Petra Pau in der Debatte zu den Gesetzentwürfen von Bündnis90/Die Grünen (Drs. 16/576) und FDP zur Sicherung der Pressefreiheit: diese Forderung ist längst überfällig. Außerdem sollte man darüber nachdenken, ob ein Paragraf aus dem Jahre 1936 (!), der vermeintlichen Geheimnisverrat unter Strafe stellt, noch zeitgemäß ist.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Pressefreiheit vorgelegt. Das begrüße ich namens der Fraktion Die Linke ausdrücklich. Der Gesetzentwurf hat einen Anlass: die Durchsuchung von Redaktionsräumen des Magazins „Cicero“ im September 2005. Das war kein Einzelfall. Razzien bei Medien gibt es häufiger, vornehmlich bei vermeintlich linken. (Joachim Stünker [SPD]: Na, na, na!) Die „taz“ könnte darüber Geschichte erzählen oder auch die „Junge Welt“. Die politische Farbenlehre ist aber ein ganz anderes Thema. Heute geht es prinzipiell um die Frage, ob das Grundgesetz überall gilt und wie es zu schützen ist. Das Grundgesetz schützt die Pressefreiheit. Es schützt sie, weil die Pressefreiheit für eine lebendige Demokratie unverzichtbar ist. Zu diesem Schutz gehört, dass Journalisten das Recht haben, ihre Quellen und Informanten zu schützen. Sie gehen den Staat nichts an. Nun sagt ein Sprichwort, Ausnahmen bestätigen die Regel. Diese Ausnahmen müssen aber gut begründet sein. Darauf zielt der Gesetzentwurf der Grünen. Deshalb unterstütze ich ihn politisch. Die vermeintlichen Ausnahmen nehmen Überhand. Überhand nehmen auch die Kollateralschäden; denn allzu gerne wird bei Razzien in Redaktionsstuben alles mitgenommen, was mitnehmbar ist: CDs, Festplatten, Adressenlisten und Archive, also alles, was im journalistischen Alltag so anfällt und vielleicht auch tiefer blicken lässt, als der Polizei aus dem konkreten Anlass heraus erlaubt ist. In dem konkreten Fall geht es um eine besondere Konstruktion. Der damalige Bundesinnenminister, Otto Schily, witterte Geheimnisverrat. Er vermutete in seinen Diensten ein Plappermaul. Er versuchte, sein Rätsel in den Redaktionsstuben des Magazins „Cicero“ lösen zu lassen. Genau das darf so nicht sein. Ein Leck im Dienst ist kein Grund, die Pressefreiheit und damit das Grundgesetz außer Kraft zu setzen. (Beifall bei der LINKEN) Nun streiten sich die Rechtsgelehrten, ob der Innenminister nicht doch Recht hat. Weil das strittig ist, muss das Recht präzisiert werden. Genau darauf zielt der Gesetzentwurf der FDP. Mit ihm sollen Bürger- und Freiheitsrechte gestärkt werden. Auch dafür werbe ich ausdrücklich. In dieser Auseinandersetzung haben wir es übrigens mit demselben Konflikt zu tun wie in der Debatte um den so genannten BND-Ausschuss. Wer Bürgerrechte verteidigt, steht im Verdacht, Sicherheitsinteressen zu verraten. Das ist genau das Deutschland, das ich - trotz aller Werbung - nicht bin und auch nicht will. Ich will weiterhin einen sozialen Bürgerrechtsstaat. (Beifall bei der LINKEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, am kommenden Samstag werden wir übrigens hier in Berlin unmittelbar neben dem Reichstag, auf dem Platz des 18. März, an die Märzrevolution anno 1848 erinnern, und zwar - wie seit vielen Jahren - parteiübergreifend. Die Pressefreiheit war eines der Ziele dieser Revolution. Abschließend: Beide Anträge gehen in die Ausschüsse. Dort können wir über die Paragrafenfeinheiten verhandeln und auch darüber, ob ein Paragraf aus dem Jahre 1936, der vermeintlichen Geheimnisverrat unter Strafe stellt, so wie er im Moment gefasst ist, noch zeitgemäß ist. Man kann nicht einerseits Informationsfreiheit per Gesetz befördern und zugleich die Pressefreiheit per Gesetz beschneiden. Das ist widersinnig. Deshalb wird sich die Linke in den Beratungen über diese Entwürfe für eine Lösung zugunsten der Pressefreiheit und der Bürgerrechte sowie von mehr Demokratie einsetzen. (Beifall bei der LINKEN)Pressefreiheit verteidigen
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Petra Pau,