)

der Gesundheitsversorgung. Die Linke wird in den nächsten Wochen und Monaten alles dafür tun, –

– dass Sie mit der gesundheitspolitischen Geisterfahrt von Herrn Lauterbach, dem Karl-Schlag, nicht durchkommen.

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Karl-Schlag! – Tino Sorge [CDU/CSU]: Sehr gut! Der Karl-Schlag!)

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken)